Die Rezession der Gesamtwirtschaft setzt sich 2024 fort, getrieben von einer schwachen Investitions- und Exportnachfrage. Die Arbeitslosigkeit steigt dramatisch, 2024 werden 10 Prozent mehr arbeitslose Personen als im Vorjahr erwartet. Der Konsum stagniert aufgrund hoher Unsicherheit. Österreichs Wirtschaftspolitik braucht dringend einen Kurswechsel hin zur Sicherung von Beschäftigung und nachhaltigen Investitionen.
Rezession dauert an
Der erhoffte Aufschwung hat sich noch nicht eingestellt, unter österreichischen Unternehmen herrscht Pessimismus. Die aktuellen Konjunkturprognosen gehen daher von einer weiteren Verschlechterung der wirtschaftlichen Lage aus. Die österreichische Volkswirtschaft wird laut WIFO-Prognose heuer um 0,6 Prozent schrumpfen, 2025 wird eine zaghafte Erholung (+1 Prozent) erwartet. Zwei Hauptursachen lassen sich für das Anhalten der Krise ausmachen: eine Investitionsflaute sowie die Unsicherheit bei Konsument:innen.
Die Investitionsflaute ist kein rein österreichisches Problem, dennoch sind viele Probleme hausgemacht. Die weltweite Investitionsschwäche, die Probleme der deutschen Kfz-Industrie, aber auch die schlechte Baukonjunktur in Österreich bremsen die Produktion in der heimischen Industrie, die ihrerseits geplante Investitionsprojekte aufschiebt. Die österreichische und europäische Wirtschaftspolitik versagt, einen klaren Plan für einen sozial-ökologischen Umbau vorzulegen, der Unsicherheiten bezüglich der Energiepreise und der Klimakrise reduziert. Ein solcher Umbau müsste jedoch, wie kürzlich auch im Bericht von Mario Draghi für die Europäische Kommission prominent betont wurde, durch eine gemeinsame europäische Schuldenaufnahme unterstützt werden, z. B. durch einen permanenten EU-Klimainvestitionsfonds.
Uneinheitliches Bild bei Unternehmen
Bei den unternehmerischen Investitionen, die häufig aus dem Cashflow finanziert werden, ergibt sich ein uneinheitliches Bild. Während manche Konzerne nach wie vor viel investieren, sind viele in den letzten Quartalen stark unter Druck geraten. Die Gründe dafür sind vielfältig und auch innerhalb der Branchen gibt es große Unterschiede. Viele Unternehmen kämpfen mit dem verzögerten Aufschwung, hohen Energiepreisen oder der wirtschaftlichen Unsicherheit, bei manchen spielen Managementfehler oder die hohen Gewinnausschüttungen einiger Konzerne in den Rekordjahren 2021 und 2022 eine Rolle. Für manche ist der inflationsbedingt starke Anstieg der Lohnstückkosten eine Herausforderung. Die Oesterreichische Nationalbank hat jedoch kürzlich festgestellt, dass sich die Industrieproduktion in lohnintensiven Sektoren in den letzten Quartalen nicht schlechter entwickelt hat als in nicht-lohnintensiven Sektoren. Deutlich schwächer entwickelt haben sich hingegen energieintensive Sektoren sowie stark von der Baunachfrage abhängige Sektoren.
Konsument:innen durch Teuerungskrise und steigende Arbeitslosigkeit verunsichert
Die Unsicherheit der Konsument:innen schlägt sich bei Haushalten mit mittleren und hohen Einkommen in höheren Sparquoten nieder. Die Reallöhne pro Kopf werden 2024 wieder das Niveau von 2020 erreichen (wobei die Arbeitszeit pro Kopf in der gleichen Zeit etwas gesunken ist). Die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte sind in Summe durch eine höhere Erwerbsbeteiligung gestiegen und liegen 2024 knapp 6,6 Prozent über dem Niveau von 2020. Die Kollektivvertragsabschlüsse haben dazu beigetragen, den Konsum zumindest zu stabilisieren. Dennoch wird mehr gespart als in den Jahren zuvor, vermutlich aufgrund der Verunsicherung aus der Teuerungskrise der letzten Jahre. Für viele Haushalte waren die Preissteigerungen für Mieten oder Heizen enorm hoch, weswegen häufig Sparpolster, sofern sie vorhanden waren, aufgebraucht werden mussten. Zudem steigt seit einigen Monaten die Arbeitslosigkeit wieder stark an, und somit auch die Angst, selbst arbeitslos werden zu können.
Die sinkenden Inflationsraten sind dabei nur ein schwacher Trost. Das österreichische Preisniveau ist im europäischen Vergleich in den letzten Jahren überdurchschnittlich angestiegen, insbesondere beim Wohnen müssen viele Betroffene nach wie vor empfindliche Erhöhungen durch Vermieter:innen in Kauf nehmen. Auch bei Grundnahrungsmitteln wurden die Preise massiv erhöht. Laut AK Wien Preismonitor sind z. B. Penne-Nudeln seit Herbst 2021 um 90 Prozent teurer geworden.
Über 10 Prozent mehr Arbeitslose als im Vorjahr
Die Arbeitslosigkeit steigt kräftig um 32.000 Personen an (inkl. Schulungen), auch 2025 rechnet das WIFO mit einem Plus von weiteren 5.000 Personen. Damit steigt die Arbeitslosenquote nach nationaler Definition auf 7 Prozent an und verschlechtert sich auch nächstes Jahr weiter (7,2 Prozent). Insbesondere für die steigende Anzahl der Langzeitarbeitslosen ist dies eine verheerende Situation, in der sie von Armut bedroht sind. In Österreich ist das Arbeitslosengeld ohnehin niedrig angesetzt und wurde auch nicht an die Inflation angepasst, wie dies bei vielen Sozialleistungen passiert ist.
Das Ausgrenzungsrisiko auf dem österreichischen Arbeitsmarkt ist sehr hoch, die derzeit geplante Kürzung des Förderbudgets des AMS ist somit der völlig falsche Weg. Es braucht mehr aktive Arbeitsmarktpolitik. Zudem werden derzeit zu wenige Lehrlinge ausgebildet, im September war die Anzahl an Lehrstellensuchenden mit 9.751 auf einem historischen Höchststand. Das Ziel muss sein, den Anstieg und die Verfestigung von Arbeitslosigkeit zu verhindern. Eine Jobgarantie für Langzeitarbeitslose könnte hier effektive Abhilfe schaffen, wie das erfolgreiche Pilotprojekt in Gramatneusiedl gezeigt hat. Für Wien könnte eine Jobgarantie Schritt für Schritt ausgerollt werden.
Den steigenden Arbeitslosenzahlen steht ein nach wie vor hoher Fachkräftebedarf gegenüber. Abhilfe schaffen kann hier eine Ausbildungsoffensive. Diese muss für Beschäftigte genauso Angebote schaffen wie für Personen ohne Beschäftigung, in der stillen Reserve und Lehrstellensuchende. Beim AMS muss Qualifizierung zum gleichrangigen Ziel mit der Vermittlung werden. Weitere Qualifizierungsangebote könnten über eine neue bundesweite Institution ähnlich dem Wiener Arbeitnehmer:innen-Förderungsfonds (waff) und ein niederschwelliges und existenzsicherndes Qualifizierungsgeld in Form eines Stipendiums geschaffen werden. Betriebliche Weiterbildungen könnten mit einem Weiterbildungsfonds für Beschäftigte, in die Unternehmen 0,2 Prozent der Jahresbruttolohnsumme einzahlen sollten, gefördert werden.
Kommender Aufschwung gefährdet
Die vom WIFO unterstellte Konjunkturbelebung 2025 wird verhalten ausfallen und soll vom Export getragen sein. Sie ist gefährdet, vor allem auch durch die in vielen EU-Ländern drohende parallele Budgetkonsolidierung. Auch in Österreich hinterlässt die alte Bundesregierung ein hohes Budgetdefizit von 3,7 Prozent des BIP (2024). Es soll laut Prognose kommendes Jahr sogar auf 4 Prozent steigen. Wegen der Konsumschwäche stagnieren die Staatseinnahmen, zudem wurden in den letzten Jahren Sozialstaatsbeiträge und die Körperschaftsteuer gesenkt. Vor allem aber erweist sich die nicht gegenfinanzierte Abschaffung der kalten Progression als sehr teuer. Auch die gestiegenen Zinszahlungen belasten das Staatsbudget. Die Ausgaben steigen teils durch sehr sinnvolle Ausgaben, wie die Valorisierung von Sozialleistungen, den Anstieg von Mindestpensionen oder den Ausbau von Pflege und Kinderbetreuung. Auf der Einnahmenseite wäre eine Verbreiterung der Einnahmen das Gebot der Stunde, bei der insbesondere die Reichsten einen fairen Beitrag leisten sollten und die Senkung der Körperschaftsteuer zurückgenommen werden sollte. Auch die Schließung der Steuerlücke sollte eine Priorität der nächsten Bundesregierung sein.
Bei den Ausgaben muss der Fokus auf der Stärkung von rasch wirkenden Investitions- und Beschäftigungsmaßnahmen liegen. Eine Konjunkturerholung mit wachsender Beschäftigung bildet die beste Grundlage für einen Rückgang des Budgetdefizits. Eine Budgetkonsolidierung muss auf Verteilungs- und Beschäftigungswirkungen Bedacht nehmen und öffentliche Investitionen schonen. Die Wirtschaftspolitik muss mit einem klaren Plan für den sozial-ökologischen Umbau die Unsicherheit in Bezug auf die Klimakrise senken, und für Beschäftigte und Arbeitslose eine klare Perspektive bieten. Dafür können insbesondere öffentliche und private Investitionen im Klimabereich auf kommunaler Ebene weiter ausgebaut und angeregt werden. Zudem sollte die Europäische Zentralbank ihre Zinsen schneller senken, um Zins- und Investitionskosten zu senken und die Baukonjunktur zu beleben.
Bisherige BIP- und Beschäftigungszahlen von Statistik Austria revidiert
Alle fünf Jahre findet in der EU eine Generalrevision der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung statt, also auch der Grundlagen für die Wachstums- und Beschäftigungszahlen. Dabei werden neue Datenquellen eingearbeitet, Berechnungsmethoden geprüft und somit auch Datenreihen rückwirkend neu berechnet. Für die Jahre 2021 bis 2023 wurden zudem standardmäßig Ergebnisse aus neu verfügbaren Statistiken inkludiert. Das reale Wachstum des Bruttoinlandsprodukts vor der Rezession war daher höher als ursprünglich berechnet (2021: +4,8 Prozent statt +4,2 Prozent; 2022: +5,3 Prozent statt +4,8 Prozent) das Rezessionsjahr 2023 etwas tiefer (-1 Prozent statt -0,7 Prozent). Besonders der BIP-Deflator war starken Revisionen unterworfen, was erneut zeigt, dass seine Anwendung bei Lohnverhandlungen statt des VPI, wie von einigen Ökonom:innen gefordert, zu massiver Unsicherheit geführt hätte.
Dringender Handlungsbedarf für die neue Regierung
Oberstes Ziel für die neue Bundesregierung muss sein, Sicherheit für Beschäftigte und Unternehmen zu schaffen und die Arbeitslosigkeit zu bekämpfen. Dafür braucht es:
- Beschäftigungssicherung: Halten von Personen in Unternehmen (unterstützt auch durch Kurzarbeit), Arbeitslosigkeit verhindern (mit Fokus auf jungen Menschen), Jobgarantie für Langzeitarbeitslose, Erhöhung des Förderbudgets des AMS;
- Ausbildungsoffensive: Mehr Lehrlinge, Weiterbildungsfonds für Beschäftigte in Unternehmen einführen, Qualifizierung gleichrangig mit Vermittlung, Qualifizierungsgeld, Angebote auch an stille Reserve;
- Investitionen gezielt unterstützen: Rasch wirksame öffentliche und private Investitionen im Klimabereich und auf kommunaler Ebene ausbauen und anregen.