Alternativen zur Massenarbeitslosigkeit in der EU

13. März 2013

Die Austeritätspolitik der EU hat zwischen drei und fünf Millionen Menschen den Job gekostet. Die Behauptung der Politik, es gäbe keine Alternativen, ist haltlos. Was fehlt sind nicht ökonomische Gegenkonzepte, sondern eine verantwortungsbewusste Wirtschaftspolitik, die sie umsetzt.

Anfang des Jahres 2013 war es so weit: Seit Beginn der Finanzkrise Anfang 2008 ist die Zahl der Arbeitslosen in der EU um zehn Millionen gestiegen. Im Jänner 2013 waren bereits  26,2 Millionen Menschen arbeitslos, darunter 5,8 Millionen Jugendliche.

Der dramatische Anstieg der Arbeitslosigkeit findet auf politischer Ebene in der EU nahezu keine Beachtung. Dort ist man rund um die Uhr mit der Bekämpfung der Staatsschuldenkrise beschäftigt. Bislang allerdings per Saldo wenig erfolgreich, denn der Anteil der Staatsschulden am BIP steigt weiter, er hat sich seit Beginn der Sparpolitik im Jahr 2010 um 13 Prozentpunkte erhöht. Zwischen der Krise bei den Staatsschulden und jener auf dem Arbeitsmarkt gibt es enge Zusammenhänge:

Beschäftigungs- und Schuldenkrise hängen zusammen

Erstens sind beide die direkte Folge der von Banken und Finanzmärkten ausgelösten Finanz- und Wirtschaftskrise. Das Bruttoinlandsprodukt der EU lag 2012, im fünften Jahr der Krise, noch immer unter dem Niveau von 2007 und damit grob geschätzt um etwa ein Zehntel unter seinem Potential. Ein Rückgang von Produktion, Einkommen und Verbrauch hat zwei Folgen: Zum einen sinken die Einnahmen an Einkommensteuern, Gewinnsteuern, Sozialversicherungsbeiträgen und Verbrauchssteuern. Zusammen mit den hohen Ausgaben für Bankenrettungen (sie betragen in der EU mittlerweile mehr als 600 Mrd. Euro) bildet das den wichtigsten Grund für den sprunghaften Anstieg der Staatsschulden seit 2007. Zum anderen führt der Rückgang von Produktion und Einkommen zu sinkender Beschäftigung und steigender Arbeitslosigkeit.

Zweitens hat die Wirtschaftspolitik der EU, die sich auf die Kürzung von Sozialtransfers, Beschäftigung und Löhnen und die Erhöhung von Massensteuern konzentriert, selbst massiv zum Anstieg der Arbeitslosigkeit beigetragen. Denn diese Politik bewirkt einen Rückgang der verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte und löst ein Sinken der Konsumnachfrage aus. Dadurch gehen Produktion, Investitionstätigkeit und Beschäftigung, aber auch Steuereinnahmen weiter zurück und die Budgetziele können nicht erreicht werden. Die EU reagiert darauf mit neuen Sparforderungen.

Sparpolitik schafft Arbeitslosigkeit

Ausgestattet mit den ungeeigneten ökonomischen Rezepten der EU sparen sich die Länder immer tiefer in die Krise hinein und erzeugen Rekordarbeitslosigkeit. Schätzen wir die Folgen der Austeritätspolitik für den Arbeitsmarkt grob ab: Seit Einsetzen der Sparpolitik im Jahr 2010 ist die Zahl der Arbeitslosen in der EU um weitere drei Millionen gestiegen. In den USA wird keine Sparpolitik praktiziert, dort versucht man aus der Krise herauszuwachsen. Unterstellt man die Arbeitslosigkeit in der EU hätte sich ohne Sparpolitik nach dem gleichen Muster wie jene in den USA entwickelt, dann sind die Kosten der Austerität noch höher: Etwa fünf Millionen Arbeitslose.

Hat man als ÖkonomIn die Grundzusammenhänge der Makroökonomie verstanden, dann kann die Tatsache nicht überraschen, dass Sparpolitik zum falschen Zeitpunkt Nachfrage und Produktion dämpft und deshalb zu mehr Arbeitslosigkeit und weniger Steuereinnahmen führt. Doch für die Europäischen Kommission, der Europäischen Rat und die Europäischen Zentralbank scheinen diese Zusammenhänge neu zu sein. Das zeigt sich etwa in den fortlaufenden Fehlprognosen, aus denen nichts gelernt wird: Im Herbst 2010, als die erste Sparwelle beschlossen war, prognostizierte die Europäische Kommission fürs Jahr 2011 eine Arbeitslosenquote in der Eurozone von 10,0% der Erwerbspersonen, im Jahr 2012 sollte dann alles wieder besser werden (9,6%). Im Frühjahr und im Herbst 2011mussten die Prognosen nach oben korrigiert werden (2012: 10,1%), aber 2013 würde es dann wieder besser werden (10,0%). Im Rahmen der Prognosen vom Frühjahr und Herbst 2012 erfolgten weitere Korrekturen nach oben (2013: 11,8%), 2014, so das Versprechen, wird´s besser (11,7%). Im Februar 2013 wurden die Prognosen weiter nach oben korrigiert (2013: 12,2%) und … erraten: 2014 (12,1%) wird alles besser!

Arbeitslosigkeit als eingeplanter Kollateralschaden

Nun kann man dieses Prognose-Debakel darauf zurückführen, dass die Europäische Kommission ihre Vorhersagen und ihre Politik auf einem falschen, neoklassischen ökonomischen Modell aufbaut, in dem keine negativen Effekte von Sparpolitik auf BIP und Arbeitslosigkeit vorgesehen sind. Vieles deutet allerdings darauf hin, dass die konservativen Kräfte in Europa den Anstieg der Arbeitslosigkeit sogar ganz bewusst in Kauf nehmen. Denn Massenarbeitslosigkeit schwächt die politische und wirtschaftliche Macht der ArbeitnehmerInnen. Damit sinken Löhne und Gehälter und das Kernelement des neoliberalen Programmes kommt weiter voran, der Abbau des Sozialstaates. Das ist die Politik, die die Troika in den Krisenländern mit harten Einschnitten praktiziert.

Das Konzept der neoliberalen Wirtschaftspolitik der EU ist nach allen verfügbaren makroökonomischen Indikatoren – vom BIP, über die Staatsschuldenquote bis zur Arbeitslosenquote – gescheitert. Dennoch wird es weiter verfolgt. Die Behauptung, es gäbe keine Alternative, zeugt im besten Fall vom Fehlen grundlegender makroökonomischer Kenntnisse. Es ist aber vor allem als Versuch zu sehen, massive Umverteilung von Einkommen und Vermögen nach oben durchzusetzen.

Alternativen zum neoliberalen Scherbenhaufen

Der Scherbenhaufen, den die neoliberale Politik des Abbaus staatlicher Regulierungen auf den Finanzmärkten, der Umverteilung und der Austeritätspolitik hinterlassen hat, macht die Ausgangslage für eine alternative Wirtschaftspolitik schwierig. Doch die Grundprinzipien für einen Kurswechsel liegen auf der Hand:

  • Koordinierte und markante Steuererhöhungen auf Vermögen, Spitzeneinkommen und den Finanzsektor, um die Verteilungsungleichgewichte zu korrigieren und budgetäre Spielräume für aktive Wirtschafts- und Sozialpolitik zu gewinnen.
  • Offensive Wirtschaftspolitik zur Bekämpfung von Arbeitslosigkeit und sozialer Ausgrenzung: Direkte Schaffung von Beschäftigung durch „public works“ Programme, Ausbildungsoffensive für Jugendliche, Ausbau von Kindergärten und Pflege sowie Investitionen in den ökologischen Umbau der Wirtschaft.
  • Verkleinerung des Finanz- und Bankensektors durch weitere Erhöhungen von Eigenkapitalerfordernissen, Verstärkung von Aufsicht und Regulierung und stärkere Besteuerung von Finanztransaktionen und Finanzaktivitäten.
  • Senkung der Finanzierungskosten für Staaten, Unternehmen und Haushalte durch eine aktive Interventionspolitik der EZB.
  • Demokratisierung der EU-Politik, nachdem die Konzepte der neoliberalen Eliten vollständig gescheitert sind.
  • Mithilfe dieser Maßnahmen kann nicht nur eine Trendwende auf dem Arbeitsmarkt erreicht werden, sondern auch eine Stabilisierung der Wirtschaft und damit die Voraussetzung für eine mittelfristig ausgerichtete Politik des Abbaus der Staatsschulden.