Die Wirtschaft stagniert, ein Aufschwung wird in der zweiten Jahreshälfte erwartet. Nach mehreren Jahren Rekordinflation ist die Verunsicherung in der Bevölkerung hoch, zudem investieren Unternehmen derzeit wenig. Die Politik ist gefordert, gute Beschäftigung für alle zu ermöglichen. Preisschocks müssen gezielt beobachtet und bekämpft werden. Die Fiskalpolitik darf den Aufschwung nicht gefährden, dafür braucht es gerecht verteilte Steuereinnahmen und Ausgabenspielräume. Der ökologische Umbau wird nur sozial, mit aktiver Planung und ausreichend Mitteln für Investitionen gelingen.
Aufschwung und Arbeitsmarkt noch verhalten
Die Umsätze in Industrie und Bau sind derzeit noch rückläufig, die Talsohle scheint aber erreicht zu sein. Das BIP ist im 1. Quartal um 0,2 Prozent gewachsen. Das WIFO hat die Wachstumsprognose minimal nach unten korrigiert auf nun 0,0 Prozent reales BIP 2024 und +1,5 Prozent 2025. Die unternehmerischen Erwartungen sind noch pessimistisch, auch wenn sie sich laut Bank Austria Konjunkturindikator in den letzten Monaten deutlich verbessert haben. Die Inflation sinkt bis 2025 auf 2,5 Prozent, problematisch bleibt aber der Abstand zur Eurozone (zuletzt 0,7 Prozentpunkte). Sozialpolitisch höchst problematisch bleibt jedoch, dass die Mieten weiterhin Inflationstreiber sind – im Mai zuletzt mit einem Plus von 7,3 Prozent. Sie machen damit nach wie vor ein Zehntel der Teuerung aus. Seit Beginn der Teuerungskrise 2021 sind die Preise für Wohnen und Energie um ein Drittel gestiegen.
Am Arbeitsmarkt steigt die Arbeitslosigkeit (inkl. Schulungsteilnehmer:innen) gemäß WIFO heuer auf 366.300 Personen (+25.000 Personen gegenüber 2023) bei gleichzeitig steigender Beschäftigung. Damit zeigt sich auch ein Versagen der Arbeitsmarktpolitik – trotz Arbeitskräfteknappheit und vielen offenen Stellen steigt die Arbeitslosigkeit stark an. Insbesondere die Jugendarbeitslosigkeit hat deutlich zugenommen. Im Mai waren 56.713 Personen bis 24 Jahre arbeitslos oder in Schulung – ein Plus von 10,4 Prozent zum Vorjahr!
Klimaziele werden verfehlt und Unsicherheit steigt
Ein Blick auf die Beyond-GDP-Indikatoren der WIFO-Prognose zeigt, dass die Treibhausgasemissionen nur schleppend sinken. Zudem zeigen die neuen Kennzahlen über die Verteilung der Einkommen, dass diese über den Zeitverlauf zwar sehr stabil sind, die Armutsgefährdung und die Einkommensungleichheit dieses Jahr jedoch markant steigen werden.
Aufgrund der fehlenden Maßnahmen zur Inflationsbekämpfung in den letzten Jahren und der anhaltend hohen Zinsen der EZB bleibt die Unsicherheit in Österreich groß. Der kommende Aufschwung ist maßgeblich von den Konsumausgaben getragen. Die Reallöhne haben dank der Kollektivvertragsabschlüsse die Verluste der letzten Jahre wettgemacht. Gleichzeitig sparen die Haushalte mehr als in den letzten Jahren, um mögliche Einkommensschwankungen und die Unsicherheit auszugleichen. Um das Vertrauen zu stärken und damit der bevorstehende Konjunkturaufschwung sozial gerecht und ökologisch nachhaltig gestaltet wird, bleibt also viel zu tun. Vier Risiken könnten jedoch dazu führen, dass die positive wirtschaftliche Entwicklung nicht bei der breiten Bevölkerung ankommt.
Vier Risiken, dass der Aufschwung nicht zu mehr Wohlstand führt
1. Herausforderungen am Arbeitsmarkt werden nicht adressiert
Die jüngste Prognose zeigt, dass die Arbeitslosenquote bis 2025 mit 6,7 Prozent zwar im Vergleich zu diesem Jahr sinken wird, jedoch weiterhin über dem Niveau von 2023 (6,4 Prozent) liegen wird. Darin sind jedoch weder die stille Reserve abgebildet noch wie viele Personen in einem Niedriglohnsektor arbeiten müssen. Die aktuelle Situation der Arbeitskräfteknappheit kann dabei als Chance gesehen werden, da die Verhandlungsmacht für Arbeitnehmer:innen deutlich gestärkt wird.
Anstatt nicht erwerbstätige Personen durch die Kürzung von Sozialleistungen unter Druck zu setzen, müssen attraktive Angebote für Hunderttausende Menschen gefunden werden, darunter 351.000 Arbeitslose (davon 81.000 Langzeitbeschäftigungslose), 345.000 nicht erwerbstätige Personen – die stille Reserve – und 298.000 Niedriglohnbeschäftigte. Dabei ist es besonders wichtig, die Hürden, die sie von guter Beschäftigung fernhalten, ernst zu nehmen. Für Langzeitarbeitslose braucht es Angebote wie den Ausbau öffentlicher Beschäftigung und die Förderung von Projekten in Richtung einer Jobgarantie. Für Personen mit Betreuungspflichten ist die Einrichtung einer flächendeckenden und qualitativ hochwertigen Kinderbetreuung ausschlaggebend.
Ein besonderer Schwerpunkt muss darüber hinaus auf leicht zugänglichen und diskriminierungsfreien Qualifizierungsmaßnahmen liegen. Die Ausbildung von Fachkräften, die für den sozialökologischen Umbau dringend benötigt werden, sollte dabei besonders im Fokus stehen. Um Beschäftigte und Arbeitssuchende bei ihrem Aus- und Weiterbildungsbedarf zu unterstützen, sind ein ausfinanziertes AMS sowie eine proaktive Berufs- und Qualifizierungsberatung notwendig. Dies würde für viele nicht nur bessere Chancen für einen guten Arbeitsplatz bedeuten, sondern auch den konjunkturellen Aufschwung und sozialökologischen Umbau unterstützen. Zudem erfordert die besorgniserregend hohe Jugendarbeitslosigkeit besonders dringend Maßnahmen, die jungen Menschen eine gute Perspektive für ihre Zukunft bieten, wie beispielsweise der „Ökobooster“.
2. Falsche Prioritäten bei der Inflationsbekämpfung und zu zögerliche Zinssenkungen der EZB
Die hohen Inflationsraten der letzten Jahre haben ein massives Versagen der wirtschaftspolitischen Steuerung aufgezeigt. Die Reaktionen der EU-Mitgliedsstaaten zeigten dabei große Unterschiede. Während die österreichische Regierung v. a. die negativen Auswirkungen durch Sozialpolitik und Unternehmenssubventionen bekämpfte, griffen andere Länder wie Spanien aktiv in den Energiemarkt und in die Mietenpreise ein. Auch der Verbund-Chef lobte kürzlich das spanische Modell, bei dem der Gaspreis vom Strompreis entkoppelt wurde. Aufgrund der fehlenden Markteingriffe ist das österreichische Preisniveau seit Anfang 2021 um 23 Prozent gestiegen (Eurozone: +20 Prozent, Spanien: +19 Prozent). Österreich ist zudem auf weitere Preisschocks nicht vorbereitet.
Generell stützt sich die EU bei steigenden Preisen weiterhin viel zu sehr auf die restriktive Geldpolitik der Europäischen Zentralbank (EZB). Die Geldpolitik hat auf Preisschocks, z. B. bei Energie oder Nahrungsmittel, jedoch keine adäquaten Antworten. Entweder bleibt sie untätig, oder reagiert mit Leitzinserhöhungen, die massive Auswirkungen auf die ganze Volkswirtschaft haben. Mit hohen Leitzinsen wird die Nachfrage – insbesondere nach dringend benötigten öffentlichen und privaten Investitionen – abgewürgt, ohne dass die Ursachen der Inflation gezielt bekämpft werden. Leitzinserhöhungen führen zu höherer Arbeitslosigkeit, die in Europa zugunsten niedriger Inflation viel zu lange schon geduldet wurde. Sie haben zudem keinen eindeutigen Einfluss auf die Preisgestaltung von Unternehmen.
Preisschocks müssen gezielt beobachtet und bekämpft werden. Die EZB wiederum sollte rascher ihre Leitzinsen senken. Mit einer Niedrigzinspolitik würden die Zinsen auf Staatsanleihen sinken, während im privaten Bereich Klimainvestitionen, die besonders auf Zinsschwankungen reagieren, ermöglicht werden.
3. Eine zu restriktive Budgetpolitik gefährdet den Aufschwung und fair verteilten Wohlstand
Die aktuelle Bundesregierung hinterlässt keine budgetären Handlungsspielräume und erhebliche Budgetrisiken. In den letzten Jahren wurden Sozialstaatsbeiträge und die Körperschaftsteuer gesenkt. Profitiert haben davon hauptsächlich größere Unternehmen. Auch die derzeit sehr hohen Zinsen belasten das Staatsbudget. Die neuen EU-Fiskalregeln schränken den Spielraum weiter ein und werden in den nächsten Jahren zu einer Konsolidierung in Österreich führen. Dadurch drohen Kürzungen beim Sozialstaat (Austerität) als auch mangelnde Klimainvestitionen, die im Kampf gegen die Klimakrise jedoch dringend ausgeweitet werden müssen.
Die Konsolidierung muss daher gut und mittelfristig ausgestaltet werden. Dafür braucht es auf der Einnahmenseite eine faire Verteilung der Kosten, mit einem stärkeren Gewicht auf Millionärs-, Erbschafts-, Grund- und Körperschaftssteuern.
4. Der ökologische Umbau wird Marktmechanismen überlassen
In Österreich wurde es verabsäumt rechtzeitig Maßnahmen gegen die Klimaerwärmung zu setzen. Stattdessen wurde das Problem viel zu oft Marktmechanismen überlassen. Daher braucht es jetzt schnelle und gleichzeitig vorrausschauende Maßnahmen, um die Klimakrise abzuwenden und unsere Lebensgrundlage und die der nachfolgenden Generationen zu sichern. Im Zentrum des sozialen und ökologischen Umbauplans für unsere Gesellschaft stehen Investitionen der öffentlichen Hand, insbesondere in den Bereichen Verkehr, Gebäude und Energie. Diese Investitionen haben nicht nur ein massives Potenzial CO2-Emissionen einzusparen. Sie helfen auch, den Konjunkturaufschwung zu stützen, drohenden Preissteigerungen entgegenzuwirken und positive Beschäftigungseffekte zu erzielen. Für die Finanzierung von Klimainvestitionen in Kooperation mit allen Mitgliedsstaaten der EU braucht es daher einen dauerhaften und gut dotierten EU-Klimainvestitionsfonds.
Eine besondere Rolle beim sozialökologischen Umbau innerhalb von Österreich spielen zudem Städte und Gemeinden, die die Grundversorgung der Menschen garantieren. Diese sind jedoch nach wie vor zu großen Teilen auf den Einsatz fossiler Brennstoffe angewiesen. Damit die positive Wirkung öffentlicher Investitionen überall in Österreich ankommt, brauchen die chronisch unterfinanzierten Städte und Gemeinden in Österreich breitere Finanzierungsmöglichkeiten in Form eines kommunalen Klima-Investitionsfonds.
Fazit: Die Politik ist gefordert, dass Wohlstand bei allen ankommt
Die von uns skizzierten vier Risiken sind bewältigbar. Die neue EU-Kommission und die im Herbst neu gewählte Bundesregierung müssen die strukturellen Probleme mutig angehen. Dafür braucht es einen klaren Fokus auf gute Beschäftigung für alle und europäische Kooperation bei der Bekämpfung von Preisschocks und der Klimakrise.