Die WIFO-Umverteilungsstudie gibt ein umfassendes Bild der Verteilungswirkung von Einnahmen und Ausgaben des Staates. Dabei werden nicht nur die öffentlichen Geldleistungen und direkten Abgaben, sondern auch indirekte Abgaben und die öffentlichen Sachleistungen des Sozialstaates in den Berechnungen berücksichtigt.
Das WIFO analysiert seit den 1980er-Jahren die Wirkungen der Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Hand auf die ökonomische Situation der privaten Haushalte in Österreich. Die WIFO–Umverteilungsstudien unterscheiden sich von der überwiegenden Zahl der Umverteilungsanalysen insbesondere dadurch, dass neben den öffentlichen Geldleistungen und direkten Abgaben (Lohn- und Einkommensteuer, Sozialbeiträge) sowohl die von den Haushalten geleisteten indirekten Steuern (Mehrwert- und Verbrauchsteuern) als auch die bezogenen sozial- und wohlfahrtsstaatlichen Sachleistungen berücksichtigt sind. Gemeinsam mit der geschätzten Mietersparnis durch selbst bewohntes Eigentum bzw. durch Nutzung von Gemeinde- und Genossenschaftswohnungen vermittelt der verwendete Ansatz ein umfassendes und vollständigeres Bild der Umverteilungswirkung des österreichischen Steuer- und Transfersystems. Die aktuelle Studie stützt sich auf eine integrierte Datenbasis für das Jahr 2015. Aus der umfangreichen WIFO-Studie sind nachfolgend nur einige wenige Aspekte dargestellt.
Österreich hat eine hohe Spreizung der Markteinkommen
Die Markteinkommen der Haushalte in Höhe von insgesamt rund 160 Mrd. Euro setzten sich 2015 zu 82 Prozent aus Einkommen aus unselbstständiger, 12,7 Prozent aus selbstständiger Erwerbsarbeit, 2,6 Prozent aus Erträgen aus Vermietung und Verpachtung, 2 Prozent aus Zinsen und Dividenden und 0,7 Prozent aus privaten Zusatzeinkommen zusammen. Zinsen und Dividenden bzw. Erträge aus Vermietung und Verpachtung sind auf die oberen Einkommensgruppen konzentriert: Knapp 86 Prozent bzw. 83 Prozent fließen in die 33 Prozent der Haushalte mit den höchsten Einkommen. Selbstständigeneinkommen gehen zu 73 Prozent und Unselbstständigeneinkommen zu 64 Prozent ins oberste Einkommensdrittel.
Die zunehmende Spreizung der Individualeinkommen durch die steigende Teilzeitquote, Destandardisierung der Erwerbs- und Einkommensverhältnisse, Zunahme der Einpersonenunternehmen usw. zeigt sich auf der Haushaltsebene in dieser Form nicht. Die Anteile der Lohneinkommen stiegen in den Haushalten der unteren Einkommensgruppen zwischen 2010 und 2015 zulasten der oberen an, während Selbstständigeneinkommen jetzt stärker im obersten Einkommenszehntel konzentriert sind. Darüber hinaus war das Gesamtvolumen der Zinsen und Dividenden im Beobachtungszeitraum stark rückläufig. Insgesamt waren dadurch die Markteinkommen 2015 etwas gleicher verteilt als 2010. Die von den Markteinkommen zu leistenden Abgaben bestimmen sowohl die finanzielle Lage der Haushalte als auch die Umverteilungswirkung des österreichischen Abgabensystems.
Deutliche Unterschiede in der Abgabenquote der Haushalte
Die Belastung unterschiedlicher Haushalte mit Steuern und Abgaben unterscheidet sich deutlich von der gesamtwirtschaftlichen Abgabenquote in Höhe von 43,2 Prozent des BIP (2015): Die Abgabenquote 2015 der Haushalte mit Einkommen überwiegend aus Erwerbstätigkeit liegt bei durchschnittlich 37,3 Prozent (Abbildung 1). Die 10 Prozent der Haushalte mit den geringsten Einkommen verwenden knapp 30 Prozent ihres Bruttogesamteinkommens für Steuern und Abgaben, in den Haushalten im obersten Einkommenszehntel sind es 41,5 Prozent. Werden alle Haushalte betrachtet (also auch Pensions- oder Erwerbslosenhaushalte), liegt die Abgabenquote zwischen 22,1 Prozent im untersten und 39,9 Prozent im obersten Einkommenszehntel.
Im untersten Einkommenszehntel stellen die indirekten Abgaben wie Mehrwert- und Verbrauchsteuern die größten Abgaben dar: Im Schnitt aller Haushalte sind 77 Prozent der Abgaben im untersten Einkommenszehntel indirekte Abgaben, bei den Erwerbstätigenhaushalten sind es die Hälfte der Abgaben, im oberen Einkommenszehntel machen sie nur 15 Prozent bzw. 13 Prozent (Erwerbstätigenhaushalte) aus, hier dominieren die einkommensabhängigen Abgaben. Die Abgabenbelastung unterscheidet sich weiter nach der Haushaltszusammensetzung, wobei Haushalte von jungen Erwachsenen und Kind(ern) die höchste relative Belastung mit indirekten Steuern aufweisen.
Insgesamt leisten Haushalte im unteren Einkommensbereich, gemessen an ihrer Einkommensposition, einen überdurchschnittlich hohen Beitrag zum Gesamtaufkommen an Mehrwert- und Verbrauchsteuern. Aus einer Haushaltsperspektive wirken Mehrwert- und Verbrauchsteuern regressiv. Ein nachhaltiger Ansatz zur steuerlichen Entlastung der unteren Einkommensgruppen müsste auf diese Gesamtabgabenbelastung Bezug nehmen und nicht nur die einkommensabhängigen Abgaben zum Gegenstand haben.