„Die Meinungen über das Verhältnis von Statistik und Realität gehen in der Öffentlichkeit manchmal auseinander. Tatsächlich gilt: Gute Statistik ist die bestmögliche Annäherung an die Realität“. Ein besonderes Schlaglicht wirft dieses Zitat des Statistischen Bundesamtes Wiesbaden auf die Berechnung der Inflationsrate. Das Vertrauen in die Ergebnisse ist jedoch bei vielen nicht sehr ausgeprägt. Besteht dieses Misstrauen zurecht?
Für November 2022 wird die Inflationsrate nach einer Flashschätzung von Statistik Austria bei ca. 10,6 % zu liegen kommen. Aber was bedeutet 10,6 % Inflationsrate nun genau?
Unter Inflation – im ökonomischen Sinn – versteht man einen andauernden und signifikanten Anstieg des allgemeinen Preisniveaus; im statistischen Sinn die relative (prozentuelle) Veränderung des Verbraucherpreisindex im Jahresabstand. Demnach haben wir es bei der Inflationsmessung mit zwei Größen zu tun: dem Verbraucherpreisindex (auch Messzahl genannt) einerseits und der Inflationsrate als relativen Unterschied zweier Messzahlen andererseits.
Preisbeobachtungen – moderne statistische Methoden
Messzahlen ergeben sich aus den monatlichen Preisbeobachtungen. Bei diesen Beobachtungen – oder auch Preiserhebungen – greift man auf eine festgelegte Auswahl von Güter- und Dienstleistungen zurück, den sogenannten Warenkorb, dieser beinhaltet ca. 40.000 Positionen. Preisbeobachtungen werden großflächig immer noch in ausgewählten Geschäften vor Ort durchgeführt, und zwar in 20 Städten und ca. 3.600 Geschäften. Durch die zunehmende Digitalisierung werden bei Preiserhebungen vermehrt EDV-gestützte Methoden eingesetzt. Neben der Internetrecherche gehören u. a. das Webscraping (Abtasten von Daten auf Internetseiten) und letztlich statistisch mathematische Verfahren zum Repertoire der Preisstatistiker:innen.
Konsumerhebung als Auswahlrahmen
Die Basisdaten für diese Auswahl der Warenkorbpositionen stammen aus der Konsumerhebung. Es handelt sich dabei um eine Zufallsstichprobe bei der ca. 6.000 Haushalte ein Jahr lang u.a. über ihre Haushaltsausgaben befragt werden. Aus dem aggregierten Resultat erhält man die Ausgabengewichtung für den VPI-Warenkorb. Exemplarisch: Derzeit entfallen bei einem durchschnittlichen österreichischen Haushalt auf Nahrungsmittel 10,12 % und auf Gesundheit 5,58 % seiner Gesamtausgaben. Die stärkste Belastung für das Haushaltsbudget entfällt auf die Position Wohnen und Energie mit ca. 25 % der Gesamtausgaben.
Messprobleme und Missinterpretationen
Nun lässt sich aus dem bereits Dargestellten leicht vermuten, dass es eine Menge an Einflussfaktoren gibt, die sich auf die Berechnungsergebnisse VPI oder Inflationsrate auswirken. Zuallererst ist es wichtig festzuhalten, dass die Inflationsrate keine auf ein bestimmtes Individuum zugeschnittene Maßzahl ist. Sie ist ein Durchschnitt. Die Inflationsrate kann demnach nur berechnet und nicht beobachtet werden. In nahezu keinem Fall wird es daher eine Übereinstimmung mit der persönlichen Preisbelastung geben – Wertsicherungsrechner (statistik.at). Die Aussage: „Meine Inflationsrate ist sicher höher als die offiziell gemessene“, mag durchaus stimmen, nur gibt es eben auch Fälle, da liegt die individuelle Inflationsrate unter der gemessenen. Die Inflationsrate misst eben den durchschnittlichen Preisanstieg von ca. 40.000 Gütern und Dienstleistungen anhand eines ebenfalls durchschnittlichen Warenkorbes, der sich auch als durchschnittliche Konsumstruktur interpretieren lässt. Obige Aussage geht damit am Kern der Inflationsmessung vorbei.
Messmethoden
Es gibt eine Fülle an Indexformeln; die am meisten angewandte ist die Formel nach Laspeyres: Ein einmal fixierter Warenkorb (für fünf Jahre) wird hinsichtlich der Preisveränderungen seiner Komponenten über eine längere Periode zur Berechnung der Inflation herangezogen. Beim anderen „Extrem“, der Paasche-Indexformel, finden laufend Anpassungen des Warenkorbes statt. Die Verwendung der Laspeyres-Formel hat zwei große Vorteile: Sie lässt sich leicht interpretieren und ist in der Basisdatenbeschaffung weniger aufwändig. Ein Mittelding ist der sogenannte verkettete Laspeyres-Index, bei dem die Warenkorbgewichte jährlich angepasst werden.
Berechnungen nach sozioökonomischen Merkmalen
Bei Vorliegen geeigneter Basisdaten kann man Inflationsraten nach unterschiedlichen Merkmalen berechnen. Zur Auswahl stehen z.B. die Merkmale „Personen im Haushalt“, „Pensionst:innenhaushalt“, „Haushalte nach Anzahl der Kinder“, „Haushalte nach Einkommensdezilen“ usw.