Ältere Menschen, die ihre Arbeit verlieren, haben es besonders schwer, wieder in Beschäftigung zu gelangen. Sie bekommen von Unternehmen kaum mehr eine Chance, ihre Fähigkeiten und Motivationen unter Beweis zu stellen. Es braucht daher entschiedene politische Maßnahmen. Staatlich geförderte Beschäftigungsprogramme im Rahmen einer österreichischen Jobgarantie können den Betroffenen helfen und gleichzeitig Tätigkeiten finanzieren, die allen zugutekommen.
Langzeitbeschäftigungslosigkeit in Österreich Langzeitarbeitslosigkeit ist ein gravierendes Problem. Neben dem individuellen Einkommensverlust beeinträchtigt sie den Gesundheitszustand, die Lebenszufriedenheit der Betroffenen und es kommt häufig zu sozialer Exklusion. Menschen, die gerne arbeiten möchten, bekommen keine Chance mehr – vorhandenes Potential liegt brach und geht verloren.
Seit Ausbruch der Finanzkrise 2007 ist die Arbeitslosigkeit in Österreich stark angestiegen und erst seit 2017 ist die (Register-)Arbeitslosenquote aufgrund der günstigen Konjunkturlage leicht rückläufig. Die Zahl der Arbeitssuchenden (inklusive Schulungen) ist im August 2019 auf etwa 330.000 Personen gesunken, 4,1 Prozent weniger als im Vorjahr. Für ältere Arbeitssuchende steigt die Arbeitslosigkeit jedoch bereits wieder und die Konjunktur hat sich abgeschwächt .
Besonders für ältere Arbeitssuchende hat sich die schlechte Marktentwicklung der letzten Dekade als gravierend erwiesen. Die Chance, wieder in Beschäftigung zu gelangen, sinkt mit der Dauer der Arbeitssuche. 2009 lag die durchschnittliche Verweildauer in Arbeitslosigkeit (entsprechend der Definition Langzeitbeschäftigungslosigkeit ) von Menschen im Alter von über 45 Jahren bei ca. 300 Tagen. Bis ins Jahr 2018 hat sich diese auf beinahe 600 Tage verdoppelt.
© A&W Blog
Menschen im Alter von über 45 Jahren dominieren die Masse an Langzeitbeschäftigungslosen, die bereits länger als zwei Jahre beim AMS sind.
© A&W Blog
Ursachen für Langzeitarbeitslosigkeit Ökonomisch kann Langzeitarbeitslosigkeit mit sogenannten Hysterese -Effekten erklärt werden. Das sind zeitverzögerte Effekte, beispielsweise wie eine Herdplatte, die nach dem Abschalten noch nachglüht, oder eben Arbeitslosigkeit, die in Folge einer Wirtschaftskrise bestehen bleibt bzw. weiter ansteigt. Neben den treibenden makroökonomischen Kräften – der maßgeblich von der Lohnentwicklung bestimmten gesamtwirtschaftlichen Nachfrageentwicklung – sind zwei plausible ökonomische Erklärungen von Hysteresis arbeitsmarktpolitisch besonders relevant:
Erstens führt Langzeitarbeitslosigkeit zum Verlust von Humankapital: Erworbenes Wissen kann mit zunehmender Dauer von Arbeitslosigkeit veralten. Hinzu kommen die gesundheitlichen Beeinträchtigungen, der Verlust des Zeitgefühls sowie des Selbstwertgefühls, die häufig mit Langzeitarbeitslosigkeit einhergehen und negativ auf die Chancen am Arbeitsmarkt wirken.
Zweitens bildet die Arbeitslosigkeitsdauer selbst, aufgrund von Diskriminierung, ein Integrationshindernis. Bereits nach 10 Monaten Arbeitslosigkeit werden Arbeitssuchende deutlich seltener (etwa 30 Prozent!) zu Bewerbungsgesprächen eingeladen.
Öffentlich forcierte Diskurse über vermeintlichen Sozialleistungsmissbrauch verstärken die Stigmatisierung von (Langzeit-)Arbeitslosen ebenso wie die hartnäckig vorangetriebene Erzählung über mangelnde Anreize. Während suggeriert wird, Arbeitslosigkeit wäre so etwas wie Urlaub, reicht das Arbeitslosengeld in Österreich nicht, um vor materieller Deprivation und Armut zu schützen. Hingegen wird die Debatte genutzt, um den Druck auf Arbeitssuchende zu erhöhen, den Abbau des sozialen Sicherungssystems voranzutreiben und somit die Verhandlungsmacht der Arbeitssuchenden zu schmälern.
Jobgarantie: eine einfache und elegante Lösung Langzeitarbeitslosigkeit muss mit verschiedenen Maßnahmen entgegengewirkt werden: Einerseits braucht es konjunkturstabilisierende Maßnahmen , um das Entstehen von Arbeitslosigkeit zu verhindern. Diese können durch eine Verringerung des Arbeitsangebots durch Arbeitszeitverkürzung , Kurzarbeit und verstärkten Einsatz von Bildungskarenzen unterstützt werden. Mit arbeitsmarktpolitischen Weiterbildungsmaßnahmen kann weiters verhindert werden, dass Humankapital abgewertet wird, und die Chancen von Arbeitssuchenden, eine gute Beschäftigung zu finden, können verstärkt werden. Darüber hinaus braucht das AMS mehr Personal, um Arbeitssuchende individuell abgestimmt zu betreuen bzw. zu vermitteln. Evaluierungen verweisen darauf, dass das Verhältnis zwischen AMS-Betreuern und Arbeitssuchenden einen Einfluss auf die Arbeitsmarktintegration hat.
Vor dem Hintergrund der hohen Langzeitarbeitslosigkeit in Österreich erscheint eine staatliche Jobgarantie, wie es die Aktion 20.000 ansatzweise war, als einfache, aber auch elegante Lösung: Es werden öffentliche oder gemeinnützige Arbeitsplätze anstatt von Arbeitslosengeld finanziert. Die öffentliche Hand schafft für alle Langzeitarbeitslosen mit besonderen Vermittlungsschwierigkeiten eine sinnvolle Beschäftigungsmöglichkeit. Der Sozialstaat kann als Gemeinschaftsprojekt erlebt werden, indem die BürgerInnen und die Betroffenen in die Wahl der geförderten Projekte einbezogen werden. Finanziert wird das zu einem Großteil mit dem Geld, das ansonsten für Sozialleistungen ausgegeben wird.
Für jene, die die geringsten Chancen haben Die Jobgarantie richtet sich an jene Personen, die sie am dringendsten benötigen und sonst keine Chancen mehr am Arbeitsmarkt bekommen. Um mögliche anfallende Kosten und Mitnahmeeffekte einzugrenzen, können zwei Kriterien herangezogen werden: Erstens ein höheres Alter, um jener Arbeitslosengruppe mit geringer Übergangswahrscheinlichkeit in Beschäftigung eine Jobperspektive zu eröffnen. Zweitens die Dauer der vorangegangenen Arbeitslosigkeit, um jene Personengruppe zu unterstützen, die schon am längsten unter der Desintegration leidet. Vor diesem Hintergrund schlagen wir die Jobgarantie zunächst für alle Langzeitbeschäftigungslosen (Geschäftsfalldauer über zwei Jahre) mit einem Alter ab 45 Jahre, die einen Anspruch auf eine AMS-Leistung haben, vor. Wir gehen von rund 40.000 Menschen in Österreich aus, die diese beiden Kriterien erfüllen. In einem weiteren Schritt ist zu einem späteren Zeitpunkt, sobald genügend Erfahrungswerte und entsprechende regionale Strukturen vorhanden sind, auch eine schrittweise Ausweitung der Zielgruppe anzudenken.
Was würde eine Jobgarantie kosten? Durch den Tausch der Ausgaben für Arbeitslose in Erwerbseinkommen lässt sich der Großteil der Investitionen finanzieren. 40.000 neu geschaffene Beschäftigungsformen, mit Entlohnung in der Höhe von 1.928 Euro brutto im Monat, benötigen zusätzliche Investitionen von rund 271 Mio. Euro. Dies soll aus Steuermitteln finanziert werden. Im Vergleich zu Steuerermäßigungen für Unternehmen, wie die von ÖVP/FPÖ angedachte Senkung der Körperschaftsteuer von 25 Prozent in Richtung 20 Prozent, die rund 1.500 Mio. Euro Kosten verursachen würde, scheinen die Mehrkosten für die Jobgarantie, von der die gesamte Gesellschaft profitiert, als äußerst gering.
Eine adaptierte Version erscheint als Perspektivenpapier des Jahoda-Bauer-Instituts https://jbi.or.at/perspektiven/
Beitrag teilen
Nichts mehr verpassen! Jetzt zu unserem Newsletter anmelden!