Die Erderhitzung und die damit verbundenen häufigeren und heftigeren Extremwetterereignisse destabilisieren das Klima. Besonders betroffen sind jene, die am wenigsten dazu beigetragen haben. Eine sichere Zukunft für alle erfordert einen umfassenden sozialen und ökologischen Umbau der Wirtschaft.
Wie sehr die Erderhitzung das Klima destabilisiert, zeigt das vergangene Jahr, das inzwischen wissenschaftlich gut erfasst ist: 2023 war mit 1,48 °C über dem vorindustriellen Niveau weltweit das wärmste Jahr der Messgeschichte und wahrscheinlich auch der letzten 100.000 Jahre. Die drei wärmsten Jahre, die in Europa gemessen wurden, traten alle seit 2020 auf, die zehn wärmsten seit 2007. Im letzten Jahr brannten in Griechenland 96.000 Hektar Waldfläche ab – der bisher größte Waldbrand, der jemals in der Europäischen Union gemessen wurde.
Die Extreme nehmen zu
Das Klima wird allerdings nicht „nur“ heißer, sondern auch instabiler und extremer: 2023 war nicht nur das heißeste Jahr der Messgeschichte, sondern gleichzeitig eines der feuchtesten. Das ist kein Widerspruch, sondern physikalisch erklärbar: Wärmere Luft führt nicht nur zu stärkerer Verdunstung, sondern kann auch mehr Wasserdampf speichern. Mit jedem zusätzlichen Grad Lufttemperatur kann die Atmosphäre rund sieben Prozent mehr Wasserdampf speichern. Damit steigt die Wahrscheinlichkeit für extreme Niederschlagsereignisse (sogenannten „Starkregen“). Eine Entwicklung, die nicht „am anderen Ende der Welt“, sondern gerade auch in Österreich stattfindet.
Letztes Jahr wurde in einem Drittel des europäischen Flussnetzes die Hochwasserschwelle aufgrund von Starkregenereignissen überschritten. 1,6 Millionen Menschen waren 2023 in Europa von Überschwemmungen betroffen, allein das Hochwasser in Slowenien verursachte Schäden in Höhe von 16 Prozent des nationalen Bruttoinlandsprodukts (10 Mrd. Euro).
Erschreckend ist auch, dass die Destabilisierung des Klimas schneller voranschreitet als bisher angenommen. Darauf deutet unter anderem hin, dass sich die Ozeane im letzten Jahr mit einem auffallend starken Abstand zur bisherigen durchschnittlichen Entwicklung und viel schneller als in den Prognosen vorhergesagt aufgeheizt haben.
Drohende Kipppunkte
Ein weiteres Argument für eine entschlossene Klimapolitik, mit der die Destabilisierung des Klimas noch begrenzt werden kann, ist die neuere Forschung zu Kipppunkten. Letztes Jahr zeigten Forscher:innen auf, dass die atlantische Umwälzbewegung, zu der auch der Golfstrom gehört, bei den prognostizierten künftigen Treibhausgasemissionen schon in diesem Jahrhundert, möglicherweise sogar schon rund um 2050, zusammenbrechen könnte. Grund dafür ist vor allem der erhöhte Zufluss von Süßwasser durch die raschere Eisschmelze und vermehrte Niederschläge.
Die Auswirkungen wären drastisch, wie neuere Forschungsergebnisse zeigen: Der Golfstrom fungiert als Wärmepumpe Europas. Ein abrupter Zusammenbruch, wie ihn die Studien prognostizieren, könnte Europa deutlich abkühlen und die Temperaturen um 5 bis 10 °C sinken lassen. Das kann keinesfalls als eine glückliche Abmilderung der Erhitzung für Europa interpretiert werden. Damit werden Extremwetterlagen weiter verschärft und das Klima destabilisiert.
Die Folgen
Je extremer das Klima wird, desto gravierender sind die Folgen für Leben, Gesundheit und Wirtschaft. Die hitzebedingte Sterblichkeit ist in den letzten 20 Jahren um rund 30 Prozent gestiegen. Trotz verstärkter Aktionspläne zum Gesundheitsschutz vor Hitze kam es im besonders heißen Sommer 2022 in Europa zu mehr als 60.000 vorzeitigen Todesfällen. Schon heute belaufen sich die jährlichen Schäden durch die Klimaerhitzung weltweit auf 143 Milliarden US-Dollar.
Laut der Fachzeitschrift „Nature“ wird das globale Einkommen bis 2050 um rund 20 Prozent sinken, weil das Klima instabiler wird. Bei der Berechnung werden allerdings nur jene Folgen herangezogen, die bereits heute unvermeidbar sind.
In ihrer strategischen Vorausschau (Strategic Foresight) nimmt die Europäische Kommission an, dass „40 Prozent der Agrareinfuhren der EU bis 2050 äußerst anfällig für Dürren sein könnten“. Die Europäische Zentralbank (EZB) geht davon aus, dass die Inflation aufgrund von extremwetterbedingten Ernteausfällen um rund 1,2 Prozentpunkte ansteigen wird. Schon die Extremwetter im Jahr 2022 verursachten laut EZB einen Anstieg der Lebensmittelinflation von mehr als einem halben Prozentpunkt.
Diese Daten scheinen dem kanadischen Ökonomen Peter A. Victor Recht zu geben, der bereits im Jahr 2008 argumentierte, dass angesichts der Klimaerhitzung sich die Frage nach dem Wachstum der Wirtschaft zunehmend auf zwei Optionen verenge: langsamer durch Planung oder durch Katastrophen.
Ungerechte Verteilung der Kosten
Diese Einkommensverluste betreffen überproportional die Arbeiter:innenklasse und die Länder des globalen Südens. Der „Climate Inequality Report 2023“ belegt, dass die klimabedingten Einkommensverluste zu 75 Prozent von der ärmeren Hälfte der Weltbevölkerung geschultert werden müssen. Die reichsten 10 Prozent tragen hingegen nur 3 Prozent der Einkommensverluste. Einmal mehr zeigt sich, dass diejenigen, die am wenigsten zur Klimadestabilisierung beitragen, am stärksten davon betroffen sind.
Gleichzeitig sind sich die globalen Eliten der Risiken einer Destabilisierung des Klimas durchaus bewusst. Dies zeigt unter anderem der „World Economic Forum Global Risks Report 2024“, für den 1.500 „Global Leaders“ aus Wirtschaft, Wissenschaft und Politik befragt wurden. Ihre Reihung globaler Risiken nach Schweregraden ergibt, dass in den kommenden zehn Jahren Extremwettereignisse als das größte Risiko gesehen werden. Insgesamt finden sich unter den zehn größten Risiken für die Weltwirtschaft fünf aus dem Bereich der Umweltzerstörung (kritischer Wandel des Erdsystems, Verlust der biologischen Vielfalt und Zusammenbruch der Ökosysteme, Knappheit der natürlichen Ressourcen, Luftverschmutzung).
Warum wird trotz dieses Bewusstseins nicht entschlossener gehandelt? Weil fossile Produkte immer noch die höchsten Profitraten versprechen. Die Renditen von Unternehmen, die erneuerbare Energien entwickeln, liegen bei etwa sechs Prozent, während Öl- und Gasprojekte derzeit Renditen von weit über zehn Prozent erzielen.
Auch da, wo massiv in die Dekarbonisierung investiert wird (u. a. Batteriezellenfertigung, Elektroautos), ist die Rentabilität ausschlaggebend. Dort jedoch, wo Nachhaltigkeit nur gegen den Anspruch auf Profit durchgesetzt werden kann – etwa bei der Mobilitätswende hin zu einem öffentlichen Verkehr, bei der Renaturierung oder bei der Erneuerung des Sozialstaates, um die Menschen im Umbau gut abzusichern –, geht entsprechend wenig voran.
In einem Wirtschaftssystem, das auf Profit, Wachstum und deregulierten Märkten aufbaut, ist das auch nicht besonders überraschend. Märkte stellen Gesellschaft gleichsam hinter dem Rücken der Menschen her. Ob die Produkte Bedürfnisse nachhaltig befriedigen, Wohlstand für alle ermöglichen und ob ihre Herstellung im Rahmen der verbleibenden Budgets für Treibhausgasemissionen und insgesamt innerhalb der planetaren Grenzen verbleibt, spielt dabei grundsätzlich keine Rolle. Das gilt vor allem für die fortwährende Epoche des Neoliberalismus, in der durch politische Entscheidungen die Marktlogik in nahezu alle Lebensbereiche Einzug gehalten hat.
Planung für ein gutes Leben
Vor dem Hintergrund, dass durch das extreme Klima immer greifbarer wird, wie die neoliberalisierten Märkte und die ihnen eingeschriebene „Anarchie der Produktion“ seit nunmehr drei Jahrzenten darin versagen, die Erderhitzung unter Kontrolle zu bekommen, bildet sich in der Ökonomie zunehmend eine These heraus, die sowohl keynesianische als auch Degrowth-Ansätze beinhaltet: Nur mit einer aktiven und planenden Wirtschaftspolitik, die planetare Grenzen zum Ausgangspunkt nimmt, lässt sich die ökologische Krise lösen und ein gutes Leben für alle ermöglichen.
Isabella Weber, Professorin an der University of Massachusetts Amherst, vertritt die Auffassung, dass es angesichts überlappender Krisen (u. a. der Klimakrise) notwendig ist, eine proaktiv planende Wirtschaftspolitik und eine öffentliche Katastrophenvorsorge voranzubringen. Max Krahé, Direktor des Instituts Dezernat Zukunft, argumentiert, dass die Nachhaltigkeitswende nur durch Planung gelingen kann. Die keynesianische Publizistin Ulrike Hermann entwirft in ihrem jüngsten Buch „Das Ende des Kapitalismus“ eine planende „Post-Wachstums-Ökonomie“, da kapitalistisches Wachstum und Klimaschutz unvereinbar seien. Matthias Schmelzer (Universität Jena) und Jason Hickel (Universitat Autònoma de Barcelona) fordern eine sozial-ökologische und demokratische Planung, die auf eine Verringerung des Energie- und Ressourcenverbrauchs abzielt, um die Wirtschaft innerhalb planetarer Grenzen zu halten, und dabei gleichzeitig Ungleichheit reduziert.
All diesen zum Teil sehr unterschiedlichen Ansätzen ist gemeinsam, dass sie für einen „Wandel durch Planung, nicht durch Katastrophen“ argumentieren. Dieser Ansatz kann im positiven Sinne als konservativ verstanden werden: Weil Märkte allein dazu nicht in der Lage sind, soll eine aktive und demokratische Wirtschaftspolitik unsere Lebensgrundlagen sichern und ein Klimachaos verhindern. Damit wird auch ein verkürzter Sicherheitsbegriff herausgefordert, der den Schutz vor ökonomischen, sozialen und ökologischen Gefahren ausblendet und regelmäßig mit der Leugnung des Klimawandels bzw. der Verhinderung von Klimapolitik einhergeht.
Vor dem Hintergrund dieser Debatten, die nicht nur in der Wissenschaft geführt werden, entstand „Eine Zukunft für die Vielen – der Plan der Arbeiterkammer Wien für den sozialen und ökologischen Umbau“. Dieser Umbauplan macht konkrete Vorschläge, wie der notwendige Umbau der Wirtschaft gelingen kann, wie die Klimakatastrophe verhindert werden kann und was es dabei zu gewinnen gibt.
Dieser Plan will einen Beitrag dazu leisten, die noch weitgehend abstrakte Debatte über einen sozial-ökologischen und geplanten Umbau der Wirtschaft zu konkretisieren. Indem er Klimapolitik als demokratische und soziale Frage begreift, macht er den Vielen ein Angebot, sich wieder stärker in ihre eigenen Angelegenheiten einzumischen. Wie wichtig diese Einmischung ist, führt uns eine Welt vor Augen, die sich gegenüber dem vorindustriellen Niveau bereits um mehr als ein 1 °C erhitzt hat.
Die Langfassung dieses Beitrages erschien in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift „Wirtschaft und Umwelt“ als Teil des Schwerpunktes „Extremereignis Wetter“.