Eine Erhebung des Status quo der Nachhaltigkeitstransparenz österreichischer Unternehmen
1. Hintergründe
Die Anforderungen an Unternehmen in puncto Nachhaltigkeit sind seit geraumer Zeit im Steigen begriffen. Druck kommt einerseits von der Gesellschaft im Allgemeinen, im Besonderen aber auch von den Kapitalmärkten – infolge von Regularien wie der Sustainable-Finance-Initiative der EU sind Finanzmarktteilnehmer heute verpflichtet, auf Basis von Nachhaltigkeitsdaten ihre Geschäftsbeziehungen auszugestalten. Der Bedarf nach solchen Daten wurde auf EU-Ebene lange Zeit durch eine Richtlinie aus 2014 adressiert, durch die Non-Financial Reporting Directive (NFRD). Doch angesichts zahlreicher Mängel konnte die bisherige österreichische Implementierung der Vorgaben dieser Richtlinie durch das Nachhaltigkeits- und Diversitätsverbesserungsgesetz (NaDiVeG) keine Berichterstattung ermöglichen, die den Ansprüchen der Stakeholder gerecht wird.
Eine der größten Hürden stellt derzeit die geringe Anzahl der Unternehmen dar, die unter die Berichtspflicht fallen. Es existiert nicht einmal ein Verzeichnis, aus dem sich überhaupt die Zahl dieser Unternehmen herauslesen lässt. Weiters fehlt es in den gegenwärtigen Bestimmungen zur nicht-finanziellen Berichterstattung gemäß NaDiVeG an klaren Vorgaben zu den Inhalten der Berichterstattung und auch einer externen Prüfungspflicht; all dies geht zulasten der Vertrauenswürdigkeit der Informationen in diesen Berichten.
All diese Defizite sollen nun durch die Jänner 2023 in Kraft getretene Corporate Sustainability Reporting Directive (CSRD) adressiert werden. Unter anderem soll der Umfang und die Tiefe der Berichtspflichten ausgeweitet werden: Das bedeutet, dass einerseits die Zahl der berichtspflichtigen Unternehmen massiv ausgeweitet wird und dass andererseits auch die inhaltlichen Vorgaben an die Berichterstattung ausführlicher formuliert werden. Dazu werden neue europäische Standards für die Nachhaltigkeitsberichterstattung (European Sustainability Reporting Standards, ESRS) eingeführt, welche verpflichtend als Basis für die Berichterstattung heranzuziehen sind.
2. Studie der AK Wien
Mit all diesen regulatorischen Veränderungen gehen auch beträchtliche Anforderungen einher, mit denen sich Unternehmen in der EU konfrontiert sehen. Vor diesem Hintergrund wurde von der AK Wien eine Studie in Auftrag gegeben, die den Status quo der nicht-finanziellen Berichterstattung nach den gegenwärtig geltenden Vorgaben untersucht. Diese erzielten Befunde wurden in der Folge den neuen Vorgaben gemäß CSRD gegenübergestellt.
Bereits im Jahr 2019 wurde eine erste derartige Studie veröffentlicht. Damals konnten zahlreiche Entwicklungsfelder festgestellt werden; die Vorgaben des NaDiVeG wurden in Teilen nur unzureichend implementiert bzw. über die bloße Berichterstattung hinaus in den Unternehmen integriert.
Zunächst wurde angestrebt, ein möglichst umfassendes Sample zu erheben. Gefunden werden konnten so 75 Unternehmen, die auf freiwilliger oder verpflichtender Basis Berichte im Einklang mit den Vorgaben des NaDiVeG veröffentlichten. Diese Berichte waren Gegenstand der Untersuchung. Sie wurden mittels Inhaltsanalyse nach Kriterien ausgewertet, die sich aus der CSRD und aus der bereits 2019 durchgeführten Studie ergaben. Die vier zentralen Analysedimensionen waren „NFRD-Übereinstimmung“, „Angaben gem. Taxonomie-VO“, „Sustainable Corporate Governance“ und „Ausblick auf die CSRD“.
Aufgrund der teils sehr spät im Kalenderjahr angesiedelten Berichtsstichtage konnten für die Studie die für das Geschäftsjahr 2021 bzw. 2021/22 veröffentlichten Daten ausgewertet werden.
3. Ergebnisse der Studie
Verglichen mit den Befunden der Vorgängerstudie konnten deutliche Weiterentwicklungen in den Unternehmenspublikationen festgestellt werden. Dabei erfolgte merklich eine Orientierung an den absehbaren neuen Vorgaben.
Beispielsweise wurden vermehrt externe Prüfungen in Auftrag gegeben. Ebenso haben Unternehmen damit begonnen, die berichteten Nachhaltigkeitsthemen auszuweiten. Nichtsdestotrotz sollte angemerkt werden, dass die Heterogenität in der Berichterstattung auch in qualitativer Hinsicht weiterhin erkennbar ist und die Nutzbarkeit für viele Adressaten erschwert.
Gewisse Vorgehensweisen – wie etwa die Veröffentlichung gesonderter nicht-finanzieller Berichte als eigenständige Dokumente – herrschen weiterhin vor. Und auch der Einsatz von international etablierten Standards und Rahmenwerken in der Berichterstattung hat sich weiter etabliert; zuvorderst sind dabei die Standards der Global Reporting Initiative (GRI) zu nennen, aber auch US-amerikanische Standards wie jene des ehemaligen Sustainability Accounting Standards Board (SASB) sind vertreten. Dies ist ein weiteres Indiz dafür, dass Nachhaltigkeitsberichterstattung global immer weiter zugewinnt. Immer besser können Unternehmen außerdem ihre Berichtsgrenzen abstecken und so auch eine vollständigere Abbildung in ihren Grenzen erzielen.
Ein besonderer Schwerpunkt vieler veröffentlichter Berichte liegt auf der Wesentlichkeitsanalyse. Diese ist das „Herzstück“ der neuen Berichtspflichten und zukünftig gemäß CSRD streng geregelt. Schon heute lässt sich aber eine zunehmend ausführlichere Berichterstattung zu den Vorgehensweisen und Analyseergebnissen feststellen. Auch die Aktualität scheint in den allermeisten Fällen gegeben, haben sich doch Aktualisierungszyklen im Umfang von ein bis drei Jahren etabliert.
Noch nicht durchgängig auf hohem Niveau implementiert sind Vorgaben zu den Nachhaltigkeitsrisiken, die der Wesentlichkeitsanalyse zugrunde liegen; und auch die Due-Diligence-Mechanismen, mit denen Unternehmen vor allem auf die Gefahr negativer Auswirkungen auf Umwelt und Gesellschaft vorbereiten.
Dies führt zum nächsten wichtigen Aspekt: Ein Kernelement der neuen Vorgaben betrifft die „Sustainable Corporate Governance“. Damit Nachhaltigkeitsberichte nicht zu einer bloßen „Checkbox-Übung“ verkommen, ist es wichtig, sie in einen laufenden Sorgfaltsprozess in Sachen Nachhaltigkeit zu integrieren. Die CSRD sowie die damit eingeführten ESRS zeigen klaren Nachdruck in diese Richtung. In den untersuchten Berichterstattungen lässt sich dies aber nur zum Teil erkennen: Über Due-Diligence-Mechanismen wird nur sehr eingeschränkt berichtet. Themen wie die Verantwortlichkeiten von Vorstand und Aufsichtsrat, im Besonderen aber auch die Integration von Nachhaltigkeit in die Vergütungssysteme, sind noch ausbaufähig.
Vergleichsweise besser haben die untersuchten Unternehmen auf das Themenfeld der „Strategie“ fokussiert. Eigene Nachhaltigkeitsstrategien finden sich immer häufiger dargestellt, oftmals als Teil einer allgemeinen Unternehmensstrategie oder auch als separate Nachhaltigkeitsstrategie. Auch hier besteht freilich noch Potenzial, gerade im Lichte der zukünftigen Berichtspflichten, die auch Darstellungen zur Beziehung zwischen Strategie und Geschäftsmodell erfordern und damit entsprechendes Reflektieren unumgänglich machen. Dies ist zugleich der Schlüssel zur (nachhaltigen) Verhaltensänderung, welche die EU-Regulatorik letztlich anstrebt.
Darüber hinaus wurden die für das Geschäftsjahr 2021 erstmals zu veröffentlichenden Angaben gemäß Taxonomie-VO untersucht. Das dabei gewonnene Bild ist aber wenig aussagekräftig: Viele Berichterstattungen sind sehr rudimentär ausgefallen, die ermittelten Kennzahlen sind sehr weit gestreut und oftmals für außenstehende Dritte wenig nachvollziehbar. Diese Defizite sind jedoch zum Teil eher den neuen und in vielen Punkten unklaren Vorgaben der Taxonomie-VO selbst anzulasten, die einerseits ein Schlüsselelement in den Sustainable-Finance-Überlegungen der EU darstellt, andererseits noch immer „work in progress“ ist.
4. Ausblick
Die vorliegende Studie hat gezeigt, dass strukturelle Veränderungen in der Berichterstattung österreichischer Unternehmen notwendig sind. Die Praxis der letzten Jahre hat sich kontinuierlich weiterentwickelt, allerdings sind die Vorgaben sehr ambitioniert. Dies erfordert nicht zuletzt notwendige Investitionen in neue Stellen, die in den Unternehmen entstehen werden, in zugrundeliegende Systeme und Prozesse.
Eine Nachhaltigkeitsberichterstattung im Sinne der CSRD einzuführen geht weit darüber hinaus, einen neuen Unternehmensbericht zu erstellen. Über die zuvor geschilderten Anpassungs- und Weiterentwicklungsbedarfe im Unternehmen werden diese auch einem Kulturwandel unterzogen, an dessen Ende eine Öffnung gegenüber den Stakeholdern und deren Anliegen steht; ein neues Verständnis über die Rolle und Verantwortung eines Unternehmens in der Gesellschaft. Dies ist eine Chance – nicht nur für die Gesellschaft, sondern zuvorderst auch für die Unternehmen selbst.