Gewerkschaften und Beschäftigte sollten in den Umwelt- und Klimadiskussionen eine zentrale Rolle spielen. Denn Umweltfragen sind immer Verteilungsfragen und betreffen daher vor allem die Beschäftigten. Innerhalb der Gewerkschaften wird daher zunehmend die ökologische Krise diskutiert, und es werden entsprechende Politiken formuliert. Die Ambivalenzen von Wirtschaftswachstum, der Exportorientierung der österreichischen Wirtschaft und einem oft zu engen Verständnis von sozialer und ökologischer Modernisierung bleiben Herausforderungen für die Gewerkschaften. Doch die Auflösung dieser Ambivalenzen wäre für einen sozial-ökologischen Umbau der Industriegesellschaft notwendig.
Gewerkschaften und Ökologie
In den letzten Jahren gibt es in den Gewerkschaften und bei den Beschäftigten wieder eine Sensibilität für die ökologischen und damit verbundenen sozialen Probleme. Doch in der öffentlichen Diskussion werden Gewerkschaften und Beschäftigte weiterhin eher als „Bremser“ bei der notwendigen Neugestaltung von Wirtschaft, Politik und Gesellschaft gesehen. Insbesondere die Industriegewerkschaften stehen im Hinblick auf ökologische Fragen vor einem Dilemma: Einerseits sind viele gut bezahlte Arbeitsplätze und eine starke gewerkschaftliche Organisationsmacht insbesondere in jenen Branchen anzutreffen, die aus ökologischer Sicht in der aktuellen Form nicht zukunftsfähig sind. Zugleich sind die mittelfristigen Aussichten in einigen Branchen wie etwa der Automobilindustrie unsicher. Andererseits werden einzelne Branchen vom sozial-ökologischen Umbau eher profitieren. Dazu zählen der Maschinenbau oder die Elektroindustrie – und auch die dortigen Beschäftigten sind gewerkschaftlich organisiert.
Gewerkschaften als zentrale Akteure
Aus politisch progressiver Perspektive kann es kein Interesse an einer weiteren Schwächung der Gewerkschaften geben. Vielmehr wird eine Jahrhundertaufgabe wie die sozial-ökologische Transformation nur gelingen, wenn derart relevante Akteure wie die Gewerkschaften darin eingebunden werden. Das heißt aber umgekehrt auch: Sozial-ökologische Aufgaben müssen zu Kernanliegen der Gewerkschaften werden. Das gilt allein schon deshalb, weil die ökologische Krise eine (globale) Klassendimension hat: Die Vermögenden können sich vor den Auswirkungen des Klimawandels und anderer Umweltveränderungen besser schützen, während die unteren Klassen deren Konsequenzen schon jetzt unmittelbarer zu spüren bekommen. Gleichzeitig sollten im Sinne einer Leistungsgerechtigkeit insbesondere die Vermögenden mehr Kosten der sozial-ökologischen Transformation tragen.
„Ökologie der Arbeit“
Interessant erscheint mir daher in den gewerkschaftlichen Debatten der Begriff der „Ökologie der Arbeit“, der im Umfeld der deutschen IG Metall und von ver.di diskutiert wird. Er umfasst „betriebliche, aber auch soziale und naturbedingte Aspekte der Verausgabung und Regeneration des menschlichen Arbeitsvermögens“, schließt Strategien für gute (Erwerbs-)Arbeit mit ein und steht im Kontext einer sozial-ökologischen Umbaustrategie, wie es im „Jahrbuch Gute Arbeit“ von 2018 mit dem Titel „Ökologie der Arbeit“ heißt. Natürliche Stoffkreisläufe und menschliche Arbeitskraft, so die richtige Diagnose, seien allesamt tendenziell überlastet und überausgebeutet, was die Reproduktion von Arbeitskraft und Natur gefährde. Ziel sei es daher, erstens die „Ökologisierung von Produktion, Konsumtion und Verteilung“ und zweitens „ein neues Regime der Verteilung von Einkommen, Vermögen und sozialen Lebenschancen“ zu etablieren sowie drittens „wirtschaftliche Entscheidungen und Strukturen“ zu demokratisieren.
Jenseits „ökologischer Modernisierung“
Diese wichtigen Anstöße aus der Debatte um eine Ökologie der Arbeit verweisen zugleich auf einige Probleme progressiver sozial-ökologischer Umbaustrategien: Zunächst bleiben die Gewerkschaften in einer „ökologischen Modernisierung“ verhaftet. Das zeigt sich beispielsweise bei der Positionierung der IG Metall, die für weitere Effizienzsteigerungen beim Verbrennungsmotor und den Ausbau der E-Mobilität plädiert. Elektroautos sind aber auch nicht nachhaltig, sondern haben ebenfalls einen großen Energie- und Ressourcenbedarf.
Dieses Problem zeigt sich aber auch daran, dass allgemein von einer Klimakrise gesprochen wird. So richtig das ist, so wichtig ist für die industrielle Produktion aber eine zweite Dimension: die Frage der natürlichen Rohstoffe, denn diese werden zum Großteil importiert. Es gibt einen enormen Preisdruck auf die Rohstoffproduzenten. Die Gewinnung der Rohstoffe geht teilweise mit erheblichen Konflikten einher, aufgrund von Widerständen der lokalen Bevölkerung, der Lebensgrundlagen wie sauberes Wasser oder fruchtbares Land entzogen werden. Der nationale und vor allem internationale materielle Input, den das deutsche Produktionsmodell benötigt, wird von den Gewerkschaften viel zu wenig berücksichtigt. Bezögen sie diesen Umstand genauer ein, müssten sie zu dem Schluss kommen, dass die Industrieproduktion stark reduziert werden muss. Denn ökologisch geboten ist eine drastische Reduktion des Verbrauchs von Rohstoffen. Das bedeutet aber auch, dass gute Erwerbsarbeit für die Beschäftigten weiterhin zentral ist, gepaart mit einer gerechten Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit in der Gesellschaft. Doch ein sozial-ökologischer Umbau bedeutet, dass nicht jeder Erwerbsarbeitsplatz erhalten bleiben wird. Und: Eine ökologisch nachhaltige Gesellschaft geht mit weniger industrieller Landwirtschaft und Massenfertigung sowie teilweise auch mit mehr Arbeit einher.
Exportorientierung als blinder Fleck
Hochgradig internationalisierte Ökonomien wie die österreichische sind auf den permanenten Zufluss von Rohstoffen und auf stabile Absatzmärkte angewiesen. Doch die damit einhergehenden internationalen Verflechtungen und ihre ökologischen Implikationen thematisieren die Gewerkschaften nur unzureichend. Die Gewerkschaften fordern durchaus regulatorische Rahmenbedingungen, um einen Verdrängungswettbewerb zu vermeiden und um faire Arbeitsrechte bzw. Umweltstandards aufrechtzuerhalten bzw. global zu etablieren. Doch auf internationaler Ebene setzen die Unternehmen aus exportstarken Ländern die Firmen und Branchen andernorts unter Druck. Das wird zu wenig thematisiert.
Wachstumsfrage als Machtfrage
Ein weiteres Problem der gewerkschaftlichen Debatte ist: In ihrer übergroßen Mehrheit plädieren die Gewerkschaften für nachhaltiges Wachstum sowie für ökonomisches Wachstum in einem neuen Entwicklungsmodell. Doch beim kapitalistischen Wachstum geht es Elmar Altvater zufolge um den Zusammenhang von Profitabilität, Rentabilität und Rendite sowie der Nutzung fossiler Energieträger. Und genau diesen Zusammenhang sollten sozial-ökologisch ausgerichtete Gewerkschaften kritisch sehen. Heute ist nichts weniger geboten als eine grundlegende Infragestellung des kapitalistischen Wachstumsimperativs – angesichts der offensichtlichen ökologischen Probleme, aber auch angesichts abnehmender Wachstumsraten im Westen. Denn das kapitalistische Wachstumsmodell schafft durchaus materiellen Wohlstand für mehr oder weniger Menschen und staatlichen Handlungsspielraum. Es zementiert aber auch die Macht der Kapital- und Vermögensbesitzer.
Die Gewerkschaften könnten auch die Impulse der wachstumskritischen Debatte stärker aufnehmen. Die Degrowth-Perspektive zielt auf ein Wohlstandsmodell, das individuelle und kollektive Bedürfnisse auf sozial und ökologisch verträgliche Weise befriedigt, also nicht auf Kosten anderer und der Natur.
Wohlstand ganz anders
Im Hinblick auf die Kritik der einseitigen wirtschaftspolitischen Orientierung am Wirtschaftswachstum und der Notwendigkeit eines anderen Wohlstandsverständnisses und -modells hat die AK wichtige Vorschläge gemacht. Wachstumskritik, die sich nicht nur auf Nischen und „grünen“ Konsum beschränkt, beschäftigt sich mit der Verfügung über Produktionsmittel und der Gestaltung von Investitionen: Gemeinschaftliches öffentliches Eigentum (z. B. sozialer Wohnbau, öffentliche Energieversorgung, öffentlicher Verkehr) ist eine notwendige Bedingung, um die Abhängigkeit von kapitalistisch getriebenem Wachstum zu reduzieren.
Für die Gewerkschaften ist diese Wachstumskritik auch deswegen bereichernd, weil es in Kollektivvertragsverhandlungen zunehmend um die Frage „Mehr Zeit oder mehr Geld?“ geht. Die Antwort darauf zeigt zumindest in den mittleren und oberen Lohngruppen interessante Verschiebungen: Immer mehr Beschäftigte wollen eine Verkürzung der Arbeitszeit. Die IG Metall hat dies in Deutschland, wie zuvor schon die PRO-GE hierzulande, in ihrem aktuellen Tarifvertrag stark verankert – und damit ein wichtiges Fenster geöffnet. Arbeitszeitverkürzung wird ein wichtiges Element sein, um die ökologisch problematischen Branchen umzubauen.
„Trade Unions for Future“?
Eine sozial-ökologische Wende muss gegen das Kapital und jene PolitikerInnen, die es unterstützen, erkämpft werden. Zentral ist dabei die Politisierung von Fragen wie Arbeitszeitverkürzung oder einer stärkeren Gebrauchswertorientierung der Produktion, etwa in Form eines starken öffentlichen Sektors. Hier könnten Klima-, Degrowth- und ArbeiterInnenbewegung zusammenkommen. Es ist daher richtig, dass die Gewerkschaften in Österreich den Dialog zum Thema Klimawandel mit den VertreterInnen verschiedenster Institutionen, NGOs und Organisationen (z. B.: Attac, Global 2000, Fridays for Future und Wiener Stadtwerke) fördern und gemeinsam öffentlich wahrnehmbar werden.
Damit daraus ein dauerhaftes Bündnis entsteht – und hier stimmt die Kritik der Gewerkschaften an vielen sozialen Bewegungen –, müssen auch Umweltbewegte sich auf die Lebensrealitäten und Sichtweisen der Beschäftigten im Kohle-, Stahl-, Chemie- oder Automobilsektor einlassen.