Der massive Rückgang des gesamtwirtschaftlichen Einkommens durch die Corona-Krise wird die Frage der Einkommensverteilung in Zukunft noch mehr in den Mittelpunkt des wirtschaftspolitischen Interesses rücken. Die Datenbasis spielt für die Debatte eine wesentliche Rolle. Es ist wichtig, individuelle und gesamtwirtschaftliche Daten gemeinsam zu betrachten. So lassen sich die Folgen wirtschaftspolitischer Maßnahmen genauer abschätzen – etwa die Verteilungswirkungen des Sozialstaats; oder konkreter: die negativen Folgen einer Kürzung bei sozialen Sachtransfers wie beispielsweise Gesundheitsleistungen.
Bessere Datenlage als Basis für Verteilungsfragen notwendig
Um Einkommens- und Vermögensungleichheit empirisch erfassen zu können, werden verschiedene Datenquellen herangezogen, die sich teilweise sehr voneinander unterscheiden. Eine übliche Datenquelle zur Messung der Ungleichheit zwischen Personen in einer Volkswirtschaft sind Befragungsdaten. Solche Datenquellen sehen sich jedoch typischerweise mit dem Problem von Messfehlern und der Untererfassung von reicheren Individuen konfrontiert. Berechnungen auf Basis von Befragungsdaten unterschätzen somit tendenziell die Ungleichheit.
Ein verbesserter Zugang zu administrativen Daten hat in den letzten Jahren dazu geführt, dass auch verstärkt Steuerdaten zur Erfassung von Ungleichheiten verwendet werden. Obwohl diese Daten Informationen für den Großteil der Bevölkerung liefern, lässt sich mit Steuerdaten nicht das gesamte Einkommen von Personen abbilden. Beispielsweise werden Vermögenseinkommen in der Regel direkt an der Quelle besteuert und scheinen daher in den Steuerdaten nicht auf. Folglich ergeben sich sowohl in den Befragungsdaten als auch bei Steuerdaten Lücken im Vergleich zum Gesamteinkommen einer Volkswirtschaft, das in der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung (VGR) ausgewiesen wird.
Distributional National Accounts: eine umfassende Darstellung der Ungleichheit
Um unter anderem die Lücken in Befragungs- und Steuerdaten zu schließen, wurde das Konzept der „Distributional National Accounts“ (DINA) entwickelt. Gemeinsam mit anderen Forschern hat Thomas Piketty Pionierarbeit geleistet, indem sie Befragungs- und Steuerdaten für die USA kombinierten und mit Informationen aus der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung verbanden.
Dies ermöglicht es, das gesamte Nationaleinkommen auf die Wohnbevölkerung aufzuteilen. Diese Vorgehensweise basiert auf dem Argument, dass schlussendlich das gesamte Nationaleinkommen (auch beispielsweise jenes aus dem Unternehmenssektor) bei inländischen Haushalten und Personen landet. Dadurch ist es möglich, ein umfassendes Bild der Einkommensungleichheit in den USA darzustellen und beispielsweise genau sagen zu können, welche Bevölkerungsgruppen vom Wirtschaftswachstum in welchem Ausmaß profitieren konnten.
Österreichs Einkommensungleichheit aus verschiedenen Perspektiven
Die erste Abbildung stellt die Anteile am Nationaleinkommen vor Steuern nach Einkommensgruppen über die Periode 2004–2016 gegenüber. Dabei unterscheiden wir zwischen drei Einkommensgruppen: die unteren 50 Prozent (1. bis 50. Perzentil der Verteilung), die mittleren 40 Prozent (51. bis 90. Perzentil) und die oberen 10 Prozent (91. bis 100. Perzentil).