Nachhaltiger Konsum, aber bitte alltagstauglich

22. Februar 2022

Wie sieht es eigentlich aus mit dem Konsumverhalten österreichischer Haushalte und den Potenzialen und Hürden für Nachhaltigkeit? Antworten gibt es in einer aktuellen Studie entlang soziodemographischer Merkmale und den auftretenden Problemen im Verbraucheralltag. Dazu zählen etwa mangelnde Transparenz in der Verbraucherkennzeichnung, wo es – wie in anderen Bereichen ebenso – rechtliche Rahmenbedingungen braucht. Egal ob Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Reisen oder Finanzprodukte – die Bereitschaft für nachhaltigen Konsum ist groß, es braucht aber echte Kostenwahrheit und den Mut zur politischen Gestaltung.

Keyfacts zur AK-Studie “Nachhaltiger Konsum”

In der AK-Studie „Nachhaltiger Konsum“ wurde der Frage nachgegangen, wie stark nachhaltige Konsumpraktiken bereits verbreitet sind und ob sich Zusammenhänge zu soziodemographischen Merkmalen wie Alter, Geschlecht, Einkommen etc. erkennen lassen. Zusätzlich wurden die subjektiv wahrgenommenen Konsumprobleme hinsichtlich Nachhaltigkeit analysiert, um Hürden für nachhaltiges Konsumieren zu identifizieren. Es zeigen sich Tendenzen zu nachhaltigem Konsum im Bereich des Lebensmitteleinkaufs, des Reisens und bei Haushaltsgroßgeräten und eine große Unterstützung konsumpolitischer Maßnahmen zur Stärkung und Sicherung nachhaltigen Konsums. Dies spiegelt sich auch mit Blick auf die Ärgernisse der KonsumentInnen wider, die häufig direkten Bezug zu nachhaltigem Konsum aufweisen. Die Konsumprobleme liefern Hinweise auf die strukturellen Hürden, die nachhaltigem Konsum im Wege stehen. Insgesamt haben rund 1.100 Haushalte österreichweit von Jänner 2019 bis März 2020 an der Konsummonitor-Umfrage (AK Wien/Universität Wien) teilgenommen. Unter www.konsummonitor.de gibt es neben der Teilauswertung „Nachhaltiger Konsum“ auch weitere Teilauswertungen der Konsummonitor-Daten zu konsumpolitischen Maßnahmen und zu Haushaltsgroßgeräten.

Nachhaltigkeit für Lebensmittel, Haushaltsgeräte, Reisen, Finanzen – das Interesse ist groß!

Viele österreichische Haushalte orientieren sich in ihrem Konsumverhalten bereits Richtung Nachhaltigkeit. Besonders hoch ist die Sensibilität beim Einkauf von Lebensmitteln. 65 Prozent der KonsumentInnen geben an, gezielt regionale Lebensmittel zu kaufen und 46 Prozent kaufen (zumindest eher) gezielt biologisch oder Fairtrade.

Nachhaltigkeit beim Lebensmittelkauf

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Ungefähr jeder Zweite gibt an, innerhalb der vergangenen zwölf Monate mindestens einmal buycottiert bzw. boykottiert zu haben. Beim Online-Kauf informieren sich 2 von 10 regelmäßig über die Nachhaltigkeit bzw. Ökobilanz von Lebensmitteln, beim analogen Lebensmitteleinkauf sind es sogar 4 von 10.

Anschaffung eines Haushaltsgerätes

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Die wichtigsten Eigenschaften

Die Mehrheit der KonsumentInnen achtet beim Kauf von Haushaltsgroßgeräten auf nachhaltige Geräteeigenschaften. Die Reparaturbereitschaft bewegt sich je nach Haushaltsgroßgerät zwischen 40 und 70 Prozent.

Die überwiegende Mehrheit der Befragten ist in den vergangenen zwölf Monaten verreist (Ende Befragungszeitraum März 2020). Nicht verreist wird am häufigsten aus finanziellen Gründen. Für die Anreise zu einem Reiseziel haben zwei Drittel als Hauptverkehrsmittel das Auto genutzt, etwas weniger als jede/r Zweite das Flugzeug (43 Prozent) und 17 Prozent den Zug.

Verkehrsmittel für Urlaubsreise

Hauptsächliche Nutzung für die Anreise

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Ein Drittel hat nach eigenen Angaben das eigene Reiseverhalten der vergangenen zwölf Monate bereits im Zuge der Klimadebatte verändert.

Im Finanzbereich zeigt sich, dass bei der Entscheidung für eine Geldanlage ungefähr jeder Zweite ökologische und soziale Kriterien berücksichtigt. Bezieht man auch die Konsumärgernisse mit ein, zeigt sich aber, dass Nachhaltigkeit im Bereich Finanzen insgesamt noch eine untergeordnete Rolle spielt. Die jedoch insgesamt hohe Sensibilität und das Bewusstsein der KonsumentInnen für nachhaltigen Konsum zeigt sich auch in einer hohen Zustimmung zu entsprechenden konsumpolitischen Maßnahmen, beispielsweise im Lebensmittelbereich zur (Wieder-)Einführung von Mehrweg-Pfandsystemen und im Bereich der Haushaltsgroßgeräte zu Gütesiegeln für Langlebigkeit und Reparierbarkeit.

Nachhaltiger Konsum und soziale Ungleichheit

Durch die Analyse der sozialstatistischen Merkmale hinter nachhaltigen Konsumpraktiken soll auch an die Debatte von nachhaltigem Konsum und sozialer Ungleichheit angeknüpft werden. Laut der Greenpeace-Studie „Klima-Ungerechtigkeit in Österreich“ aus 2020 verursachen die obersten zehn  Prozent der Einkommenspyramide in etwa viermal so viele Emissionen durch ihren Konsum wie die unteren zehn Prozent. Trotzdem haftet nachhaltigem Konsum gewissermaßen das Stigma an, im Luxussegment angesiedelt zu sein. Das könnte auch daran liegen, dass nachhaltiger Konsum häufig zu eng gefasst betrachtet wird. Denn betrachtet man ganz klassisch den Kauf von Bio und Fair Trade, zeigt sich auch in der AK-Studie Nachhaltiger Konsum, dass Personen mit kleinem Geldbeutel beim Lebensmitteleinkauf seltener gezielt auf Bio und Fair Trade achten. Betrachtet man aber beispielsweise die Verkehrsmittelwahl fürs Reisen, das Wegwerfen von noch genießbaren Lebensmitteln oder die Berücksichtigung von nachhaltigen Geräteeigenschaften beim Kauf von Haushaltsgroßgeräten agieren Haushalte mit kleinem Geldbeutel im Schnitt sogar „nachhaltiger“. Trotzdem oder gerade deswegen müssen Konzepte für nachhaltigen Konsum unbedingt auch immer die Frage der Leistbarkeit und die Verringerung sozialer Ungleichheit mitdenken. Deshalb stützt sich die AK-Studie Nachhaltiger Konsum in Anlehnung an die AK-Studie „Nachhaltiger Konsum und soziale Ungleichheit“ aus 2014 auf folgende Definition von nachhaltigem Konsum:

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Ärgernisse der KonsumentInnen: Überforderung, mangelnde Transparenz, Verantwortung der Politik

Nachhaltiger Konsum stellt für viele VerbraucherInnen eine Herausforderung dar. Die Fülle und Komplexität an Entscheidungen, die dafür zu treffen sind, kann häufig für Überforderung sorgen. Die zur Verfügung stehenden Informationen werden zum Teil als unvollständig oder zweifelhaft wahrgenommen, viele KonsumentInnen wünschen sich Maßnahmen zur Steigerung der Transparenz, wie z. B. verständliche Kennzeichnung zur Herkunft einzelner Bestandteile von Nahrungsmitteln. Häufig sehen KonsumentInnen weniger sich selbst und mehr die Politik in der Verantwortung, da sie sich gewissen Hürden für nachhaltigen Konsum wie geplanter Obsoleszenz und mangelnder Reparierbarkeit von Haushaltsgroßgeräten ausgeliefert fühlen und der Ärger entsprechend groß ist. Der Ruf nach einer Vereinfachung, im Sinne gesetzlicher Rahmenbedingungen, wird in folgendem Wunsch auf den Punkt gebracht: „Ich WILL mich nicht so lange damit befassen müssen ich will mich auf gute Qualität VERLASSEN können dürfen!“. Die Verantwortung wird bei der Politik gesehen – diese sollte „mehr Verantwortung übernehmen, dass ökologisch schlechte Produkte gar nicht erst in Geschäften landen“ und „falsche“ Entscheidungen und nicht-nachhaltiges Handeln im Konsumalltag weniger häufig auftreten können. In mehreren Konsumfeldern wird auch das Problem fehlender Kostenwahrheit adressiert. So ärgern sich im Bereich Lebensmittel viele VerbraucherInnen über Billigfleisch und im Bereich des Reisens über zu hohe Preise für den Zug und zu niedrige fürs Fliegen.

Nachhaltiger Konsum braucht entsprechende Infrastruktur

Die Studie „Nachhaltiger Konsum“ zeigt klar, dass nachhaltiger Konsum nicht nur ein Thema für „Bobos“ ist, sondern in vielen Bereich insbesondere für Haushalte mit geringem Einkommen wichtig. Was braucht es, damit nachhaltiger Konsum eben keine Kostenabwälzung auf Einkommensschwächere wird, sondern zum Abbau sozialer Ungleichheit beiträgt? Eine entsprechende Infrastruktur für nachhaltigen Konsum. Da nachhaltiger Konsum so breit ist wie die Palette an Konsumbereichen, in denen ein Umdenken stattfinden muss, spiegelt sich diese Breite auch in den notwendigen konsumpolitischen Maßnahmen wider. Von zentraler Bedeutung sind im Sinne einer konsumentenfreundlichen Kreislaufwirtschaft verbesserte Rahmenbedingungen für Reparaturen („Recht auf Reparatur“) sowie die Verlängerung der Gewährleistungsfrist (je nach Produktgruppe fünf Jahre oder länger). Die europäische Ökodesign-Richtlinie muss auch auf nicht-energierelevante Produktgruppen ausgeweitet und besser überwacht werden. Zum besseren Schutz vor Greenwashing braucht es ein Pre-Approval-Scheme für „Grüne Behauptungen“ auf europäischer Ebene. Ein wirksames Lieferkettengesetz auf nationaler und internationaler Ebene würde den KonsumentInnen sogar eine grundlegende Absicherung bieten, dass menschenrechtliche und Umwelt-Standards eingehalten werden. Darüber hinaus ist mehr Transparenz für VerbraucherInnen im Bereich nachhaltige Finanzen sowie Kostenwahrheit bei Verkehrsmitteln für nachhaltiges Reisen nötig. Denn in einem entsprechenden Umfeld klimasozialer Maßnahmen kann nachhaltiger Konsum einen wesentlichen Beitrag leisten – und dient nicht zur Abwälzung von Verantwortung auf VerbraucherInnen. Durch einen zeitgemäßen Konsumentenschutz kann die Rolle der KonsumentInnen in der sozial-ökologischen Transformation gestärkt werden.

Nähere Informationen zu den Ergebnissen und notwendigen konsumpolitischen Forderungen finden sich in der Studie Nachhaltiger Konsum.

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