Wer finanziert den Sozialstaat - Teil 2

23. Februar 2018

Vor Kurzem haben wir uns am A&W-Blog mit der Frage „Wer finanziert eigentlich den Sozialstaat?“ beschäftigt. Dabei zeigte sich, dass die Steuer- und Abgabenbelastung für alle Einkommensgruppen relativ einheitlich bei rund 45 Prozent des Einkommens liegt – die Finanzierung des Sozialstaats also breit gestreut ist. Dieses Ergebnis hat unter manchen LeserInnen für Diskussionen gesorgt.

Einige machten die durchaus berechtigte Anmerkung, dass nicht die relativen individuellen Beträge relevant wären, sondern die Zusammensetzung des absoluten Mittelaufkommens. An der Grundaussage ändert das allerdings wenig: Der Sozialstaat wird erst durch die Beiträge aller ermöglicht.

Ein Blick auf die öffentlichen Einnahmen

Der überwiegende Teil öffentlicher Leistungen wird über Steuern und Abgaben finanziert – im Jahr 2016 in Summe 151,4 Mrd. Euro. Darüber hinaus sind Leistungserlöse (z. B. Wasserversorgung und Wasserentsorgung oder Müllabfuhr) und Einkommen aus öffentlichem Vermögen mit zusammen rund einem Zehntel der Gesamteinnahmen relevant.

Zerlegt man den Steuer- und Abgabenkuchen in seine Einzelteile, lassen sich drei große Subgruppen bilden:

  • Den größten Brocken, mit rund 80 Mrd. Euro, bilden die Steuern und Abgaben auf Arbeitnehmerentgelte. Darunter fallen die Lohnsteuer (25,4 Mrd. Euro), die Lohnsummensteuern (9,4 Mrd. Euro) und die Dienstgeber- sowie die Dienstnehmerbeiträge zur Sozialversicherung (45,1 Mrd. Euro).
  • Den zweitgrößten Block bilden mit 42,2 Mrd. Euro die sogenannten Verbrauchssteuern, die von allen gezahlt werden, egal ob bzw. wie sie beschäftigt sind. Den Löwenanteil davon bildet die Umsatzsteuer (27,3 Mrd. Euro), dazu kommen weitere Verbrauchssteuern wie Mineralölsteuer oder Versicherungssteuer und motorbezogene Versicherungssteuer. Diese belaufen sich in Summe auf weitere 7,4 Mrd. Euro.
  • Den kleinsten Block bilden die Abgaben auf Kapitaleinkünfte, Gewinne und Vermögen. Diese belaufen sich insgesamt auf 22,3 Mrd. Euro. Darunter fallen vor allem die veranlagte Einkommenssteuer (4,9 Mrd. Euro), die Kapitalertragssteuer (2,4 Mrd. Euro), die Körperschaftssteuer (7,8 Mrd. Euro), die SV-Beiträge für Selbstständige (3,3 Mrd. Euro) und die Vermögenssteuern (2,9 Mrd. Euro, insbesondere Grund- und Grunderwerbssteuer mit zusammen 1,8 Mrd. Euro).

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Steuerstruktur: Wo liegt Österreich im EU-Vergleich?

In der Gesamtbetrachtung zeigt sich also, dass der Sozialstaat zu 80,7 Prozent von ArbeitnehmerInnen und KonsumentInnen finanziert wird, aber nur in einem minimalen Ausmaß von Unternehmen und Vermögenden. Dass diese Abgabenstruktur im internationalen Vergleich eine Schieflage darstellt, zeigt ein Blick auf die Taxation Trends der Europäischen Kommission.

Im Bereich der Steuern und Abgaben auf unselbstständige Arbeit belegt Österreich den unrühmlichen dritten Platz – von allen 28 EU-Staaten ist der Anteil nur in Deutschland und Schweden noch höher. Umgekehrt ist der Anteil des Aufkommens aus Steuern und Abgaben auf Unternehmensgewinne und Vermögen in Österreich derart gering, dass im EU-Vergleich die hintersten Ränge eingenommen werden. Bezüglich der Unternehmensbesteuerung liegt Österreich auf Platz 22 und bei der Besteuerung auf Vermögen auf Platz 23 (von jeweils 28 EU-Ländern).

Diese sichtlich auch international untypische Staatsfinanzierung ist nicht nur aus Perspektive der Steuergerechtigkeit dringend zu reformieren. Es gibt auch handfeste ökonomische Gründe dafür. Untersuchungen haben gezeigt, dass besonders Abgaben auf Arbeit negative Effekte auf Wachstum und Beschäftigung haben. Einerseits reduzieren diese das verfügbare Einkommen und damit den privaten Konsum und andererseits verteuern sie die Arbeitskraft. Demgegenüber gehen von den vermögensbezogenen Abgaben (z. B. eine Erbschaftssteuer auf große Erbschaften) kaum verzerrende Auswirkungen auf Wachstum und Beschäftigung aus.

Änderung der Steuerstruktur dringend notwendig

Kein Wunder also, dass die Europäische Kommission für Österreich seit Jahren die Empfehlung ausspricht, den Anteil der vermögensbezogenen Abgaben zu erhöhen und dafür die Abgabenlast auf Arbeit zu reduzieren.

Die Diskussion über eine solche Steuerstrukturreform ist genauso dringend wie die Diskussion über die Progression im Abgabensystem, die Teil 1 der Beitragsserie aufgeworfen hat. Eine fundierte und sachliche Debatte über diese Fragen würde die Chance für fundierte Reformen bieten, die das österreichische Steuersystem ein Stück weit gerechter machen. Ganz im Gegensatz zu den phantasielosen Kürzungsdiskussionen, die heute oft die Schlagzeilen dominieren.