Die meisten Menschen führen ihre Steuern ordnungsgemäß ab, doch einige wenige umgehen ihre Steuerzahlung und schaden damit der Allgemeinheit. Mit mehr Personal für Finanzprüfungen kann die sogenannte Steuerlücke verringert und die Fairness im Steuersystem erhöht werden. Zudem lassen sich dringend benötigte Mehreinnahmen für den Staat generieren.
Die Steuerlücke schadet uns allen
Die Steuerlücke misst die Differenz zwischen dem Steueraufkommen, das generiert werden sollte, wenn alle Akteur:innen ihre Steuern ordnungsgemäß abführen würden, und jenem Steueraufkommen, das tatsächlich erzielt wird. Schätzungen zum Umfang der Steuerlücke in Österreich belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.
Die Steuerlücke steht im Widerspruch zu Fairness und Verteilungsgerechtigkeit im Steuersystem. Denn während der Großteil der Steuerpflichtigen den Verpflichtungen nachkommt, verschafft sich ein anderer Teil durch die (illegale) Hinterziehung oder die (legale) aggressive Gestaltung von Unternehmenssteuern einen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit.
Das führt nicht nur zu einer allgemeinen Schwächung der Steuermoral, sondern auch dazu, dass dem Staat wichtige Einnahmen entgehen, die zum Ausbau der Infrastruktur und des Sozialstaates fehlen, etwa für Kindergärten, Schulen, Spitäler und Klimaschutz. Durch die neuen Fiskalregeln, die nach Covid- und Teuerungshilfen die fiskalischen Spielräume einengen, steigt die Dringlichkeit, die Effizienz des Steuersystems zu erhöhen und Steuerverluste zu minimieren.
„Brauchen Sie eine
Rechnung?“
Die Steuerlücke lässt sich bei praktisch allen Abgaben in unterschiedlichen Ausprägungen beobachten. Für die Einkommensteuer schätzen Bittschi und Langer (2021), dass 14 bis 20 Prozent der österreichischen Selbstständigeneinkommen gegenüber dem Finanzamt nicht deklariert, also hinterzogen werden. Beim Vergleich zwischen den Konsumausgaben von Selbstständigen und unselbstständig Beschäftigten zeigen sie, dass (einige) Selbstständige relativ zum (angeblichen) Einkommen wesentlich mehr für Lebensmittel ausgeben als Arbeitnehmer:innen mit gleichem Einkommen. Hochgerechnet könnten bis zu 5 Mrd. Euro der jährlichen Selbstständigeneinkommen hinterzogen und damit nicht versteuert werden.
Auch Betrug in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer ist eine gängige Form der Steuerhinterziehung. Dabei werden die Umsätze von Unternehmen nicht oder nicht ordnungsgemäß gemeldet, indem beispielsweise keine Rechnung ausgestellt wird. Die Steuerlücke bei der Umsatzsteuer wird regelmäßig von der EU-Kommission geschätzt. Dabei konnte für Österreich festgestellt werden, dass die Steuerhinterziehung während der Covid-Krise deutlich gesunken ist, jedoch nach wie vor knapp eine Mrd. Euro beträgt. Grund für den Rückgang sind vermehrte Online-Käufe und Kartenzahlungen, denn die Umsatzsteuerhinterziehung ist bei Barzahlungen leichter möglich.
Internationale Konzerne nutzen besonders aggressive Instrumente zur Steuervermeidung: Sie verschieben ihre Gewinne in Steuersümpfe und bedienen sich kreativer, undurchsichtiger Konstruktionen, um Gewinnsteuern, etwa die Körperschaftsteuer in Österreich, zu umgehen. Durch Schlupflöcher in Gesetzestexten ist fast alles davon legal. Dem österreichischen Staat entgeht dadurch jährlich bis zu 1 Mrd. Euro an Körperschaftsteuer.
Weniger Personal bedeutet weniger Prüfungen
Ein wesentlicher Baustein im Kampf gegen die Steuerlücke ist die Finanzverwaltung, die durch gezielte Kontrollen auch eine generalpräventive Wirkung entfaltet. Damit die Finanz ihre Aufgabe erfüllen kann, braucht sie eine entsprechende Personalausstattung, die in Österreich aber zunehmend weniger gewährleistet ist.
In den letzten 25 Jahren wurde beim Personal in der Finanzverwaltung nämlich deutlich eingespart. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist fast jede vierte Stelle weggefallen. Die Zahl der Finanzbeamt:innen ist von knapp 16.500 auf 12.200 im Jahr 2024 gesunken. Damit gibt es in Österreich weniger Finanzpersonal im Verhältnis zu den Einwohner:innen als in den meisten anderen EU-Staaten. Gut ein Drittel der Finanzbeamt:innen wird in den kommenden Jahren in Pension gehen, wodurch sich das Problem durch Know-how-Verluste verschärfen wird. Dennoch hat die Regierung in ihren Personalplänen bisher von einer notwendigen Aufstockung der Planstellen in der Finanzverwaltung abgesehen.
Der Personalmangel schlägt sich auch in der Zahl der Finanzamts- und Großbetriebsprüfungen nieder. Eine parlamentarische Anfragenbeantwortung zeigt einen klar negativen Trend. Hinzu kommt, dass ab dem Jahr 2020 ein großer Teil der Ressourcen für COFAG-Sonderprüfungen in Zusammenhang mit den Covid-Unterstützungsmaßnahmen gebunden war. Damit fanden im Jahr 2023 weniger als ein Drittel an regulären Prüfungen gegenüber dem Jahr 2013 statt.