Die verbor­gene Seite des Wohl­stands: Globale Waren­ketten sind Verschmutzungs­ketten

25. Juni 2024

Viele Produkte unseres Alltags werden in globalen Warenketten gefertigt. Die ökologischen und sozialen Folgen dieser Produktion treten in den Abbau- und Produktionsstätten auf. Diese „Verschmutzungsoasen“ sind weit entfernt von den Menschen, die die Produkte schlussendlich kaufen und verwenden. Und es wird nicht besser: Grüne Technologien und höhere Energieeffizienz hierzulande sind eine unzureichende Antwort auf den zusätzlichen Rohstoffbedarf, der aus Digitalisierung und Energiewende erwächst. Es braucht eine absolute Reduktion beim Materialverbrauch und hohe ökologische und menschenrechtliche Standards an den Produktionsstätten.

Zu Hause sauber, Verschmutzung anderswo

Standorte sind sehr ungleich in globale Produktionsnetzwerke einbezogen. „Saubere“, regulierte und wissensbasierte Tätigkeiten verbleiben überwiegend im Globalen Norden. Dazu gehören etwa Produktentwicklung, Logistik und Marketing. Umweltschädigende, emissionsintensive Produktionsschritte und die Rohstoffextraktion finden hingegen überwiegend im Globalen Süden statt.

Länder mit hohem Einkommen verlagern so den Umweltverbrauch, der mit ihrem Konsum einhergeht: nicht nur auf zukünftige Generationen, sondern auch hin zu Menschen und Orten anderswo auf der Welt. Das trifft auch auf Österreich zu. Für die österreichischen Importe an Gütern und Dienstleistungen – sei es für die Weiterverarbeitung oder für den Endkonsum – werden in ärmeren Volkswirtschaften hohe Emissionen und ökologische Schäden verursacht.

Verschmutzungsoasen in globalen Warenketten

Die ökologischen und sozialen Kosten dieser ungleichen „Arbeitsteilung“ tragen die Menschen an den Produktionsstätten: die Arbeiter:innen, die zu miserablen Löhnen und oft unter Missachtung grundlegender Rechte in den Weltmarktfabriken, Plantagen und Minen arbeiten, und die lokale Bevölkerung, die in der Nähe dieser Produktionsstätten lebt. Diese Orte sind die Verschmutzungsoasen in globalen Lieferketten.

Der Bergbau ist energieintensiv und mit hoher Materialintensität verbunden. Wasser wird entlang des gesamten Förderprozesses benötigt, und zwar in enormen Mengen. Giftige Rückstände verschmutzen Gewässer und Böden, Abfallgestein lagert auf Dauer an den Produktionsstätten. Das globale Agrobusiness verwandelt Wälder und Savannen im Globalen Süden in Monokulturen. Unter Einsatz von fossiler Energie und Wasser, Kunstdünger und Pestiziden wachsen dort Energiepflanzen und Futtermittel für den Export. Für den Agrochemiekonzern Bayer, der Saatgut und toxische Pestizide vertreibt, ist das ein Milliardengeschäft. Für die Menschen vor Ort bedeutet es Nahrungsunsicherheit und gravierende Gesundheitsauswirkungen, verdreckte Wasserquellen, verseuchte Böden und Entwaldung. Auch die Produktionsstätten für Bekleidung und IT-Produkte sind Verschmutzungsoasen, unter anderem durch Chemieeinsatz, Süßwasserverbrauch und Emissionen.

Was tun für Klima- und Rohstoffgerechtigkeit?

Eine Steigerung der Rohstoffproduktivität und Energieeffizienz hierzulande ist keine ausreichende Antwort auf die Klimakrise. Solche Maßnahmen können gar einer Dekarbonisierung zuwiderlaufen. Denn emissionsarme Fertigung und Dienstleistungsinputs sind auf Rohmaterialien und Zwischengüter angewiesen, die anderswo unter hohem Ressourcenaufwand und Umweltverbrauch abgebaut bzw. hergestellt werden. Strengere Auflagen in unseren Breiten können solche Verlagerungen sogar noch vorantreiben.

Wir brauchen Rohstoffe und Mineralien für die drängende Energiewende. Auch mehr Digitales bedeutet nicht unbedingt weniger Material- und Energieeinsatz. Deshalb muss genau überlegt und geplant werden, wofür die begrenzt verfügbaren Rohstoffe und Mineralien eingesetzt werden – zum Beispiel für erneuerbare Energieinfrastruktur und eine Mobilitätswende statt für individuelle E-Mobilität. In den Abbau- und Produktionsstätten müssen die höchsten menschenrechtlichen und ökologischen Standards gelten. Und schließlich braucht es eine bestmögliche Kreislaufnutzung, um den absoluten Verbrauch von Rohstoffen deutlich zu reduzieren.

Fazit

National oder rein europäisch gedachte Transformationsstrategien greifen zu kurz. Angesichts globaler Warenketten muss jede nationale Maßnahme, die ernsthaft auf eine sozial-ökologische Transformation zielt, ihre grenzüberschreitenden Effekte berücksichtigen.

Call for action

  • Inländischen Materialverbrauch senken und mit Kreislaufwirtschaft ernst machen.
  • Rohstoffe, Produkte und Vorprodukte, die wir auch in Zukunft benötigen, müssen unter höchsten menschenrechtlichen und ökologischen Standards abgebaut, genutzt und weiterverarbeitet werden.
  • Transnationale Unternehmen müssen auf globaler Ebene (UN Treaty) rechtlich verbindlich auf menschenrechtliche und ökologische Sorgfalt verpflichtet werden, ohne dass sie die Kosten für ökologische Aufwertungsprozesse den Zulieferern im Globalen Süden aufbürden.
  • Handels- und Investitionsabkommen müssen wirksame und durchsetzbare Bestimmungen zum Schutz von Menschenrechten, Arbeitsrechten und der Umwelt enthalten.
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