Zum Frauentag ein Blick auf die UN-Frauenrechtskonvention

08. März 2019

Es ist wieder Frauentag, und aus diesem Anlass lohnt es sich einmal mehr, einen kritischen Blick auf die Gleichstellung von Frauen in Österreich zu richten – und zu überprüfen, welche Vorgaben der UN-Frauenkonvention unerfüllt geblieben sind. Denn auch weiterhin gilt, dass Frauen für ihre Rechte kämpfen müssen.

Noch zahlreiche Baustellen offen

Wer sich die verschiedenen Lebensbereiche in unserer Gesellschaft genauer ansieht, wird sehr schnell feststellen, dass es zahlreiche „altbekannte rechtspolitische Baustellen“ gibt, wie es Silvia Ulrich von der Universität Linz in einem Interview nennt. Dazu gehören für Ulrich zum Beispiel der Abbau von Geschlechtsstereotypen, die Verwirklichung der gemeinsamen Verantwortung für familiäre Aufgaben, die Reduktion der Teilzeitarbeit von Frauen, effektive Maßnahmen gegen die große Einkommensdifferenz und gegen die Benachteiligung von Migrantinnen am Arbeitsmarkt.

Aber auch Rechte, die lange als unantastbar galten, werden nun in einem bemerkenswerten Backlash wieder infrage gestellt. Dazu gehört etwa das Recht jeder Frau, selbst über ihren Körper zu bestimmen. Aktuelle Themen wie der Schutz von Frauen vor Gewalt werden gerne mit rassistischen Diskursen über Flüchtlinge und Migrant_innen verknüpft und vorhandene Unterstützungsstrukturen wie die multi-institutionellen Fallkonferenzen zum Schutz von Frauen vor besonders gefährlichen Gewalttätern abgebaut. Bei diesen Treffen wurden Hochrisikofälle von Vertreter_innen von Polizei, Opferschutzeinrichtungen oder z. B. Jugendamt besprochen. Nach der erschreckend hohen Anzahl an Frauenmorden allein in den ersten Wochen des Jahres 2019 wurde angekündigt, die Fallkonferenzen „auf rechtlich fundierter Basis“ wieder einzuführen. Derzeit ist nicht bekannt, wann und in welcher Form das passieren wird.

Die UN-Frauenrechtskonvention

Vor diesem Hintergrund lohnt es sich, die UN-Frauenkonvention, die auf Englisch CEDAW – Convention on the Elimination of all forms of Discrimination Against Women – heißt, zu lesen. Die Konvention ist 1979 in Kraft getreten und garantiert Mädchen und Frauen den vollen Genuss ihrer Menschenrechte. Österreich hat diesen völkerrechtlichen Vertrag mit der UNO 1982 ratifiziert und verpflichtet sich damit, als Vertragsstaat Frauen in allen Lebensbereichen Männern gleichzustellen.

Trägerin verschiedenster Rechte

In der UN-Frauenrechtskonvention werden Frauen vom Objekt zum Subjekt – also zu Trägerinnen verschiedenster Rechte, wie die Herausgeber_innen des CEDAW-Kommentars aus dem Jahr 2015 unterstreichen: „Das Übereinkommen behandelt Frauen nicht primär als Opfer von Menschenrechtsverletzungen, sondern als Subjekte von verschiedensten Rechten, die bis zu diesem Zeitpunkt (und teilweise bis heute) vor allem von Männern wahrgenommen wurden.“ formulieren es Schläppi, Wyttenbach und Ulrich.

Vollzieht man den Switch und stellt man die Forderungen der CEDAW in einen neuen, positiv konnotierten Rahmen, heißt das: Frauen haben Rechte, die sie durchsetzen können. Frauen sind Männern gleichgestellt. Frauen verdienen für dieselbe Arbeit denselben Lohn wie Männer. Frauen entscheiden über ihren Körper. Frauen wirken an politischen und gesellschaftlichen Entscheidungsprozessen mit. Frauen können vom Staat erwarten, dass sie vor männlicher Gewalt geschützt werden.

Staatenprüfung und Empfehlungen zu Frauenrechten

Die UN-Frauenrechtskonvention adressiert alle Mädchen und Frauen, auch wir privilegierten Europäer_innen werden angesprochen. In internationalen Gremien wurde bereits nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges über verpflichtende Übereinkommen zum Schutz von Frauen vor Diskriminierung nachgedacht. Sehr schnell war man sich einig, dass verschiedene, zu diesem Zeitpunkt vorhandene menschenrechtliche Verpflichtungen allein nicht genug sind, um die gleichberechtigte Entfaltung von Frauen in allen Lebensbereichen zu fördern.

Diese Überlegungen mündeten dann 1979 in die UN-Frauenrechtskonvention, die Österreich 1982 ratifiziert hat. Seither wird Österreich als Vertragsstaat in regelmäßigen Abständen vom UN-Frauenrechtskomitee auf die Umsetzung und Einhaltung der Konvention geprüft. Das nächste Mal ist das im Juli 2019 der Fall. Grundlage für die Prüfung ist der offizielle Staatenbericht Österreichs und der sogenannte „Schatten- oder Alternativbericht“ der Zivilgesellschaft.

Nach der Prüfung veröffentlicht das Komitee eine Liste mit Empfehlungen an den Vertragsstaat (Concluding Observations). Sanktionen für säumige Vertragsstaaten gibt es keine, das Berichtsverfahren und die daraus resultierenden Empfehlungen sind aber ein sehr wichtiges Zeichen, wie viel Wert Frauenrechten beigemessen wird. Sie können somit auch ein wirkungsvolles Lobbying-Instrument für die Zivilgesellschaft sein.

Because it’s 2019

Die UN-Frauenrechtskonvention berücksichtigt die vielfältigen Lebensweisen von Frauen. Auch die Rechte von Frauen mit Behinderungen, von Bäuerinnen und Frauen auf dem Land oder von Migrant_innen werden angesprochen. „Der Text des Übereinkommens reflektiert den Stand der Diskussion rund um Geschlechterdiskriminierung und Gleichstellung in den UNO-Mitgliedsstaaten in den Siebzigerjahren“, geben die Herausgeber_innen des CEDAW-Kommentars zu bedenken und fahren fort: „Er konkretisiert das Verbot der Geschlechterdiskriminierung, wie es bereits in anderen Menschenrechtsinstrumenten verankert war, in jenen Lebensbereichen, welche damals als zentral erachtet wurden.“

Wichtige Rechte von Frauen wie der Schutz vor Gewalt wurden damals noch nicht breit diskutiert. Es erfordert deshalb eine kontinuierliche Auslegung des Konventionstextes, um den veränderten Lebensrealitäten von Frauen gerecht zu werden.

Individualbeschwerden aus Österreich

Im Zusatzprotokoll zur UN-Frauenrechtskonvention ist die Möglichkeit der Individualbeschwerde vorgesehen. Mit diesem Instrument können dem UN-Frauenrechtskomitee Menschenrechtsverletzungen durch den Staat gemeldet werden. Eine Individualbeschwerde kann allerdings nur eingebracht werden, wenn der innerstaatliche Rechtsweg ausgeschöpft ist und das Zusatzprotokoll vom Vertragsstaat ratifiziert wurde, was in Österreich der Fall ist.

Aus Österreich wurden bereits zwei Individualbeschwerden an das Frauenrechtskomitee gemeldet, die weitreichende Konsequenzen hatten. Allerdings mussten vorher zwei Frauen sterben: Fatma Y. und Sahide G., zwei türkische Staatsbürgerinnen, die mit ihren Familien in Österreich lebten, wurden umgebracht. Beide Frauen haben massive Gewalt durch ihre Ehemänner erlebt und in der Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt Hilfe gesucht. Obwohl die Mitarbeiterinnen alles versucht haben, um die beiden Frauen zu schützen, konnten sie mit den österreichischen Gesetzen nicht gerettet werden:

Fatma Y. wurde 2002 auf dem Heimweg von der Arbeit von ihrem Ehemann erstochen. Sahide G. wurde 2003 im Beisein ihrer beiden minderjährigen Töchter von ihrem Ehemann erschossen. Die Wiener Interventionsstelle gegen Gewalt in der Familie und der Verein Frauenrechtsschutz haben daraufhin im Namen der ermordeten Frauen und ihrer Hinterbliebenen Beschwerde beim UN-CEDAW-Komitee eingebracht: Der Staat Österreich habe es verabsäumt, mit angemessener Sorgfaltspflicht das Leben dieser beiden Frauen zu schützen.

Das CEDAW-Komitee ist zu dem Schluss gekommen, dass der österreichische Staat nicht alles Notwendige unternommen hat, um die beiden Frauen vor der Gewalt ihrer Männer zu schützen, und hat eine Reihe von Empfehlungen (Yildirim v. Austria und Goekce v. Austria) formuliert, um den Gewaltschutz in Österreich zu verbessern. Viele dieser Empfehlungen mündeten in direkte Maßnahmen zur Verbesserung des Gewaltschutzes in Österreich.

In Anbetracht der aktuellen Diskussion, wie Frauen besser vor besonders gefährlichen Gewalttätern geschützt werden können, liefern diese Beschwerden wichtige Bezugspunkte.

Auch am Frauentag gilt: #rechtehatsie

Der Klagsverband hat den Schattenbericht der NGOs für die Staatenprüfung 2019 koordiniert, und wir konnten viele namhafte Expert_innen gewinnen, um an diesem Bericht mitzuarbeiten. Gleichzeitig mit dem Bericht haben wir auch eine Kampagne ins Leben gerufen: #rechtehatsie soll auf die UN-Frauenrechtskonvention und Frauenrechte aufmerksam machen. Mit #frauenrechte on Tour haben wir eine Veranstaltungsreihe entworfen, die auf Einladung von Organisationen in ganz Österreich über die UN-Frauenrechtskonvention informiert und aktuelle gleichstellungspolitische Fragen zur Diskussion stellt. #rechtehatsie – und das nicht nur am 8. März.

 

Zur Vertiefung: Erika Schläppi, Silvia Ulrich, Judith Wyttenbach (Hg.): CEDAW Kommentar zum Übereinkommen der Vereinten Nationen zur Beseitigung jeder Form von Diskriminierung der Frau, Bern 2015