Zeitgemäße und verbindliche Personalberechnungsmethoden für Österreichs Krankenhäuser – ein politischer Auftrag

13. November 2018

Unter den derzeitigen Bedingungen empfinden Beschäftigte in Pflege und medizinischer Betreuung die Arbeitsbedingungen im Krankenhaus als belastend. Grund dafür: fehlende zeitgemäße Personalberechnungsmodelle, die auch den veränderten Krankenhausstrukturen und heutigen Anforderungen gerecht werden.

Knappe Gesundheitsbudgets führen zu belastenden Arbeitsbedingungen.

Österreichs Krankenhäuser sind ein großer und wichtiger Arbeitgeber. In den 117 österreichischen Krankenhäusern arbeiten– neben Ärztinnen und Ärzten – rund 93.000 Menschen (entspricht rund 77.000 Vollzeitstellen) direkt in der Pflege, als Hebammen, in medizinisch-technischen und medizinischen Assistenzberufen sowie in weiteren Gesundheitsberufen. Mehr als 80 Prozent sind Frauen, etwa die Hälfte der Beschäftigten arbeitet in Teilzeit. Sie leisten tagtäglich einen unverzichtbaren Beitrag für die Gesellschaft, sind aber häufig belastenden Arbeitsbedingungen ausgesetzt. Gründe dafür sind knappe Gesundheitsbudgets und Personalberechnungsmodelle, die Großteils aus den 1990er-Jahren stammen. So geben der § 8a Bundesgesetz KAKuG und auch die darauf aufbauenden Gesetze in den Bundesländern nur eine sehr vage Regelung für die Personalberechnung vor.

Die vorliegende Erhebung erfolgte zwar ausschließlich in Oberösterreich, liefert aber Ergebnisse, die Rückmeldungen von Experten/-innen zufolge in großen Teilen auf ganz Österreich übertragbar sind.

Veränderte Arbeitsbedingungen

Beschäftigte in den Krankenhäusern leisten jeden Tag Enormes, um eine hohe Versorgungsqualität der Patienten/-innen zu sichern und das rund um die Uhr. Für die meisten Beschäftigten bedeutet das, auch außerhalb der üblichen Arbeitszeiten Spitzenleistungen zu erbringen. Knapp die Hälfte der Beschäftigten mit 42 Prozent arbeiten in der Nacht.

In einer AK-Studie mit qualitativen Erhebungsmethoden wurden über 200 Beschäftigte (Pflege, medizinisch-technische Berufe, medizinische Assistenzberufe, Hebammen, Sozialarbeiter/-innen, Abteilungshilfen, Hol- und Bringdienste etc.), Führungskräfte und Betriebsräte/-innen in den oberösterreichischen Krankenhäusern interviewt. Die Ergebnisse einer ergänzenden Blitzlichtabfrage zeigen ein deutliches Bild, die Anforderungen haben sich stark verändert.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Über zwei Drittel der Befragten sind der Meinung, dass die Arbeit im Nachtdienst mehr wird. Gleichzeitig wird aber beim Personaleinsatz eingespart, sodass Pflegekräfte oft allein oder nur zu zweit eingeteilt sind. Der zeitliche Druck wird als so stark empfunden, dass die Beschäftigten oft keine Pause machen können, um etwas zu trinken oder aufs WC zu gehen.

Aber auch der Tagdienst gestaltet sich mittlerweile als sehr herausfordernd. Bereits vor der Novelle der Gesundheits- und Krankenpflegeberufe (GuKG) im Jahr 2016 musste das Pflegepersonal ärztliche Tätigkeiten übernehmen, die bereits enorm gestiegen sind. Das ist auch die Meinung von 90 Prozent der Befragten: Der Dokumentationsaufwand ist gestiegen, Bereichsleiter/-innen und Stationsleiter/-innen versuchen, den Spagat zwischen Pflege- und Führungstätigkeiten zu schaffen, das Leistungsspektrum hat sich massiv erweitert und alles während die Stationen oft personell unterbesetzt sind. Ein ähnliches Bild zeichnet sich auch für alle weiteren Berufsgruppen ab: So werden z. B. das Aufgabenspektrum von Hebammen, Physiotherapeuten/-innen, biomedizinischen Analytikern/-innen etc. verstärkt, die Dienstpostenberechnungen – genehmigt durch das Land –nur unzureichend den heutigen Anforderungen angepasst.

„Weil die Pfleger genau die sind, die rund um die Uhr da sind. Ich sage jetzt einmal, das sind eigentlich die Aufrechterhalter des Systems. (…) Das ist so. Und das darf man echt nicht aus den Augen lassen. Und darum muss man denen so viel Unterstützung wie möglich geben.“ schildert eine stellvertretende Pflegemanagerin.

Dass es immer schwieriger wird die Versorgungs- aber auch die Arbeitsqualität zu gewährleisten, zeigt sich auch in der Einschätzung bezüglich der Belastbarkeit bis zur Pension wieder. Mehr als die Hälfte der Befragten im Pflegebereich empfinden es unwahrscheinlich, diesen Beruf in Vollzeit bis zur Pension auszuüben.

Patienten/-innen haben sich verändert

Zusätzlich zu den expandierenden Aufgaben und Anforderungen haben sich auch die Patienten/-innen verändert. Patienten/-innen haben eine immer kürze Verweildauer, Tagesklinische Behandlungen nehmen zu und auch die Patienten/-innen selbst haben sich stark verändert. Sie kommen mit mehr oder schwereren Erkrankungen in das Krankenhaus, vor allem auch die Demenzerkrankungen sind steigend. Über 80 Prozent der Befragten sind zudem der Meinung, dass die Ansprüche der Angehörigen höher werden und dass auch die Patienten/-innen fordernder werden.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Von der Defizit- zur Ressourcenorientierung

Der neue Ansatz in der Pflege setzt an den noch bestehenden Ressourcen und der Selbstständigkeit der kranken und alten Menschen an. Beschäftigte in den Gesundheitsberufen sollen die Patienten/-innen anleiten selbst zu essen, aus dem Bett zu steigen, einige Schritte zu gehen und aktiv mit der eigenen Krankheit umzugehen. Die Beratung und Anleitung sowohl der Betroffenen als auch der Angehörigen gestaltet sich als sehr zeitintensiv, wird aber, wie aus einigen Interviews ersichtlich geworden, zu wenig in den Personalberechnungsmodellen abgebildet. So stehen die Pflegekräfte vor der Entscheidung, die Patienten/-innen unter überforderndem Zeitdruck anzuleiten oder ihnen die Tätigkeiten wieder abzunehmen.

Beschäftigtenstruktur kaum berücksichtigt

In den gesetzlichen Vorgaben zur Dienstpostenberechnung in Oberösterreichs Krankenhäusern findet die Struktur der Beschäftigten kaum Berücksichtigung. Zum Beispiel werden die Mitarbeiter/-innen immer älter und können oft die körperlichen Tätigkeiten nicht mehr voll ausführen (und das bis zu einem späteren Antritt der Regelpension), schwangere Kolleginnen brauchen einen besonderen Schutz (Absatz 2 und 3 MSchG) vor schweren Belastungen und Rückkehrer/-innen aus längeren Krankenständen benötigen besondere Rahmenbedingungen. Die Krankenhausträger sind sehr bemüht, auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter/-innen einzugehen (z. B. keine Nachtdienste oder Versetzungen in andere Abteilungen). Das Problem bleibt aber in der Dienstpostenberechnung: Alle werden gleich berechnet. Folglich haben die Teams die Ausfälle zu kompensieren, was sie dauerhaft über ihre persönliche Belastbarkeit hinausbringt. Auch Schwangere, die bis zum Antritt des Mutterschutzes voll in der Dienstpostenberechnung eingerechnet werden, haben meist die Wahl zwischen Mehrbelastung der Kollegen/-innen oder Ausübung von Aufgaben, die nicht immer förderlich für die Gesundheit von Frau und Kind sind.

Langfristig unbedingt notwendige Veränderungen

Anhand dieser ersten Ergebnisse macht sich eindeutig eine Überforderung der im Krankenhaus Beschäftigten breit. Durch die Einsparungsmaßnahmen beim Pflegepersonal müssen viele Teams Mehr- bzw. Überstunden leisten und das unter enormen Zeitdruck, denn die stationären Aufenthaltszahlen steigen und die Verweildauer sinkt immer weiter. Gleichzeitig werden die Patienten/-innen und ihre Angehörigen immer fordernder. Das und die gestiegenen Aufgaben mit erweitertem Leistungsspektrum werden aber in keiner aktuellen Personalberechnungsmethode abgebildet. Daher braucht es dringend eine arbeitswissenschaftliche Bewertung der Tätigkeiten für alle Berufsgruppen im Krankenhaus, die sich in transparenten und gesetzlich verbindlichen Personalbedarfsberechnungen abbildet. Als Garantie für eine zukunftsorientierte Versorgungs- und Arbeitsqualität in (Ober-)Österreichs Krankenhäusern müssen sich die zuständigen politischen Verantwortlichen klar zur öffentlichen Finanzierung der Gesundheitsleistungen bekennen und die notwendigen Mittel zur Verfügung stellen. Ausgehend von den Erkenntnissen der AK-Studie fordert z. B. die Arbeiterkammer Oberösterreich eine sofortige Erhöhung der Dienstposten in den nichtärztlichen Gesundheitsberufen in den oberösterreichischen Krankenhäusern um 20 Prozent, was ca. 2.500 neuen Dienstposten in Vollzeit entspräche.