Familienarbeitszeitmodell: Mehr Zeit für Väter, mehr Geld für Mütter

17. August 2021

Nach der Geburt eines Kindes sind es vor allem Mütter, die ihre Erwerbstätigkeit unterbrechen und anschließend in Teilzeit auf den Arbeitsmarkt zurückkehren. Im Gegensatz dazu wird die Erwerbsarbeit von Männern wenig beeinflusst, Väter arbeiten im Schnitt sogar mehr als Männer ohne Kinder. Dabei wäre ungefähr gleich viel Zeit für Kinderbetreuung und Erwerbsarbeit für alle besser. Neue Modelle – wie das von ÖGB und AK eben erst vorgestellte – sind gefragt!

Erwerbsarbeitsintegration von Frauen erfolgt(e) großteils durch Teilzeitarbeit

Obgleich sich die Differenz der Erwerbstätigenquoten von Müttern und Vätern im letzten Jahrzehnt verkleinert hat, sind die Unterschiede nach wie vor groß: Im Jahr 2020 nahmen 91 % der Männer und 68 % der Frauen zwischen 15 und 64 mit betreuungspflichtigen Kindern unter 15 Jahren aktiv am Arbeitsmarkt teil.

Im letzten Jahrzehnt haben sich vor allem die Erwerbsmuster von Frauen mit kleinen Kindern stark verändert: Die Phase der Nicht-Erwerbstätigkeit nach der Geburt eines Kindes hat sich deutlich verkürzt. Frauen kehren nach der Geburt eines Kindes früher auf den Arbeitsmarkt zurück. Insofern erhöhte sich die Erwerbsbeteiligung von Frauen deutlich. Allerdings fast ausschließlich als Folge der Ausweitung von Teilzeitarbeit.

Teilzeitarbeit – also Erwerbstätigkeit bis max. 35 Stunden die Woche – und geringfügige Beschäftigung (unter 12 Wochenstunden) sind prägend für die Erwerbsbeteiligung vieler Frauen, gerade wenn sie betreuungspflichtige Kinder haben. Zwischen 1994 und 2020 stieg die Teilzeitquote von Frauen mit Kindern unter 15 Jahren von 39 % auf 72 % an. Neben strukturellen Nachteilen, wie die berufs- und branchenspezifische Segregation, ist die geringere Zahl an Erwerbsarbeitsstunden bei Frauen ein Hauptgrund für geringere Erwerbseinkommen. In Folge führt das zu einem hohen Pensions-Gap zwischen den Geschlechtern und einer höheren Armutsgefährdung für Frauen.

Eine Betrachtung der durchschnittlich tatsächlich geleisteten Arbeitsstunden pro Woche zeigt, dass 22 % der Mütter mit Kindern unter 15 Jahren bis zu 15 Wochenstunden erwerbstätig sind, 31 % der Mütter zwischen 16 und 30 Stunden und 5 % zwischen 31 und 35 Stunden erwerbsarbeiten. Bei Vätern von Kindern unter 15 sind hingegen 36 % zwischen 36 und 40 Wochenstunden erwerbstätig, 13 % zwischen 41 und 45 Stunden und 18 % sogar mehr als 46 Wochenstunden und nur 6 % zwischen 31 und 35 Stunden mit Erwerbsarbeit beschäftigt.

Traditionelle Rollenverteilungen sind schwer aufzubrechen

Gerade in Österreich erweist sich die Rollenverteilung zwischen den Geschlechtern als äußerst hartnäckig. Gesellschaftliche Rollenbilder wie der „gute Vater“, der seine Familie finanziell gut versorgen kann, sind immer noch vorherrschend, ebenso wie das Bild einer „guten Mutter“, die maximal die Rolle einer Zuverdienerin übernimmt, jedenfalls aber den Großteil der Kinderbetreuung besorgt. Insofern werden von Paaren mit der Geburt eines Kindes überwiegend Modelle gewählt, die auf die Haupterwerbstätigkeit von Männern abzielen: Bei 44 % der Paare mit Kindern unter 15 Jahren im selben Haushalt waren 2020 der Mann auf Vollzeitbasis und die Frau auf Teilzeitbasis erwerbstätig, bei 18 % war nur der Mann erwerbstätig. Nur bei jedem siebenten Paar mit Kindern unter 15 Jahren im selben Haushalt waren beide Partner vollzeiterwerbstätig. Arbeitszeitmodelle, die auf eine Haupterwerbstätigkeit der Frau oder Teilzeiterwerbstätigkeiten beider Partner:innen abzielen, wurden insgesamt in nur 8 % der Haushalte gelebt. Bei den verbleibenden 11 % war eine/r der Partner:innen, zum überwiegenden Teil die Frau, in Elternkarenz.

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Ab dem dritten Geburtstag des jüngsten Kindes teilen sich sogar mehr als die Hälfte der Paare ihre Erwerbsarbeit so auf, dass er Vollzeit erwerbstätig und sie teilzeitbeschäftigt ist. Dementsprechend werden dann auch 2/3 aller unbezahlten Haus- und Familienarbeiten von Frauen geleistet, 2/3 aller bezahlten Arbeiten von Männern. Gleichzeitig sind es aber auch die jungen Väter von jungen Kindern, die vermehrt weniger Stunden erwerbstätig sind und sich auch insgesamt weniger lange Arbeitszeiten wünschen, um Zeit mit ihren Kindern zur Verfügung zu haben.

Die österreichische Familienpolitik ist bisweilen zaghaft bis ignorant, was die Frage der Aufteilung unbezahlter Arbeiten in Haushalten betrifft. Während das Standardargument, man wolle sich nicht in die Privatangelegenheiten der Menschen einmischen, noch immer nicht ausgedient hat, gab es in den letzten Jahren einige wichtige Schritte in Richtung Modernisierung, vor allem was die Kinderbetreuung betrifft. Das Tempo entspricht jedoch einer Fahrt mit angezogener Handbremse. Insofern liegt Österreich bei den Ausgaben für die Elementarbildung immer noch deutlich unter dem OECD-Schnitt.

Während qualitätsvolle und leistbare Kinderbetreuung eine unerlässliche Voraussetzung für die Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist, hat uns die Corona-Krise auch vor Augen geführt, was passiert, wenn diese Bildungseinrichtungen geschlossen werden (müssen). Dann verschärft sich die schon vorher ungleiche Verteilung und Zuständigkeit zwischen den Geschlechtern nochmals. Dass Österreich mit seiner großzügigen steuerlichen Familienförderung diese deutlich gleichstellungsfördernder gestalten müsste, wurde einmal mehr klar.

Familienarbeitszeitmodell – so könnte Veränderung angestoßen werden

Eine Umverteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit bedarf einiger Hebel, jedenfalls aber auch der Notwendigkeit, Unternehmen in die Pflicht zu nehmen, um eine gerechte Arbeits(zeit)teilung nicht nur zu ermöglichen, sondern aktiv anzuregen.

ÖGB und AK haben nun einen konkreten Vorschlag präsentiert, wie man Eltern finanziell belohnen soll, wenn sich beide ungefähr gleich viel Zeit für die Kinderbetreuung und für die Erwerbsarbeit nehmen. Das sogenannte Familienarbeitszeitmodell ist also eine zusätzliche Geldleistung, die die finanziellen Einbußen abfedern soll, wenn beide Elternteile die Arbeitszeit auf ein ähnliches Ausmaß reduzieren bzw. erhöhen. Dabei würden beide Eltern profitieren: Väter hätten mehr Zeit für ihre Kinder und Mütter wären mehr Stunden erwerbstätig und könnten mehr verdienen.

Wenn beide Elternteile nach der Karenz ihre Arbeitszeit auf 28 bis 32 Wochenstunden reduzieren bzw. erhöhen und diese Teilzeit jeweils mindestens 4 Monate dauert, sieht das Modell vor,

  • dass 250 Euro Pauschale pro Elternteil pro Monat steuerfrei ausbezahlt werden,
  • die Sozialversicherungsbeiträge im Falle einer Reduktion weiter von der Vollarbeitszeit berechnet und dem Dienstgeber vom AMS ersetzt werden
  • das Geld maximal bis zum 4. Geburtstag des Kindes bezogen werden kann,
  • und auch Alleinerziehende die monatliche Pauschale von 250 Euro bekommen.

Nicht nur die zeitliche Untergrenze, sondern auch die Handhabung soll analog zur Bildungsteilzeit erfolgen: So schadet laut derzeitiger Verwaltungspraxis des AMS die Leistung von Mehrstunden dem Anspruch auf Bildungsteilzeitgeld nicht, wenn diese zeitnah in Zeitausgleich verbraucht werden. Überstunden hingegen stehen einem Bildungsteilzeitgeldbezug entgegen und somit auch dem Modell der Familienarbeitszeit. Weiters soll das FAZ-Geld wie das Bildungsteilzeit- bzw. Altersteilzeit-Geld steuerfrei sein. Die Sozialversicherungsbeiträge (Kranken-, Unfall-, Pensionsversicherung und Arbeitslosenversicherung) wären, wie bei der Altersteilzeit, von der Normalarbeitszeit zu berechnen und würden dem Dienstgeber vom AMS teilweise ersetzt werden.

Das neue Modell ließe sich zwar mit der Elternteilzeit, wie sie jetzt schon von Müttern und Vätern in Anspruch genommen wird, kombinieren, ist aber nicht damit zu verwechseln, sondern wäre ein ergänzendes Angebot: Elternteilzeit ist ein Anspruch, den Mütter und Väter unter bestimmten Voraussetzungen (Betriebsgröße, Dauer des Arbeitsverhältnisses im Unternehmen) bereits haben. Damit ist es möglich, beim Arbeitgeber ein bestimmtes Ausmaß und eine bestimmte Lage der Arbeitszeit besser durchzusetzen. Beim Modell der Familienarbeitszeit soll es keine Rolle spielen, ob man die 28 bis 32 Stunden Arbeitszeit mit dem Elternteilzeit-Anspruch durchgesetzt hat oder mit dem Arbeitgeber vereinbart.

Das Modell könnte, wie die Kinder- bzw. Familienbeihilfe, über den Familienlastenausgleichsfonds (FLAF) finanziert werden. Da der Anteil der gleichstellungspolitischen Maßnahmen, die aus dem FLAF finanziert werden, äußerst gering ist, würde dies eine Möglichkeit darstellen, gleichstellungsorientierte Familienpolitik zu fördern. Damit könnte 25 Jahre nach der Kampagne „Ganze Männer machen halbe-halbe“ endlich wieder ein Schritt in Richtung Umverteilung der unbezahlten Familienarbeit zwischen den Geschlechtern gesetzt werden.

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