Wenn es um Kämpfe für einen sozial gerechten und ökologisch nachhaltigen Umbau unserer Wirtschaft und Gesellschaft geht, dann wird meist und automatisch in die Richtung der Autoindustrie, der Energieversorgung oder der Bauwirtschaft geblickt. Die vielen Care-Kämpfe, die immer öftergeführt werden, sind aus unserer Sicht aber ebenso Kämpfe für Klimagerechtigkeit und für einen sozial-ökologischen Umbau.
Das Sorgen sichtbar machen
Mit Care-Kämpfen meinen wir all die Kämpfe derer, die entlohnt und unentlohnt für andere Menschen sorgen, sie betreuen oder pflegen. Das sind mehrheitlich noch immer Frauen. Sie kämpfen für mehr Anerkennung und Unterstützung, für eine Verbesserung ihrer Arbeits- und Beschäftigungsbedingungen und auch für eine Umverteilung gesellschaftlicher Sorgeverantwortungen. In unserer Gesellschaft und Wirtschaft hat die Arbeit, die unabdingbar für unser Leben ist, den geringsten ökonomischen Wert. Spätestens in der Corona-Pandemie wurde das sichtbar. Das drückt sich nicht nur in schlechter Bezahlung in den professionalisierten Bereichen aus. Auch die Art und Weise, wie unentlohnte Sorgearbeit als selbstverständlich erachtet wird, ist Ausdruck dieses Widerspruchs.
Klatschen reicht nicht: Der Akku ist leer
Aktuell gibt es immer mehr Kämpfe für bessere Arbeitsbedingungen, höhere Löhne und den Ausbau von Angeboten. Ende Oktober 2023 streikten die Elementarpädagog:innen und die Beschäftigten der Freizeitpädagogik. Im Juni 2023 gab es einen bundesweiten Aktionstag Bildung, bei dem Lehrer:inneninitiativen und Eltern für eine inklusive Bildung auf die Straße gingen. Die 24-Stunden-Betreuer:innen organisieren sich im Interessenverband IG-24, um eine Verbesserung ihrer Arbeitsbedingungen zu erwirken. Im Juni 2023 hat die IG-24 gemeinsam mit Unterstützer:innen einen Offenen Brief an das Sozialministerium geschrieben, der geregelte Anstellungsverhältnisse mit arbeitsrechtlichem Schutz fordert. In der Klinik Ottakring in Wien gab es im Juni einen einstündigen Warnstreik der Notaufnahme. Pflegende Angehörige organisieren sich ebenso, um mehr und bessere Unterstützung zu erhalten. Diese Beispiele zeigen: Die Menschen, die in den Gesundheits- und Pflegesektoren, im Sozial- oder Bildungswesen arbeiten – und das sind vor allem Frauen –, sagen: Es reicht! Sie wollen den andauernden Personalnotstand, Betreuungsschlüssel, die keine gute Betreuung ermöglichen, wiederholte Überstunden, fehlende Ressourcen, geringe Bezahlung oder Scheinselbstständigkeit nicht weiter hinnehmen. „Klatschen reicht nicht!“ ist ein Slogan, den man bei Demos und Aktionen immer wieder liest. Und sie können auch nicht mehr – wie streikende Elementarpädagog:innen neulich auf ihr Demo-Plakat schrieben: „Unser Akku ist leer!“ Warum sehen wir all diese Care-Kämpfe auch als Kämpfe für Klimaschutz und den Umbau zu einer sozial-ökologischen Wirtschaftsweise?
Die Ausbeutung menschlicher und ökologischer Ressourcen haben dieselbe Ursache
Die un- und unterentlohnten Arbeiten des Sorgens, Pflegens und Betreuens (dazu zählen auch verschiedene Formen der Hausarbeit) werden im Kapitalismus genauso prinzipiell als unendlich vorhanden angesehen wie die natürlichen Ressourcen und die Senken der Erde. Beide werden „kostenlos“ (oder so kostengünstig wie möglich) gesellschaftlich angeeignet und ohne Bedacht auf ihren Erhalt benutzt. Die Rechnung für diese Missachtung wird uns da präsentiert, wo sich nun die verschiedenen Krisen zuspitzen. Das Klima schützen heißt also auch, die Missachtung und Geringschätzung der gesellschaftlich wichtigen Arbeit für das Leben und Überleben zu beenden. Denn notwendig für ein gutes Leben sind nicht nur intakte Ökosysteme, sondern auch funktionierende Sorgesysteme. Und genau darum geht es in den Care-Kämpfen.
Den Blick erweitern: Grundversorgung innerhalb planetarer Grenzen
Um den Schocks, Krisen und Folgen der Erderhitzung zu begegnen, braucht es den Ausbau kollektiver und öffentlicher Infrastrukturen, um Versorgungssicherheit zu garantieren und um so neben der Dekarbonisierung eine Kehrtwende bei der Übernutzung von Ressourcen oder der Zerstörung von Biodiversität zu erreichen. Denn damit Menschen sich ohne Existenzängste auf Transformationsprozesse einlassen können, braucht es genau diese. Konkret heißt das, den Zugang zu notwendigen Gütern und Leistungen der Daseinsvorsorge zu garantieren, die auf der Basis guter Arbeitsbedingungen bereitgestellt werden. Es geht also um einen tiefgreifenden Umbau von Wirtschaft und Gesellschaft. Die Kämpfe für den Ausbau von Elementarbildungseinrichtungen, für bessere Arbeitsbedingungen und mehr Personal in Schulen, in der Pflege oder in Gesundheitseinrichtungen tragen also nicht nur dazu bei, Sorgearbeit anzuerkennen, mehr wertzuschätzen und gerechter zu verteilen. Sie sind zentrale Schritte hin zu einer Wirtschaft, in der eine gute Grundversorgung für alle innerhalb planetarer Grenzen im Zentrum steht.
Care-Kämpfe und Kämpfe für Klimagerechtigkeit verknüpfen
Es gibt in Österreich bereits erste Ansätze und Schritte, Care-Kämpfe und Kämpfe für Klimagerechtigkeit miteinander zu verknüpfen. Das Bildungskollektiv KAUZ hat Workshop-Materialien entwickelt, um die gemeinsamen Ursachen der Care- und Klimakrise sichtbar zu machen und zu bearbeiten. Bei der Akademie für den sozialen und ökologischen Umbau im April 2023 gab es eine Veranstaltung zu dieser Verknüpfung. Die Plattform fair sorgen! hat mit Via Campesina Austria, Degrowth Vienna, Attac und KAUZ diesen Austausch bei der Sommerakademie von Attac & Friends fortgeführt. Beim Klimastreik im September 2023 gab es in Wien und Graz erstmals einen größeren Care-Block, an dem unterschiedliche Akteur:innen im Feld der Care-Kämpfe teilnahmen, inklusive Abschlussreden von Vertreter:innen von Care-Kämpfen.
Kreative Kreuzungspunkte für eine UmCare schaffen
Das sind erste Schritte der Vernetzung und Verknüpfung. Für eine UmCare, alsoeine gerechte Wende in unseren Sorgebeziehungen, braucht es noch mehr Zusammenschlüsse, solidarische Aktionen und Zusammenarbeit zwischen der Klimabewegung und Beschäftigten, ähnliche wie z. B. im Bereich der Mobilitätswende oder rund um das Thema Hitze. Fridays for Future und System Change not Climate Change agieren bereits zusammen mit der Gewerkschaft Bau-Holz rund um das Thema Hitze am Bau. In Deutschland kämpfen Fridays-for-Future-Aktivist:innen gemeinsam mit streikenden Busfahrer:innen der Gewerkschaft ver.di für eine gerechte Mobilitätswende. 2022 unterstützten Fridays for Future den Eisenbahnstreik der Gewerkschaft vida. Die Formen der Zusammenarbeit und Solidarisierung mit Care-Kämpfen muss allerdings die besonderen Herausforderungen der Sorgearbeit berücksichtigen: In der Schweiz werden im Rahmen eines feministischen Streiks mehr Zeit und Geld nicht nur für die entlohnte, sondern auch für die unentlohnte Betreuungsarbeit gefordert. Im spanischen Baskenland mobilisieren Gewerkschaften zu einem feministischen Generalstreik, um die Arbeit in der Pflege zu verbessern. Dort gibt es das Bewusstsein, dass die Beschäftigten des Pflegesektors nicht so einfach streiken können, weil die Arbeitsverhältnisse oftmals vereinzelt sind und pflegebedürftige Kranke, Alte und Kinder nicht einfach sich selbst überlassen werden können. Wenn wir die Kreuzungspunkte in den Kämpfen für Care- und Klimagerechtigkeit erkennen, dann können starke und kreative Bündnisse für einen sozialen und ökologischen Umbau entstehen.