Steuerlücke effektiv bekämpfen – eine Priorität für die nächste Bundesregierung

23. August 2024

Die meisten Menschen führen ihre Steuern ordnungsgemäß ab, doch einige wenige umgehen ihre Steuerzahlung und schaden damit der Allgemeinheit. Mit mehr Personal für Finanzprüfungen kann die sogenannte Steuerlücke verringert und die Fairness im Steuersystem erhöht werden. Zudem lassen sich dringend benötigte Mehreinnahmen für den Staat generieren.

Die Steuerlücke schadet uns allen

Die Steuerlücke misst die Differenz zwischen dem Steueraufkommen, das generiert werden sollte, wenn alle Akteur:innen ihre Steuern ordnungsgemäß abführen würden, und jenem Steueraufkommen, das tatsächlich erzielt wird. Schätzungen zum Umfang der Steuerlücke in Österreich belaufen sich auf mehrere Milliarden Euro pro Jahr.

Die Steuerlücke steht im Widerspruch zu Fairness und Verteilungsgerechtigkeit im Steuersystem. Denn während der Großteil der Steuerpflichtigen den Verpflichtungen nachkommt, verschafft sich ein anderer Teil durch die (illegale) Hinterziehung oder die (legale) aggressive Gestaltung von Unternehmenssteuern einen Vorteil auf Kosten der Allgemeinheit.

Das führt nicht nur zu einer allgemeinen Schwächung der Steuermoral, sondern auch dazu, dass dem Staat wichtige Einnahmen entgehen, die zum Ausbau der Infrastruktur und des Sozialstaates fehlen, etwa für Kindergärten, Schulen, Spitäler und Klimaschutz. Durch die neuen Fiskalregeln, die nach Covid- und Teuerungshilfen die fiskalischen Spielräume einengen, steigt die Dringlichkeit, die Effizienz des Steuersystems zu erhöhen und Steuerverluste zu minimieren.

„Brauchen Sie eine
Rechnung?“

Die Steuerlücke lässt sich bei praktisch allen Abgaben in unterschiedlichen Ausprägungen beobachten. Für die Einkommensteuer schätzen Bittschi und Langer (2021), dass 14 bis 20 Prozent der österreichischen Selbstständigeneinkommen gegenüber dem Finanzamt nicht deklariert, also hinterzogen werden. Beim Vergleich zwischen den Konsumausgaben von Selbstständigen und unselbstständig Beschäftigten zeigen sie, dass (einige) Selbstständige relativ zum (angeblichen) Einkommen wesentlich mehr für Lebensmittel ausgeben als Arbeitnehmer:innen mit gleichem Einkommen. Hochgerechnet könnten bis zu 5 Mrd. Euro der jährlichen Selbstständigeneinkommen hinterzogen und damit nicht versteuert werden.

Auch Betrug in Zusammenhang mit der Umsatzsteuer ist eine gängige Form der Steuerhinterziehung. Dabei werden die Umsätze von Unternehmen nicht oder nicht ordnungsgemäß gemeldet, indem beispielsweise keine Rechnung ausgestellt wird. Die Steuerlücke bei der Umsatzsteuer wird regelmäßig von der EU-Kommission geschätzt. Dabei konnte für Österreich festgestellt werden, dass die Steuerhinterziehung während der Covid-Krise deutlich gesunken ist, jedoch nach wie vor knapp eine Mrd. Euro beträgt. Grund für den Rückgang sind vermehrte Online-Käufe und Kartenzahlungen, denn die Umsatzsteuerhinterziehung ist bei Barzahlungen leichter möglich.

Internationale Konzerne nutzen besonders aggressive Instrumente zur Steuervermeidung: Sie verschieben ihre Gewinne in Steuersümpfe und bedienen sich kreativer, undurchsichtiger Konstruktionen, um Gewinnsteuern, etwa die Körperschaftsteuer in Österreich, zu umgehen. Durch Schlupflöcher in Gesetzestexten ist fast alles davon legal. Dem österreichischen Staat entgeht dadurch jährlich bis zu 1 Mrd. Euro an Körperschaftsteuer.

Weniger Personal bedeutet weniger Prüfungen

Ein wesentlicher Baustein im Kampf gegen die Steuerlücke ist die Finanzverwaltung, die durch gezielte Kontrollen auch eine generalpräventive Wirkung entfaltet. Damit die Finanz ihre Aufgabe erfüllen kann, braucht sie eine entsprechende Personalausstattung, die in Österreich aber zunehmend weniger gewährleistet ist.

In den letzten 25 Jahren wurde beim Personal in der Finanzverwaltung nämlich deutlich eingespart. Im Vergleich zum Jahr 2000 ist fast jede vierte Stelle weggefallen. Die Zahl der Finanzbeamt:innen ist von knapp 16.500 auf 12.200 im Jahr 2024 gesunken. Damit gibt es in Österreich weniger Finanzpersonal im Verhältnis zu den Einwohner:innen als in den meisten anderen EU-Staaten. Gut ein Drittel der Finanzbeamt:innen wird in den kommenden Jahren in Pension gehen, wodurch sich das Problem durch Know-how-Verluste verschärfen wird. Dennoch hat die Regierung in ihren Personalplänen bisher von einer notwendigen Aufstockung der Planstellen in der Finanzverwaltung abgesehen.

Der Personalmangel schlägt sich auch in der Zahl der Finanzamts- und Großbetriebsprüfungen nieder. Eine parlamentarische Anfragenbeantwortung zeigt einen klar negativen Trend. Hinzu kommt, dass ab dem Jahr 2020 ein großer Teil der Ressourcen für COFAG-Sonderprüfungen in Zusammenhang mit den Covid-Unterstützungsmaßnahmen gebunden war. Damit fanden im Jahr 2023 weniger als ein Drittel an regulären Prüfungen gegenüber dem Jahr 2013 statt.

© A&W Blog


Wie lässt sich die Steuerlücke verringern?

Steuerhinterziehung und unerwünschte Steuervermeidung lassen sich wohl nie zur Gänze verhindern. Relevant ist jedoch die Frage des Umfangs, denn wenn der politische Wille da ist, kann die Steuerlücke zumindest deutlich verringert werden.

Auf internationaler Ebene hat es in den letzten Jahren viele Schritte in diese Richtung gegeben. Der internationale Informationsaustausch hat den Anteil des nicht-versteuerten Offshore-Vermögens deutlich zurückgedrängt. Auch die BEPS-Initiative zur Eindämmung der Gewinnverschiebung in Niedrigsteuerländer und jene zur Mindestbesteuerung von multinationalen Unternehmen konnten einen Beitrag zur Absicherung des Unternehmenssteueraufkommens leisten.

Während sich Österreich bei den internationalen Initiativen konstruktiv engagiert, hat die Bundesregierung auf nationaler Ebene zuletzt wenig unternommen, um die Steuerlücke wirksam zu bekämpfen. Die letzten wesentlichen Initiativen gab es im Zuge der rot-schwarzen Steuerreform 2016, in deren Rahmen eine allgemeine Registrierkassenpflicht eingeführt und eine Durchbrechung des Bankgeheimnisses erzielt werden konnte.

Die nächste Bundesregierung muss mehr Ambition zeigen, um die Steuerlücke zu verringern. Durch ein engagiertes Maßnahmenpaket könnten mittelfristig Mehreinnahmen von zumindest 1 Mrd. Euro erzielt werden. Diese spielen für den Budgetspielraum der kommenden Regierung eine wichtige Rolle. Konkret braucht es:

  • Deutliche Personalaufstockung in der Finanzverwaltung: Die erwartbaren Mehreinnahmen durch eine höhere Zahl an Prüfungen übersteigen die Personalkosten deutlich. Dazu kommen die positiven generalpräventiven Wirkungen von effektiven Steuerkontrollen.
  • Vereinfachung des Steuersystems: Die derzeitige Komplexität führt zu einem hohen bürokratischen Aufwand, Fehlern und unerwünschten Gestaltungsmöglichkeiten.
  • Betrugsbekämpfung: Eine Expert:innenkommission soll ein Gesamtpaket gegen Steuertricks und -betrug erarbeiten. Amtliche Zahlen zur Höhe der Steuerlücke wie in Großbritannien oder den USA sollen zudem die Transparenz erhöhen. Mögliche Ansatzpunkte in der Betrugsbekämpfung umfassen:
    • Umsatzsteuer: In Italien konnten die Umsatzsteuereinnahmen durch die Einführung von E-Rechnungen, die über staatliche Plattformen ausgestellt werden müssen, gesteigert werden. Zusätzlich wurde eine Beleglotterie eingeführt, bei der die Kund:innen einen höheren Anreiz haben, sich eine Steuerrechnung ausstellen zu lassen. Damit sollen die Umsätze, die an der Registrierkasse vorbei gemacht werden, minimiert werden.
    • Lohnabhängige Abgaben: Die Auftraggeberhaftung im Bau (§ 82a EstG) sollte in einem ersten Schritt auf andere betrugsanfällige Branchen wie Transport oder Glücksspiel ausgedehnt werden. Da Steuer- und Abgabenausfälle bei Subunternehmen besonders häufig auftreten, soll das Unternehmen, das einen Auftrag an ein Subunternehmen weitergibt, für dessen lohnabhängige Abgaben haften. Mittelfristig soll die Erstauftraggeberhaftung für alle Branchen gelten.
    • Prüfungen: Auch die Wiederbelebung der „Taskforce Superreiche“ im Finanzamt für Großbetriebe, die sehr vermögende Privatpersonen mitsamt ihren Beteiligungen und Stiftungen strukturiert geprüft hat, erscheint geboten.
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