Das ElWG: Welchen Beitrag kann ein neues Elektrizitätswirtschaftsgesetz für die Energiewende leisten?

14. März 2024

Ganze 175 Paragrafen und fünf Anlagen umfasst der Ministerialentwurf für ein neues ElWG, das das bisher geltende Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetz (kurz: ElWOG) ablösen soll. Die enthaltenen Regelungen zu Elektrizitätsmarkt, Liefer- und Abnahmeverträgen, Stromnetzen, Monitoring und vielem mehr sollen Österreich in der Energiewende einen großen Schritt weiterbringen. Die Arbeiterkammer hat genau hingesehen und sich selbst mit einer Stellungnahme in die Begutachtung eingebracht. Doch was erwarten wir von dem Gesetz und warum ist es so wichtig, dass es möglichst bald in Kraft tritt?

Transformation der österreichischen Energiewirtschaft

Die Energiewende ist der Schlüssel zur Bekämpfung der Klimakrise: ob bei Industrie, Mobilität, Gebäuden – Strom ist der zentrale Energieträger für die Dekarbonisierung. Die Energiewende ist dabei vor allem eine soziale Herausforderung. Denn während die notwendigen Technologien so weit bekannt sind, geht es nun um deren Ausrollung. Und die ist nicht einfach, denn schließlich betrifft die Energiewende so gut wie alle Bereiche der Gesellschaft und damit der Wirtschaft. Damit die Energiewende gelingen kann, braucht es die richtigen Rahmenbedingungen. Das Elektrizitätswirtschaftsgesetz (ElWG) stellt einen zentralen Teil dieser Rahmenbedingungen dar. Es regelt das Zusammenleben der unterschiedlichen Akteur:innen der Energiewende, wie Verbraucher:innen, Haushalte, Gemeinden, Industrie- und Gewerbebetriebe, Stromlieferanten, Stromproduzenten und Netzbetreiber.

Die im ElWG festgeschriebenen Regeln werden uns alle über die nächsten Jahre begleiten und auf vielfältige Art und Weise betreffen. Wenn das ElWG beschlossen ist, dann wird damit für die nächsten Jahre feststehen, wer welchen Anteil an den Kosten für den Ausbau, die Instandhaltung und den Betrieb der Netze trägt. Es wird klargestellt, welche Rechte Konsument:innen haben, unter welchen Voraussetzungen Lieferanten ihre Preise anheben können oder senken müssen und was für jene Haushalte gilt, die ihre Rechnungen nicht zahlen können. Auch die Rechte von Haushalten und Unternehmen, die einen Netzanschluss für ihre Photovoltaikanlage begehren, werden im ElWG festgelegt. Diese Liste ließe sich lange fortführen und zeigt die Bedeutung dieses wichtigen Gesetzesentwurfs.

Wo stehen wir derzeit?

Im Jahr 2021 wurden nur rund 33,8 Prozent unseres gesamten Endenergieverbrauchs (für Raumwärme, Mobilität, Produktion von Waren und Dienstleistungen etc.) durch erneuerbare Energien gedeckt.

Damit sind wir mit sehr konkreten Herausforderungen konfrontiert: Zunächst müssen wir sparsamer mit Energie umgehen und unseren Energieverbrauch insgesamt reduzieren. Anschließend muss unser verbleibender Energieverbrauch durch erneuerbare Energien gedeckt werden. Das bedeutet in erster Linie, wo immer möglich zu elektrifizieren und unsere Stromerzeugung auf erneuerbare Energien umzustellen. Besonders bei Photovoltaik und Windkraft gibt es hier noch einiges zu tun.

© A&W Blog


Die Transformation unseres Wirtschafts- und Gesellschaftssystems gleicht einer Operation am schlagenden Herz. Denn Energie ist zentral für das Funktionieren unserer Gesellschaft und unseres Wirtschaftssystems. Die notwendige Umstellung von Produktionsprozessen, der Tausch von Heizungen, der Ausbau von erneuerbarer Stromproduktion und Stromnetzen gehen mit großen Herausforderungen einher. Diese sind keinesfalls nur technischer, sondern vor allem auch sozialer Natur. Die Monate der Energiekrise haben uns gezeigt, welchen Preisauftrieb steigende Energiepreise auslösen können und welche gesellschaftlichen Spannungen durch den rasanten Preisanstieg für ein so grundlegendes Gut wie Energie entstehen.

Das ElWG soll nun Lösungsansätze bieten, wie den durch den notwendigen Netzausbau, die zusätzlichen Erzeugungskapazitäten und den zusätzlichen Strombedarf für Endkund:innen bedingten Herausforderungen unter Berücksichtigung aller Beteiligten begegnet werden kann.

Energiepolitisches Dreieck als Ausgangspunkt

Neben dem Ziel der Nachhaltigkeit – abgebildet durch ein dekarbonisiertes Energiesystem – muss die Energiewende auch die Ziele der Versorgungssicherheit und Leistbarkeit verfolgen. Dieses sogenannte energiepolitische Dreieck liegt auch der Elektrizitätsbinnenmarkt-Richtlinie (EU) 944/2019 zugrunde, wegen deren mangelhafter Umsetzung gegen Österreich bereits ein Vertragsverletzungsverfahren anhängig ist.

© A&W Blog


Die Energiekrise hat eindrücklich gezeigt, welche Gefahren durch eine Nichtbeachtung dieser drei Grundpfeiler drohen: hohe Abhängigkeiten von fossilen Energieträgern und wirtschaftliche Unsicherheiten. Unerschwingliche Preise führen wiederum zu gesamtwirtschaftlichen Verwerfungen und hoher Inflation – das stellt nicht nur ein Problem für Stromkund:innen dar, sondern gefährdet insgesamt die Akzeptanz für die so wichtige Energiewende.

Alle in die Verantwortung nehmen

Auch das ElWG, das nunmehr Konformität mit Unionsrecht herstellen soll, gibt das energiepolitische Dreieck in den Zielbestimmungen und den Vorgaben zur gemeinwirtschaftlichen Verpflichtung der Energieversorgungsunternehmen ansatzweise wieder. Und das durchaus zu Recht: Die Energieversorgung ist ein wesentlicher Bestandteil der Daseinsvorsorge und wirkt in das gesamte gesellschaftliche Leben hinein. Entscheidungen, die insbesondere die Versorgungssicherheit und Leistbarkeit von Energie beeinflussen, haben damit eine ausgesprochen große Tragweite. Dementsprechend tragen Energieunternehmen als wesentliche Akteure der Daseinsvorsorge eine hohe gesamtgesellschaftliche und wirtschaftliche Verantwortung.

Im Sinne der Versorgungssicherheit trifft das ElWG wichtige Vorkehrungen. So sind durch überarbeitete Bestimmungen für den Netzbereich technische und rechtliche Verbesserungen vorgesehen. Gleichzeitig soll das parallel in Begutachtung geschickte Energiearmuts-Definitions-Gesetz dabei helfen, bei der Energiewende auf besonders schutzbedürftige Haushalte zu achten.

Die notwendige Energiewende mit der Dekarbonisierung der Stromproduktion und dem Ausbau der Stromnetze ist auch in finanzieller Hinsicht eine Herausforderung. Allein für den Stromnetzausbau fallen in den kommenden zehn Jahren 18 bis 20 Mrd. Euro an. Daher ist eine faire Verteilung der Kosten wichtig. Haushalte dürfen hier nicht überproportional belastet werden. Zudem müssen Energiemärkte so ausgestaltet sein, dass Energie sowohl für Unternehmen als auch für Haushalte erschwinglich ist. Insbesondere der Faktor Leistbarkeit wird aus unserer Sicht allerdings noch nicht ausreichend im ElWG berücksichtigt – und zwar weder in den allgemeinen Zielbestimmungen noch im Kapitel zu den Endkund:innen.

Aktive Rolle der Konsument:innen

Haushalte, die zu aktiveren Akteur:innen im Strombereich werden wollen, bekommen mit dem ElWG viele Gelegenheiten dazu: Es soll möglich werden, sich aktiver am Energiemarkt zu beteiligen und sowohl durch die Steuerung des Verbrauchs als auch durch die Gründung von dezentralen Energiegemeinschaften für mehr Effizienz und stabilere Netze zu sorgen. Als „Eigenversorger:innen“ können Haushalte Strom aus erneuerbaren Quellen erzeugen und über Peer-to-Peer-Verträge an andere Endkund:innen übertragen. Aggregatoren können dabei unterstützen, die Einspeisung in das öffentliche Netz entsprechend zu steuern, was wiederum eine lückenlose Datenübermittlung erfordert.

Für all das trifft das ElWG die rechtlichen Vorkehrungen und kann die Elektrizitätswirtschaft der Energiewende so ein deutliches Stück näherbringen. Wichtig ist aber, dass eine entsprechende Aufklärung der betroffenen Haushalte erfolgt und auch ein gewisses Recht auf eine passivere Teilnahme am Strommarkt bestehen bleibt. Denn viele Haushalte haben schlicht nicht die Möglichkeit, sich aktiv am Stromsystem zu beteiligen. Die Energiewende ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe. Ihr Gelingen hängt keinesfalls nur von den Haushalten, sondern von vielen anderen Akteuren ab. Der Staat muss die richtigen Rahmenbedingungen schaffen und Energieunternehmen müssen ihrer verantwortungsvollen Aufgabe gerecht werden. Erst dann können Verbraucher:innen, zu denen vor allem auch Großverbraucher zählen, ihren Beitrag leisten.

Zwischenbilanz

Wenngleich bis dato nicht feststeht, welche Änderungen am derzeitigen Entwurf noch vorgenommen werden, ist es aus unserer Sicht ein wichtiger Schritt, dass das lang ersehnte ElWG nun in Begutachtung ging.

Wie die Vorschläge in den einzelnen Bereichen wie Kosument:innenschutz oder Netzausbau auf Haushalte wirken und im Detail zu bewerten sind, möchten wir in weiteren Beiträgen genauer beleuchten.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung