Die Inflations- und Energiekrise hält Europa fest im Griff. Alle Länder reagierten auf diese Herausforderung – die konkreten wirtschaftspolitischen Antworten unterscheiden sich jedoch erheblich. Vergleicht man etwa jene Spaniens – das Land mit der aktuell niedrigsten Inflation – mit Österreich, so zeigt sich, dass Markteingriffe in den Preisbildungsmechanismus besonders effizient sind.
Nach der russischen Invasion in der Ukraine und der darauffolgenden Energie- und Rohstoffversorgungskrise geriet die Inflation in den Mittelpunkt wirtschaftspolitischer und medialer Diskussionen. Europaweit waren Regierungen mit den Herausforderungen konfrontiert, die Teuerung zu reduzieren und deren soziale und wirtschaftliche Auswirkungen zu dämpfen. Um einen Einblick in die nationalen Inflationspolitiken zu erhalten, beauftragte die Abteilung für Wirtschaftswissenschaften und Statistik der Arbeiterkammer Wien zusammen mit dem deutschen Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung der Hans-Böckler-Stiftung (IMK) und dem Wiener Institut für Internationale Wirtschaftsvergleiche (wiiw) zehn Länderfallstudien. Drei davon – jene für Österreich, Spanien und Polen – wurden in der neuen Ausgabe von „Wirtschaft und Gesellschaft“ veröffentlicht. Im Mittelpunkt der Untersuchungen stehen die Preis- und Lohnentwicklungen sowie die wirtschaftspolitischen bzw. antiinflationären Maßnahmen, welche bis inklusive Herbst 2022 zur Reduktion der Inflation eingesetzt wurden. Dabei konnten viele Gemeinsamkeiten, aber auch Unterschiede zwischen den länderspezifischen Maßnahmen herausgearbeitet werden. In diesem Blogbeitrag widmen wir uns den wichtigsten Lehren und Schlussfolgerungen aus den Länderfallstudien und blicken dabei insbesondere auf die Maßnahmen in Österreich, Spanien und Polen.
Drei Fallstudien zu europäischer Inflationspolitik: Österreich, Spanien und Polen
Österreich, Spanien und Polen bilden einen guten Querschnitt, um die Wirkungen unterschiedlicher Inflationspolitiken in Europa zu beurteilen. Die Länder sind nicht nur historisch, politisch und geografisch unterschiedlich geprägt, sondern unterscheiden sich auch in ihren wirtschaftlichen Ausgangsbedingungen und aktuellen Herausforderungen. Ein wesentlicher Unterschied besteht darin, dass Spanien und Österreich Mitgliedsstaaten der Eurozone sind, während Polen mit dem Zloty eine eigene Währung besitzt. Hinzu kommt, dass sich Polen in unmittelbarer geografischer Nähe zum Ukraine-Krieg befindet und durch die Notwendigkeit einer weiteren Annäherung an die Lebens- und Lohnstandards der alten EU-15-Mitgliedsstaaten mit zusätzlichen Herausforderungen konfrontiert ist.
Ein Blick auf die Grafik gibt zunächst Aufschluss über die Inflationsentwicklung in Österreich, Spanien und Polen im Zeitverlauf. Die Inflationsraten in allen drei Ländern stiegen zwischen Jänner und Juli 2022 im europäischen Trend, deutliche Unterschiede sind allerdings im weiteren Verlauf zu erkennen. Zwar nahm die Inflation in Österreich und Spanien zwischen April und Juli von 7,1 auf 10,7 Prozent zu, die Preise in Polen stiegen aber deutlich stärker an. Im Juli erreichte die Inflation in Polen 14,2 Prozent und kletterte im Oktober auf über 16,4 Prozent. Auffallend ist ebenso die unterschiedliche Inflationsentwicklung in Österreich und Spanien seit August 2022. Während Österreichs Inflation im Oktober auf über 11,6 Prozent anstieg – und damit das Rekordhoch des Jahres 1974 knackte –, sank Spaniens Inflation auf 7,3 Prozent.