Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) hat es im Juni nicht durch die Regierungskoordinierung und in den Ministerrat geschafft. Damit besteht nur noch ein kleines Fünkchen Hoffnung, dass der Energiemarkt noch in dieser Legislaturperiode auf moderne Beine gestellt wird. Zeit, Bilanz zu ziehen, welche Instrumentarien mehr denn je benötigt werden, um für etwaige künftige Krisen und Preisschocks gewappnet zu sein und die Energie- und Klimawende sozial gerecht zu gestalten. Denn die Energiewende ist DER Schlüssel zur Eindämmung der Klimakrise – und sie stellt eine große soziale Herausforderung dar.
Lehren aus der Krise
Neben dem Ziel der Nachhaltigkeit, abgebildet durch ein dekarbonisiertes Energiesystem, muss die Energiewende auch die Ziele der Versorgungssicherheit und Leistbarkeit verfolgen. Die Energiekrise hat eindrücklich gezeigt, welche Gefahren durch eine Nichtbeachtung dieses energiepolitischen Dreiecks drohen: Ein Mangel an Dekarbonisierung führt zu hohen Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern, Zweifel an der Versorgungssicherheit zu wirtschaftlichen Unsicherheiten. Das wiederum führt zu steigenden Preisen und diese zu gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen wie etwa hoher Inflation. Diese Gemengelage stellt nicht nur ein Problem für Stromkund:innen dar, sondern gefährdet die Akzeptanz für die Energiewende insgesamt.
Mit Beginn des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine im Winter 2022 begann der Energiemarkt Volten zu schlagen – nicht jedoch nur im Gasbereich sondern auch im Stromsektor. Die Folgen waren immense Nachzahlungen, Teilzahlungen die einen beträchtlichen Teil des monatlichen Einkommens der Konsument:innen ausmachten, mangelnde Erreichbarkeit der Energieversorgungsunternehmen bei Kund:innenanfragen, Auskünfte, die diese Kund:innen ratlos zurückließen, Informationsschreiben, die mehr Fragen aufwarfen als beantworteten. Es ist hoch an der Zeit, dass hier legistisch die Schraube angesetzt wird – denn bei der Stromversorgung handelt es sich um eine elementare Leistung der Daseinsvorsorge, die so zu gestalten ist, dass alle Menschen mit leistbarer Energie versorgt werden. Wir möchten die bisherigen Lösungen auf den Prüfstand stellen und skizzieren, welchen weiteren rechtlichen Rahmen es braucht.
Energiepreise belasten Haushalte
Energiearmut ist in Österreich ein zunehmendes Problem. Zu Beginn des Jahres 2023 war es 14 % der österreichischen Bevölkerung nicht möglich, Haushaltsenergie in dem Ausmaß zu konsumieren, wie sie benötigt worden wäre. Auch heute, im Juni 2024 bangt es vielen Menschen vor ihren Jahresabrechnungen: Da nun die hohen Preise aus 2023 abgerechnet werden, sind Kund:innen zum Teil auch heuer noch mit empfindlichen Nachzahlungen konfrontiert. Grund dafür ist zum einen die von einigen Energieversorgern immer noch angewendete Preisbildungspolitik, die Energiepreise mittels Indexformeln zu bilden. Diese Indizes führen aufgrund massiver Nachzieheffekte dazu, dass die hohen Preisausschläge des letzten Jahres nun bei den Kund:innen ankommen. Zum anderen sind nicht alle Lieferanten den aufgrund der Krise durchgeführten Preiserhöhungen seit Beruhigung der wirtschaftlichen Lage mit verhältnismäßigen Preissenkungen begegnet.
Die Bundesregierung hat im Dezember 2022 nicht zuletzt auf stetes Drängen der AK die Strompreisbremse beschlossen. Doch eine nicht zu vernachlässigende Gruppe von Kund:innen, die mitten in der Energiekrise gezwungen waren, Neuverträge abzuschließen, war zu diesem Zeitpunkt bereits mit Preisen weit jenseits der 40-Cent-Grenze konfrontiert, was die Kund:innen heute noch in finanzielle Schwierigkeiten bringt.
Die Strompreisbremse: Ein wichtiger Ansatz mit Verbesserungspotential
Während die im Stromkostenzuschussgesetz geregelte Entlastung für österreichische Haushalte eine spürbare Entlastung darstellte, lässt die genaue Ausgestaltung für zukünftige Krisen Raum für Verbesserung. Ein bekannter Kritikpunkt an der Strompreisbremse ist der Umstand, dass viele Lieferanten ihre großen Bestandsverträge am oberen Referenzwert des Stromkostenzuschusses orientieren. Auf diesem Weg können Lieferanten das Maximum aus dem Instrumentarium für sich herausholen – auch aktuell, wenn ab Juli statt bisher 30 nur noch 15 Cent/kWh netto vom Bund an die Lieferanten bezahlt werden. Auch die Bundeswettbewerbsbehörde und die Regulierungsbehörde E-Control fanden im Zuge einer Taskforce Hinweise auf einen Zusammenhang zwischen Preisbildung der Lieferanten und Strompreisbremse.
Um dies zu verhindern, hätte man, wie dies in Deutschland der Fall war, bereits ab Beginn der Strompreisbremse eine Beweislastumkehr zur Zulässigkeit von Preiserhöhungen einführen sollen. Das Bundesgesetz zur Abmilderung von Krisenfolgen und zur Verbesserung der Marktbedingungen im Falle von marktbeherrschenden Energieversorgern sieht dies bei marktbeherrschenden Energieunternehmen nun – und somit eineinhalb Jahre später – zwar vor, kann allerdings nicht bewirken, dass aktuell hohe Preise gesenkt werden. Wie in untenstehender Grafik ersichtlich ist, verharren die Bestandskonditionen der meisten Standardtarife weiter auf hohem Niveau: mehr als doppelt so hoch als im Februar 2022. Für Sommer 2024 haben erst zwei größere Lieferanten geplante Preissenkungen an die Regulierungsbehörde E-Control gemeldet.