Anknüpfen und Verknüpfen: Soziale und ökologische Nachhaltigkeit voranbringen!

13. Dezember 2023

Wirtschaft und Gesellschaft sozial und ökologisch umzubauen bedeutet, ökonomische, gesellschaftliche und politische Strukturen zu verändern, damit sie sozial gerecht sind, das Klima schützen und innerhalb planetarer Grenzen Bestand haben. Ein solcher tiefgreifender Wandel kann nur gelingen, wenn ihn Menschen mitgestalten. Das bedeutet, ihre Sorgen und Betroffenheiten ernst zu nehmen. Gerade in Bezug auf Beschäftigtenpolitik geht es in gegenwärtigen Debatten häufig um den vermeintlichen Gegensatz von Klimaschutz und Arbeitsplatzerhalt. Das schürt Existenzängste, die die Bereitschaft zu Veränderung blockieren.

Ermächtigung und Nachhaltigkeit: Geht das zusammen?

Um Blockaden zu überwinden, braucht es ermächtigende Visionen, aber auch konkrete Handlungsmöglichkeiten. Gleichzeitig kann die Forderung nach einer Verbesserung von Lebens- und Arbeitsbedingungen von Beschäftigten im Lichte planetarer Grenzen nicht mehr so einfach auf stetig wachsende Reallöhne sowie eine größere Beteiligung am Wirtschaftswachstum und den Erträgen der Produktivitätssteigerung zielen. Stattdessen braucht es andere Vorstellungen davon, wie ein gutes Leben für alle aussehen kann. In unserer aktuellen Studie Lernen für den Wandel fragten wir unsere Interviewpartner:innen aus Klimabewegung, Gewerkschaften und Arbeiterkammer, was Ermächtigung im Kontext ökologischer Herausforderungen bedeuten kann. Den meisten ging es dabei darum, dazu zu ermutigen, Möglichkeiten der Intervention auszuleuchten, um das langfristige Überleben der Menschen in materieller und gesundheitlicher Sicherheit zu gewährleisten.

Allerdings wurde in unseren Gesprächen auch betont, dass sich viele angesichts der immensen Herausforderung des Klimawandels schnell überfordert fühlen. Dystopische Zukunftsbilder einer zerstörten Umwelt wirken häufig lähmend und halten Menschen davon ab, aktiv zu werden. Sind dann auch noch ökonomische Existenzängste im Spiel, ist die Verdrängung des Problems Klimawandel nicht verwunderlich. Umso wichtiger ist es, konkrete Schritte auszuloten, die kollektiv durchgesetzt werden können, anstatt Handlungsmöglichkeiten auf individuelles Konsumverhalten zu reduzieren.

Anknüpfen und Verknüpfen

Gerade da, wo die strukturellen Bedingungen gesellschaftlicher Probleme immer mehr hinter den individualistischen, neoliberal geprägten Erzählungen von Eigenverantwortung zu verschwinden drohen, ist es von zentraler Bedeutung, immer wieder auf sie hinzuweisen. So ist auch beim Thema Nachhaltigkeit die Idee des Anknüpfens und Verknüpfens besonders hilfreich. Einerseits bezieht sich dieses Anknüpfen und Verknüpfen ganz allgemein auf die notwendigen Verbindungen zwischen sozialen und ökologischen Anliegen, zwischen verschiedenen Wirkungs- und Handlungsebenen und entlang progressiver Bündnisse und Allianzen. Andererseits geht es im Ansatz des Anknüpfens und Verknüpfensum eine Methode der politischen und gewerkschaftlichen Bildungsarbeit, die darauf abzielt, an konkrete Alltagserfahrungen und Lebenssituationen anzuknüpfen und Raum für Austausch zu individuellen Lebens- und Arbeitsumständen sowie Erlebnissen und Gefühlen zu schaffen. Durch die gemeinsame Auseinandersetzung über Herausforderungen, die uns im Alltag und am Arbeitsplatz begegnen, finden wir heraus, dass unsere Erfahrungen nicht nur uns allein betreffen, sondern von anderen geteilt werden. Individuelle Erfahrungen können dann wiederum in einen breiteren Kontext eingeordnet und mit den gesellschaftlichen, ökonomischen und politischen Strukturen, die sie bedingen und formen, verknüpft werden. Zu einer Praxis des Anknüpfens und Verknüpfens gehört die Erfahrung, dass zusammen mit anderen etwas verändert werden kann, zu dem wir allein nicht in der Lage wären. Positiv an diesem Ansatz ist auch, dass Menschen so erfahren können, dass das eigene Wissen und die eigenen Kompetenzen relevant für gesamtgesellschaftliche Problembestimmungen und Lösungsansätze, wie etwa den sozialen und ökologischen Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft, sind.

Soziale und ökologische Kompetenzen

Welche Kompetenzen und Kenntnisse werden aber gebraucht, um am Umbau mitzuwirken? Seit einigen Jahrzehnten gibt es mit den Konzepten von Environmental, Ecological oder Climate Literacy internationale Bestrebungen, menschliches Umweltbewusstsein durch Bildungsinitiativen zu fördern. Obgleich soziale Aspekte, vor allem in den Sustainable Development Goals (SDGs), thematisiert werden, werden Interessenkonflikte, Macht- und Ungleichheitsverhältnisse der kapitalistischen Wirtschaft weniger berücksichtigt. Hier kann ein Ansatz, der nicht nur ökologisches, sondern sozial-ökologisches Denken und Handeln fördert, als Korrektiv fungieren. Zu sozial-ökologischen Kompetenzen gehören erstens ein Verständnis davon, wie Klima- und Ökosysteme funktionieren, sodass die Visionen und Handlungsoptionen auch realistisch und mit Bedacht für planetare Grenzen und ökologische Erfordernisse entwickelt werden. Zweitens gehört dazu ein Verständnis der Macht- und Ungleichheitsverhältnisse kapitalistischer Wirtschaften, die Klimawandel und Umweltzerstörung verursachen und verstetigen. Die Aus- und Weiterbildung sozial-ökologischer Kompetenzen ist wichtig, um Hebel für emanzipatorischen Klima- und Umweltschutz erkennen zu können. Wie aber einige unserer Interviewpartner:innen betonen, sollte Nachhaltigkeit nicht als Sonderthema behandelt werden, sondern gerade in der gewerkschaftlichen Bildungsarbeit auf allen Ebenen und in Bezug auf Instrumente der betrieblichen Mitbestimmung eingebettet werden. Hier kann die sozial-ökologische Konversion, d. h. die Beteiligung von Belegschaften am nachhaltigen Wandel der Produktion, eine Rolle spielen.

Soziale Sicherung und ökologische Nachhaltigkeit

Neben sozialen Sicherheiten hielten unsere Interviewpartner:innen die Umverteilung und den Abbau von Ungerechtigkeiten für einen Umbauprozess, der sich nicht an den Interessen privilegierter Gesellschaftsschichten orientiert, als unabdingbar. Folglich fragten wir uns: Wie könnte eine Transformationsinfrastruktur aussehen, die Existenzängste abbaut? Neben einer Abkehr von fossiler Energiegewinnung und dem Ausbau bezahlbarer erneuerbarer Energien sowie des öffentlichen Nah- und Fernverkehrs ist es wichtig, die Förderung der thermischen Sanierung von Wohnhäusern und öffentlichen Gebäuden sowie geförderten Wohnbau für leistbares Wohnen rasch und nachhaltig voranzutreiben. Zum anderen braucht es Transferzahlungen und Kompensation bei Arbeitsplatzverlust als Teil der sozialen Sicherung für jene, die fürchten als Verlierer:innen dazustehen, inklusive angemessener Umschulungen und Weiterbildung sowie Qualifizierung für zukunftsfähige Berufeoder auch eine Arbeitsplatzgarantie. Wichtig sind auch progressive sozial-ökologische Besteuerungen und Bepreisungen, sodass Konzerne über Körperschaftsteuern einen deutlich größeren Beitrag leisten als bisher und wohlhabende Gesellschaftsschichten einen größeren Anteil am Umbau tragen. Durch sozial-ökologische Steuerreformen können sowohl ökologische Lenkungswirkungen und umverteilende Effekte gefördert werden. Nicht zuletzt gehört zu einer Transformationsinfrastruktur der geschlechtergerechte Abbau der ungleich verteilten Sorgeverantwortung und Abwertung von Care-Arbeit, z. B. durch die Ausgestaltung neuer Modelle des intergenerationellen Zusammenlebens und einer Arbeitszeitverkürzung. Ein wesentlicher Teil einer solchen Transformationsinfrastruktur ist der Ausbau der öffentlichen Daseinsvorsorge.

Gemeinsam agieren

Das Anliegen, die Kämpfe für bessere Lebensbedingungen der Lohnabhängigen mit jenen für ökologische Nachhaltigkeit zu verschränken, wird bereits in einigen gemeinsamen Kampagnen zwischen Klima- und Gewerkschaftsbewegungen verfolgt – sei es für eine gerechte Mobilitätswende oder in Bezug auf Hitze am Arbeitsplatz. Darauf lässt sich aufbauen. In der Studie Lernen für den Wandel tragen wir Ressourcen und Impulse für ein gemeinsames Agieren zusammen.

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