Die Diskussion rund um eine Kürzung der Sozialstaatsbeiträge (in der allgemeinen wirtschaftspolitischen Debatte bekannt unter dem verharmlosenden Begriff „Lohnnebenkosten“) ist derzeit präsenter denn je. Insbesondere seit dem Bekanntwerden des „Österreich-Plans“ von Bundeskanzler Karl Nehammer erhoffen sich Wirtschaftsverbände gewichtige Gewinnsteigerungen. Über die Kosten der Kürzungen und die Folgen für den Sozialstaat wird kaum gesprochen. Dabei sind diese nicht unerheblich: Fast 17 Milliarden Euro entgehen dem Staat, wenn man die durch Sozialbeitragskürzungen verursachten Mindereinnahmen von 2015 bis 2025 berücksichtigt. In einem Beitrag vom Mai 2023 wurden für den Zeitraum von 2017 bis 2023 noch 7,3 Milliarden Euro an Mindereinnahmen geschätzt. Aufgrund der Berücksichtigung weiterer Kürzungen der Lohnnebenkosten und der Lohnsteigerungen aufgrund der hohen Inflation ergibt sich somit ein wesentlich dramatischeres Gesamtbild.
„Lohnnebenkosten“ sind Beiträge zur Finanzierung des Sozialstaats
Die Finanzierung des österreichischen Sozialstaats ist im Wesentlichen auf drei Säulen gestellt. Neben dem Budget spielen die Arbeitnehmer:innen- und Dienstgeberabgaben eine bedeutende Rolle. Das sind einerseits die Einnahmen aus Sozialversicherungsbeiträgen der Arbeitnehmer:innen (rund 18 Prozent werden direkt vom Bruttogehalt abgezogen und unter anderem an die Sozialversicherung zur Finanzierung von Pensionen oder der Gesundheitsversorgung abgeführt) und andererseits die Einnahmen aus Beiträgen, die Arbeitgeber direkt für ihre Arbeitnehmer:innen abführen – die eben so harmlos und nebensächlich klingenden Lohnnebenkosten. Dabei handelt es sich aber nicht um ein Geschenk der Dienstgeber, sondern um essenzielle Lohnbestandteile. Die Einnahmen aus Arbeitgeberbeiträgen machen rund 36 Prozent der Finanzierung der Sozialschutzausgaben aus. Wird hier gekürzt, wirkt sich das also direkt auf das Niveau der Sozialleistungen aus – vor allem wenn die Kürzungen Mindereinnahmen in Milliardenhöhe verursachen.
Wirtschaftsvertreter:innen fordern aktuell weitere Einschnitte in die Sozialstaatsfinanzierung, erwähnen aber nicht, dass es in den letzten zehn Jahren bereits zu massiven Kürzungen kam. So betrug beispielsweise der Unfallversicherungsbeitrag 2014 noch 1,4 Prozent, mittlerweile sind es nur noch 1,1 Prozent. Der Zuschlag zum Insolvenz-Entgelt-Fonds, der ausstehende Gehälter von Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern finanziert, wenn der Dienstgeber insolvent ist, betrug 2014 noch 0,55 Prozent, nun sind es nur noch 0,1 Prozent. Eine sehr risikoreiche Strategie, wenn man bedenkt, wie viele Insolvenzen seit der Covid-19-Pandemie verschleppt wurden und vermutlich in den nächsten Jahren schlagend werden. Die Signa-Pleite, die größte Pleite der Zweiten Republik, ist nur ein Beispiel dafür. Der Beitrag zum Familienlastenausgleichsfonds wurde von 4,5 Prozent auf nun nur noch 3,7 Prozent gesenkt. Und zuletzt wurde auch noch eine Reduktion des Arbeitgeberbeitrags zur Arbeitslosenversicherung von 3 Prozent auf 2,95 Prozent beschlossen.
Einnahmenentfall beträgt 2025 schon beinahe drei Milliarden Euro jährlich
Machten die Kosten der betrachteten Beitragskürzungen 2015 noch 200 Mio. Euro aus, so verfünfzehnfacht sich die Lücke, die durch die Kürzungen in die Finanzierung des Sozialstaats gerissen wird, innerhalb von zehn Jahren bis 2025 auf 2,8 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Insgesamt ersparen sich die Unternehmen in diesem Zeitraum dabei rund 16,3 Milliarden Euro. Einerseits tragen die schrittweisen Kürzungen der Arbeitgeber-Sozialbeiträge zu diesem immer größer werdenden Einnahmenentfall bei. Andererseits basieren die Beiträge auf den Bruttogehältern der Arbeitnehmer:innen – darum wirkt sich bei steigenden Gehältern auch jeder einzelne Prozentpunkt der Kürzungen Jahr für Jahr immer stärker aus.