Die jetzige Situation der doppelten Transformation (digital und grün) ist eine industrielle Revolution. Maßgeblich sind hier neue Technologien, die diese Transformationen prägen. Die EU strebt angesichts großer globaler Dynamik im Rahmen des Green Deal Industrial Plan (GDIP) und des Net-Zero Industry Acts (NZIA) Produktionsziele von 40 Prozent für kritische Technologien an und treibt diese Strategie gemeinsam mit einigen Mitgliedstaaten zügig voran. Dennoch ist sie sehr unter Druck geraten: „too little, too late“, gemessen an der rasenden weltweiten Entwicklung und den zu erreichenden Klimazielen, und gleichzeitig sehr überfordernd, wenn es darum geht, die notwendige Fülle der Maßnahmen in allen Mitgliedstaaten auf den Boden zu bringen. Die EU muss das Thema Technologiesouveränität aus ökonomischen, ökologischen und gesellschaftlichen Gründen bei der Transformation umfassend im Blick haben. Technologien werden eine maßgebliche Rolle in der Transformation spielen und sie werden wichtig sein, wenn die EU auch weiterhin eine Wohlstandsunion sein will.
Technische Innovation und Technologien sind in der Transformation in Richtung einer klimaneutralen und digitalen Zukunft (Twin Transition) ein zentraler Baustein. Technologien als auch Innovationsprozesse sind dabei eng verwoben mit gesellschaftlichen Strukturen, sozialen Beziehungen und Machtverhältnissen. Die Chancen für Wohlstand, die mit Forschung, Innovation und Technologien verbunden sind, sind evident. Als Motor wirtschaftlicher Entwicklung können sie den notwendigen Wandel in Richtung Klimaneutralität vorantreiben und gleichzeitig neue Felder erschließen, um dort auszugleichen, wo Beschäftigung und Wertschöpfung in Zukunft schrumpfen. Der Wettlauf um neue Technologien und Innovationen ist voll im Gange.
Patent it, Baby! Der Wettlauf um (grüne) Technologieführerschaft
Die EU steht im grünen und digitalen Strukturwandel vor einer großen Herausforderung. Das industrielle Rückgrat der Union bzw. wichtige Industriesegmente – von der Automobilindustrie über die Chemie bis hin zum Maschinenbau – beruhen auf technologischen Errungenschaften des 19. Jahrhunderts. Ausgehend von dem Punkt der global führenden Rolle in diesen Technologien wurde eine industriepolitische Strategie des Optimierens und Verbesserns verfolgt: eine die letzten Jahrzehnte erfolgreiche Strategie, die nun im Zuge eines tiefgreifenden Technologiewechsels hin zu digitalen und grünen Technologien jäh an ihre Grenzen stößt.
In einer solchen Situation kommt Forschung und Entwicklung eine besondere Bedeutung zu. Sie spielen eine wesentliche Rolle in der Umsetzung der Energiewende, bei Möglichkeiten zum sparsameren Umgang mit Energie und Ressourcen und im Aufbau einer kreislauffähigen Wirtschaft. Technologische Durchbrüche können die Kosten für die technisch notwendig gewordenen Systemumstellungen drastisch senken und damit ihre Durchsetzung beschleunigen. Nebenbei ermöglichen sie neue Geschäftsfelder, Beschäftigung und Wertschöpfung. Die Qualität und Zielrichtung unserer Forschungsaktivitäten sind ausschlaggebend dafür, wie fit unsere Wirtschaft für eine klimaneutrale & digitale Zukunft ist.
Im digitalen Bereich gelten die USA und Asien seit Langem als führend, der EU fällt es schwer, hiermit einen Umgang zu finden. Ähnliches könnte im Bereich der grünen Technologien passieren. Eine positive Nachricht ist, dass in den vergangenen Jahren die weltweiten Forschungsaktivitäten in grünen Technologien stark zugenommen haben. Neue Studien zeigen, dass sich die Zahl der Weltklassepatente (die als wichtiger Indikator gelten) im Bereich der grünen Technologien zwischen 2010 und 2022 von knapp 50.000 auf über 150.000 mehr als verdreifacht haben. Jedoch ist der wichtigste Akteur neben den USA und Japan neuerdings auch China. China hat in den letzten Jahren mit einem enormen Tempo aufgeholt und legt alles daran, die USA vom Spitzenplatz zu verdrängen (siehe Grafik). Die Volksrepublik greift mit ihren industrie- und wirtschaftspolitischen Strategien nicht nur die USA, sondern ebenso Europa in seinen Schlüsselindustrien an. Ein Beispiel für diese Strategien ist die „Made in China 2025“-Strategie.