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Warum ist das so? Die Erde hat sich im Vergleich zum vorindustriellen Niveau bereits um 1,2 Grad erhitzt. Mit jedem zusätzlichen Grad Lufttemperatur kann die Atmosphäre jedoch etwa 7 Prozent mehr Wasserdampf halten. Wasser, das auch wieder abregnen muss. Gerade dieses Jahr haben die Temperaturen des Mittelmeers bedenkliche Rekordwerte erreicht. Das Problem gerade für uns: Je wärmer das Wasser, desto mehr Verdunstung. Es ist diese stark mit Wasser gesättigte Luft, die von Tiefdruckgebieten wie jenem, das Mitte September Mitteleuropa in Schach hielt, angesaugt wird.
Sowohl Hitze- als auch Niederschlagsextreme werden darüber hinaus stark von Aerosolen bedingt. Diese bestehen aus kleinen flüssigen oder festen Schwebeteilchen in der Atmosphäre, zum Beispiel Staub, Sulfate oder Rauch. Die Schwebeteilchen, die aus menschlicher Aktivität entstehen, haben seit vorindustriellen Zeiten einen kühlenden Effekt auf die Erde, etwa weil sie Sonneneinstrahlung absorbieren. Man könnte sagen, Luftverschmutzung hat also einen Teil der Erderhitzung überlagert. Durch Klimaschutzmaßnahmen, die die Luft reiner machen, könnten also bisher nicht modellierte Effekte auftreten – wie etwa eine weitere Erderhitzung und eine Zunahme von Starkregenereignissen.
Da Aerosole auf dem Planeten unterschiedlich verteilt sind, gibt es auch regionale Unterschiede. Forscher:innen haben gezeigt, dass etwa die langfristigen Veränderungen bei Aerosolen in Europa zu einer zusätzlichen Erhitzung von durchschnittlich 1°C führen können und ähnlich große Effekte auf den Niederschlag haben.
Enorme Schäden
Welche Zerstörungsgewalt von heftiger werdenden Extremwettereignissen ausgeht, konnte bereits letztes Jahr beobachtet werden: 1,6 Millionen Menschen waren in Europa von Überschwemmungen betroffen. Allein das Hochwasser in Slowenien verursachte Schäden von 10 Mrd. Euro (16 Prozent des BIP). In Österreich betragen die Schäden durch Extremwetterereignisse mittlerweile pro Jahr 1 Mrd. Euro, weltweit sind es 130 Mrd. Unwetter gefährden Leben und Sicherheit der Menschen, zerstören öffentliche Infrastruktur und mühsam aufgebauten Wohlstand in nur wenigen Stunden.
Dabei sind gerade Menschen mit kleineren Einkommen überdurchschnittlich von den Folgen von Hochwasser betroffen. Der Grund: Sie leben häufiger in Überschwemmungszonen, weil dort die Wohnkosten niedriger sind, und haben keine Rücklagen. Forscher:innen haben etwa anhand der Überflutungen in Deutschland 2021 gezeigt, dass die Überschwemmungsgefährdung bei den untersten 60 Prozent der Haushaltseinkommen mehr als dreimal so hoch ist wie bei den oberen 40 Prozent. Gleichzeitig sind ärmere Haushalte weniger gut beziehungsweise oft gar nicht gegen Unwetterschäden versichert. Ihnen wird zwar mit Mitteln aus dem Katastrophenfonds geholfen, diese ersetzen aber nicht alle Schäden.
In Niederösterreich ist es in der Regel nur etwa ein Fünftel des Schadens, den Rest müssen die Betroffenen selbst tragen oder sind auf private Hilfe angewiesen. Kurzfristig ist es wichtig, dass die freiwilligen Helfer:innen alle Unterstützung und klare Regelungen bekommen, die sie brauchen, um gut helfen zu können. Insgesamt bedeutet eine sozial gerechte Anpassung an den Klimawandel, dass es nicht vom Einkommen abhängen darf, wie gut Menschen vor den Folgen der Klimakrise geschützt sind.
Infrastrukturinvestitionen rentieren sich über Jahrhunderte
Schutz und Sicherheit bietet eine gute kollektive Infrastruktur, die auf die Folgen der Klimakrise vorbereitet ist. Sie sorgt zugleich für soziale Gerechtigkeit, da Menschen nicht auf individuelle Rücklagen angewiesen sind, um sich zu schützen oder mit den Folgen von Wetterkatastrophen zurechtzukommen. Es ist in Anbetracht der politischen Konjunktur heute äußerst bemerkenswert, dass jene Entscheidungen, die Wien vor diesem Hochwasser weitgehend verschont haben, bereits vor Jahrzehnten vorausschauend getroffen wurden.
Die Donauinsel mit 21 km Länge und 210 m Breite ist ein gigantischer Schutzbau. Bei Hochwasser werden die Wehre geöffnet und die neue Donau wird zum Entlastungsgerinne. Als 1969 die Entscheidung zum Bau der Donauinsel (eines der besten städtischen Systeme zum Schutz gegen Hochwasser) anstand, sprach sich die ÖVP dagegen aus. Die Donauinsel sei unnütz und ein Milliardengrab.
Nicht die Donauinsel allein hat Wien gerettet, sondern auch das hervorragend ausgebaute 2.500-Kilometer-Kanalnetz, das so lang ist wie die Strecke von Wien nach Paris, und retour. Das Kanalnetz wurde zum Gutteil im Zuge der Stadterweiterung um 1900 angelegt. Dass kein Ruhm mit Prävention zu erringen ist („There is no glory in prevention“) stellte sich bei den Hochwasserereignissen in Österreich 2002 und 2013 als falsch heraus: Wien blieb vergleichsweise verschont. Spätestens seit damals stellt niemand mehr die Donauinsel infrage.
Außerhalb der Städte, in weniger dicht bebauten Gebieten, ist Renaturierung das Erfolgsrezept. Auch wenn etwa das Kamptal vom Hochwasser 2024 sehr stark getroffen wurde, war auch dort der Erfolg von vorausschauender, wissenschaftsbasierter Planung sichtbar. Thomas Hein, Leiter des Instituts für Hydrobiologie und Gewässermanagement der BOKU, erklärt, wie eine Kombination aus technischem Schutz und natürlichen Maßnahmen die Folgen des Hochwassers abfederte. Am Ottensteiner Stausee konnten sogenannte Hochwasserklappen plötzliche Flutwellen verhindern, während gleichzeitig natürliche Rückhalteflächen geschaffen wurden, die Wasser aufnehmen können. Die fortschreitende Bodenversiegelung, insbesondere in Hochwassergebieten, ist hingegen verantwortungslos.
Aus dieser Geschichte können wir lernen, wie wichtig vorausschauend planende Politik ist. Spätestens angesichts des gegenwärtigen Hochwassers müssen wir Klimaschutz und -anpassung außer Streit stellen. Was wir heute investieren, wird uns morgen schützen.
Instabiles Klima braucht stabile Politik
Gerade wird auch greifbar, dass ein instabil werdendes Klima eine Sicherheitsfrage ist. Es gefährdet mühsam aufgebauten Wohlstand, Gesundheit und Leben. Es gefährdet nicht zuletzt auch die wirtschaftliche Entwicklung. Umso widersprüchlicher ist, dass jene, die mit Sicherheit so gerne politisches Kleingeld wechseln, dazu oft wenig bis gar nichts zu sagen haben.
Die gegenwärtigen Entwicklungen machen deutlich, dass, wer von Sicherheit und Stabilität für die Menschen spricht, von (den Folgen) der profitgetriebenen Klimaerhitzung nicht schweigen darf. Wenn Sicherheit und Stabilität für alle wirklich ernst gemeint sind, müssten ab sofort Klimaschutz- und -anpassung außer Streit gestellt werden und die Diskussion darauf fokussieren, wie diese gestaltet werden müssen und gelingen können.
Die Arbeiterkammer setzt sich jedenfalls für die Interessen ihrer Mitglieder ein: Jetzt braucht es Hilfe für die Menschen in den betroffenen Gebieten, klarere Regeln für freiwillige Helfer:innen und betroffene Arbeitende und langfristig einen sozialen und ökologischen Umbau, der alle schützt. Die Extremwetterereignisse zeigen, dass Renaturierung, mehr Raum für Wasser, weniger Bodenversiegelung und technische Präventionsmaßnahmen dringend notwendig sind. Statt auf Eigenverantwortung zu setzen, braucht es eine umfassende Neuausrichtung der Wirtschaft, bei der Aus- und Umbau unserer kollektiven Infrastruktur im Mittelpunkt stehen.
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