Die Zukunft der Energie­wende: Warum gute Planung und öffentliche Beteiligung ent­scheidend sind

12. November 2024

Die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) ist zentral für die Energiewende. Entgegen ihrem Ruf dauern UVP-Verfahren ab Vollständigkeit der Unterlagen durchschnittlich nur 10,6 Monate. Bei guter Planung geht es noch schneller, wie Beispiele aus dem Burgenland und Wien zeigen. Trotzdem erhöht die Interessenvertretung der Unternehmen den Druck, Beteiligungsrechte einzuschränken und UVP-Verfahren zu deregulieren. Das bremst die Energiewende und verschärft die Klima- und Biodiversitätskrise.

Die Bedeutung der UVP für die Energiewende

In Österreich werden jährlich die zehn bis zwanzig größten Bauprojekte einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen. Das Spektrum reicht von Deponien über Kraftwerke bis hin zu Autobahnen. Diese Verfahren stellen damit bundesweit die komplexesten Umweltverfahren dar. Ziel ist es, mögliche Auswirkungen eines geplanten Vorhabens auf die Umwelt im Vorhinein zu prüfen. Damit stellt die UVP sicher, dass die Umwelt geschützt und die Lebensqualität der Menschen gestärkt wird. Trotzdem leidet die UVP unter einem schlechten Image. Vor allem eine zu lange Verfahrensdauer wird immer wieder bemängelt. Diese verzögere vor allem die dringend notwendige Energiewende.

Tatsächlich spielt die UVP für die Energiewende eine wichtige Rolle. Mehr als 40 Prozent der Verfahren betrifft die Energiewirtschaft, insbesondere die Windenergie. Allein im Jahr 2023 bezogen sich die Hälfte der Anträge auf Windkraftanlagen.

Faktencheck Verfahrensdauer

Die meisten UVP-Verfahren zeichnen sich trotz ihrer Komplexität durch eine zügige Abwicklung aus. Die durchschnittliche Verfahrensdauer von der Vollständigkeit der Unterlagen bis zur Entscheidung beträgt 10,6 Monate. Rechnet man hingegen ab der Antragsstellung des Projektwerbenden bis zum Bescheid, dauern die Verfahren mit 22,6 Monaten mehr als doppelt so lange. Das bedeutet, dass vor allem unvollständige Antragsunterlagen die Verfahren verzögern, nicht aber – wie oftmals kolportiert – die Öffentlichkeitsbeteiligung. Denn erst ab dem Moment der vollständigen Unterlagen können sich Umweltschutzorganisationen, Nachbar:innen und Bürgerinitativen überhaupt am Verfahren beteiligen.

Eine Studie der BOKU zeigt vielmehr, dass die Qualität der Projekte durch eine umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung deutlich steigt. So sorgt die Öffentlichkeitsbeteiligung in der Regel für eine umfassendere Beleuchtung von Problemfeldern im Verfahren und führt in der Folge auch zu sorgfältiger begründeten Entscheidungen. Auch das Argument, Öffentlichkeitsbeteiligung würde Projekte verhindern, hält einem Faktencheck nicht stand: Nur 0,5 Prozent der beantragten Projekte werden nicht genehmigt.

Um Verfahren möglichst effizient zu gestalten, ist vor allem die öffentliche Hand gefordert. Denn den Behörden mangelt es an den notwendigen Ressourcen, um die Projektwerbenden noch besser in den Großverfahren unterstützen zu können. Das betrifft vor allem den Mangel an Amtssachverständigen in den Behörden. Diese sind bereits im Rahmen der Vollständigkeitsprüfung der Anträge für die fachliche Bewertung der Unterlagen wesentlich. Stehen sie für den relevanten Fachbereich nicht zur Verfügung, weil die Behörden nicht ausreichend ausgestattet sind, verzögert sich das Verfahren. Aus diesem Grund ist eine Aufstockung der personellen wie finanziellen Ressourcen der Behörden dringend erforderlich. Die Anzahl der Amtssachverständigen sollte dabei verdoppelt werden.

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Scheinlösungen werden zum Bumerang

Das UVP-Gesetz wurde in den letzten Jahren mehrfach novelliert, fast immer mit Abstrichen bei der Öffentlichkeitsbeteiligung. Gleichzeitig fand die von der Wirtschaftskammer geforderte Einführung des Standortanwaltes im Jahr 2019 in der Praxis keine Anwendung. Solche Maßnahmen beschleunigten die Verfahren nicht. Vor diesem Hintergrund ist es fraglich, inwieweit Forderungen nach einer weiteren Einschränkung der Öffentlichkeitsrechte, wie sie etwa im durchgesickerten WKO-Energiemasterplan gefordert und in Salzburg zur eingeschränkten Beteiligung der Umweltanwaltschaft als Gesetzesentwurf bereits in Begutachtung sind, zum gewünschten Ergebnis führen.

Leider hat sich auch auf europäischer Ebene der Wind in Richtung Deregulierung gedreht. Zwar wird die Planungsebene durch die Strategische Umweltprüfung (SUP) in der novellierten Erneuerbare-Energien-Richtlinie (RED III) gestärkt, gleichzeitig sollen aber UVP und andere wichtige Natur-, Vogel- und Gewässerschutzprüfungen ausgesetzt werden. Die SUP ist jedoch nur eine Ergänzung zur UVP, die einen Schritt früher ansetzt: Während die UVP bei der Prüfung von konkreten Projekten zum Einsatz kommt, wird die SUP bereits auf Planungsebene durchgeführt, weil wichtige umweltrelevante Weichenstellungen oft bereits im Rahmen vorlaufender Pläne und Programme getroffen werden. Der jüngste EU-Bericht zur Zukunft der Wettbewerbsfähigkeit Europas des ehemaligen EZB-Chefs Mario Draghi empfiehlt sogar weitere Verschärfungen zulasten von Beteiligung und Natur, bis die Klimaziele 2040 erreicht sind.

Das verkennt den Zusammenhang zwischen Klima- und Biodiversitätskrise als Zwillingskrise. Mehr als die Hälfte der CO₂-Emissionen wurden in den letzten zehn Jahren von der Natur aufgenommen. Insbesondere Moore speichern doppelt so viel Kohlenstoff wie alle Wälder der Welt zusammen, obwohl sie nur 3 Prozent der Erdoberfläche ausmachen. Intakte Ökosysteme sind daher unerlässlich, um die Klimakrise zu bekämpfen. Deshalb sind auch Maßnahmen wie die Wiedervernässung von Mooren, wie es nun im EU-Renaturierungsgesetz vorgesehen ist, gleichzeitig wichtige Klimaschutzmaßnahmen.

Eine rechtliche Hierarchisierung zwischen Klima- und Umweltschutz, wie die pauschale Festschreibung eines überwiegenden öffentlichen Interesses für alle Vorhaben der Energiewende, oder der Versuch, Stimmen für die Natur wie die Umweltanwaltschaft oder Umweltschutzorganisationen in Verfahren auszuschließen, ist damit unsachlich und kurzsichtig. Davon abgesehen wird laut den österreichischen Behörden bereits jetzt in der Interessenabwägung von Energiewendeprojekten das Klimaschutzinteresse als überwiegend angesehen.

Eine der größten Herausforderungen für die Umsetzung von Energiewendeprojekten sind die wachsenden Nutzungskonflikte aufgrund der fortschreitenden Klima- und Biodiversitätskrise. Während beispielsweise der Osten Österreichs aufgrund der starken Winde ein idealer Standort für erneuerbare Energien ist, können Windkraftanlagen die Lebensräume und Brutgebiete geschützter Vogelarten bedrohen. Solchen Zielkonflikten kann nur auf der übergeordneten Planungsebene sinnvoll begegnet werden, da es für Grundsatzdiskussionen auf der Verfahrensebene zu spät ist.

Gute Planung spart Zeit

Wie gute Planung zum Beschleunigungsfaktor wird, zeigen bereits heute Beispiele aus der Praxis. Das Burgenland etwa führt seit 2002 eine strategische Planung der Windkraft durch. Sie beschränkt sich nicht auf die bloße Beteiligungsmöglichkeit durch die Abgabe von Stellungnahmen, sondern folgt freiwillig einem besonders partizipativen Modell: der „Planung am Runden Tisch“. Das bedeutet, dass die Planung kooperativ durch ein Planungsteam mit Vertreter:innen der Behörden, Raumplanung, Umweltanwaltschaft und Zivilgesellschaft erfolgt. Dabei prüfen sie gemeinsam den Bedarf und Alternativen und legen im Konsens geeignete Flächen für Windkraftanlagen fest. Auch Fragen zum Stand der Technik oder Abstände zu Vogelkorridoren sind Teil der Planung und gelten als verbindliches Ergebnis auch für die nachfolgenden Genehmigungsverfahren. Das Ergebnis: Bei mehr als 30 Windkraftverfahren gab es bisher nur eine Einwendung, die durchschnittliche Verfahrensdauer vom Antrag bis zum Bescheid liegt bei 6,8 Monaten.

Auch die Planung des Wiener Abfallwirtschaftsplans erfolgt seit Anfang der 2000er Jahre am Runden Tisch. Auslöser war ursprünglich der starke Widerstand der lokalen Bevölkerung gegen den Bau neuer Müllverbrennungsanlagen. Nach gemeinsamer Prüfung verschiedener Szenarien am Runden Tisch stellte sich die Müllverbrennung als die beste Entsorgungsoption heraus. Das darauffolgende Verfahren zur Errichtung der MVA Pfaffenau in Simmering dauerte von der Antragstellung bis zum Bescheid acht Monate, weshalb die Stadt Wien dieses Erfolgsmodell freiwillig fortführte. Auch der aktuelle Planungsprozess für den neuen Wiener Abfallwirtschaftsplan zeigt seine positive Wirkung: Im Rahmen des Begutachtungsverfahrens im Sommer 2024 gingen nur eine Handvoll Stellungnahmen ein, die überwiegend zusätzliche Verbesserungsvorschläge enthielten und von der Behörde rasch bearbeitet werden konnten.

 

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Übergeordnete Planung fehlt

Die Beispiele machen deutlich, dass gute Planung und frühzeitige, strukturierte und umfassende Öffentlichkeitsbeteiligung nicht nur die Qualität der Verfahren und Projekte steigern, sondern insgesamt auch Zeit bei der Energiewende sparen. Wer schnelle Verfahren will, darf daher nicht die Beteiligung einschränken, sondern muss die Ressourcen von Behörden und deren Sachverständigen aufstocken und auf eine verbindliche und kohärente Energieraumplanung zwischen Bund und Ländern hinwirken.

Auf das angekündigte Erneuerbaren-Ausbau-Beschleunigungsgesetz, welches eine übergeordnete Energieraumplanung auf Bundesebene vorgesehen hätte, konnten sich die Koalitionspartner nicht einigen. In der Folge hat die Europäische Kommission im September 2024 ein Vertragsverletzungsverfahren gegen Österreich eingeleitet, weil verpflichtende Teilaspekte der EU-Erneuerbaren-Richtlinie (RED III) nicht fristgerecht umgesetzt wurden. Die Einführung eines solchen Planungsrahmens muss dringend nachgeholt werden. Im Rahmen einer verbindlichen und kohärenten Energieraumplanung zwischen Bund und Ländern sollte neben der Netzinfrastrukturplanung auch das EU-Renaturierungsgesetz berücksichtigt werden. Nur sinnvoll verzahnte Planungsinstrumente ermöglichen es, ökologische, soziale und ökonomische Aspekte stärker zu verknüpfen und Zielkonflikte besser zu adressieren.

Ein weiterer Abbau von Beteiligungsrechten und die Aushebelung von jahrzehntelang erkämpften Biodiversitätsschutzmaßnahmen auf europäischer und nationaler Ebene wären hingegen unsachlich und würden kurzfristige Profitinteressen über das langfristige Wohl der Menschen und unserer Lebensgrundlagen stellen.

Fazit

Die UVP spielt eine Schlüsselrolle für die Umsetzung der Energiewende in Österreich. Doch um Zielkonflikten, beispielsweise zwischen Umwelt- und Klimaschutz, effektiv zu begegnen, braucht es eine umfassende, abgestimmte Planung zwischen Bund und Ländern und eine geeignete Einbindung der Öffentlichkeit. Das zeigt auch der „Umbauplan“ der Arbeiterkammer Wien, der die Planung und Mitbestimmung als zentrale Werkzeuge für den sozialen und ökologischen Umbau sieht. Dieser Plan setzt die Interessen ihrer Mitglieder ins Zentrum und macht deutlich, dass es bei der Energiewende nicht nur um den Klimaschutz, sondern um eine zukunftsfähige und gerechte Gesellschaft geht. Denn eine erfolgreiche Energiewende kann nur gelingen, wenn sie von den Vielen getragen wird.

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