Just Transition in Öster­reich: Quo vadis?

29. August 2024

„Just Transition“ oder der „gerechte Übergang“, wie es in der deutschen Übersetzung heißt, ist in aller Munde. Seit Jahrzehnten ist eine „Just Transition“ in Fragen der Klimakrise und des dadurch induzierten Strukturwandels der zentrale (Leit-)Begriff der internationalen Arbeitnehmer:innenbewegung. Entstanden im Niedergang der US-amerikanischen Kohleregionen stellt Just Transition die mit Transformationsprozessen verbundene Frage der Gerechtigkeit in den Mittelpunkt und betont die Notwendigkeit einer vorausschauenden und sozial verträglichen Gestaltung der Wirtschaftsentwicklung. Mittlerweile ist der Begriff „Just Transition“ als politisches Leitprinzip in vielen Initiativen, Organisationen und Bewegungen fest verankert. Und in Österreich? Hier kommt die Debatte über eine Just Transition und gezielte wirtschafts- und arbeitsmarktpolitische Maßnahmen zur Gestaltung des grünen Strukturwandels erst langsam in die Gänge.

Mainstreaming Just Transition

Die internationale Arbeitsorganisation (ILO) erließ bereits 2014 Richtlinien mit klaren Handlungsempfehlungen für die wirtschaftspolitische Gestaltung eines „gerechten Übergangs“. 2016 gründete der Internationale Gewerkschaftsbund (IGB) mit anderen Partnern das Just Transition Centre. Dieses hat zum Ziel, Arbeitnehmer:innen und ihre Gewerkschaften, Unternehmen und Regierungen im Rahmen des sozialen Dialogs und im Austausch mit der Zivilgesellschaft zur Entwicklung eines gerechten Übergangs zusammenzubringen. Auch die Vereinten Nationen (UN) haben sich eine Just Transition als politische Leitlinie gesetzt. Im „Global Accelerator on Jobs and Social Protection for Just Transitions“ arbeiten sie auf globaler Ebene an der Schaffung von menschenwürdigen Arbeitsplätzen in der grünen und digitalen Wirtschaft der Zukunft und an einem Ausbau der sozialen Absicherung. Die Europäische Kommission wiederum hat im Rahmen des Europäischen Grünen Deals einen Just Transition Fonds eingerichtet, welcher zum Ziel hat, besonders stark von der Dekarbonisierung betroffene Regionen zu unterstützen. Der Europäische Gewerkschaftsbund (EGB) weist jedoch auf einen Nachbesserungsbedarf in den Ambitionen des Fonds hin.

Wie man an diesem kleinen – und sicher unvollständigen – Überblick sieht, ist dem Konzept einer Just Transition ein Erfolgszug durch die politischen Institutionen und Gremien gelungen. Damit hat sich jedoch der Begriff inhaltlich immer mehr verbreitert und wurde unter den verschiedensten Perspektiven interpretiert. Jedenfalls ist die Gestaltung eines gerechten Übergangs nicht mehr vom Tisch zu wischen und wird auch in Zukunft zentraler Gegenstand der internationalen Diskussionen bleiben.

Just Transition: Zentrales Anliegen der österreichischen Arbeitnehmer:innenbewegung im grünen Strukturwandel

Die internationalen Debatten um die Gestaltung eines gerechten Übergangsprozesses nehmen bereits seit Jahrzehnten immer weiter an Fahrt auf. In Österreich spricht bereits im Jahr 2013 das Grundsatzprogramm des Österreichischen Gewerkschaftsbundes (ÖGB) und ihrer Teilgewerkschaften von der Notwendigkeit einer „Ökologisierung aller Lebensbereiche“ und einer „sozial und ökologisch verträglichen Wirtschaftsentwicklung“. 2021 erarbeitete der ÖGB ein eigenes „Klima-Positionspapier“, welches sich der konkreten Gestaltung eines „gerechten Übergangs“ widmet. Im aktuellen Grundsatzprogramm der österreichischen Gewerkschaftsbewegung findet sich „Just Transition“ bereits im Titel des ersten Kapitels: „Klima, Energie, Transformation, Mobilität, Verkehr – Just Transition“. Darin werden die politischen Leitlinien einer Just Transition aus gewerkschaftlicher Perspektive vorgestellt. Ende 2023 wurde schlussendlich das „ÖGB-Klimabüro“ ins Leben gerufen, welches sich zum Ziel gesetzt hat, „ein Kompetenzzentrum im ÖGB zu sein, das Betriebsräte und Beschäftigte im Kampf gegen die Klimakrise unterstützt“. Auch die Arbeiterkammer (AK) hat in ihren Beschlusslagen, Stellungnahmen und Publikationen immer wieder auf das Konzept der Just Transition verwiesen.

Umsetzung einer Just Transition in Österreich

Vor diesem Hintergrund und den internationalen und europäischen Initiativen entstanden auch in Österreich immer mehr Initiativen die sich der Frage einer Just Transition, vorwiegend aus arbeitsmarkt- und bildungspolitischer Perspektive, näherten. Zentrale und proaktive Player einer Just Transition in Österreich sind neben den Arbeitnehmer:innenvertretungen von ÖGB und AK das Bundesministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie (BMK) sowie das Arbeitsmarktservice (AMS), die Österreichische Raumordnungskonferenz (ÖROK) und der Klima- und Energiefonds (KLIEN).


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Während die ÖROK mit der Erarbeitung und Umsetzung eines Just Transition Plans (JTP) für die Umsetzung des österreichischen Anteils des europäischen Just Transition Fonds (JTF) organisatorisch zuständig ist. Liegen die Schwerpunkte des BMK überwiegend bei der Entwicklung und Umsetzung von Strategien und Informationskampagnen, zum Beispiel mit dem gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium, der Arbeiterkammer, dem ÖGB und dem AMS entwickelten Just Transition Aktionsplan für Aus- und Weiterbildung in der Energiewende. Dem KLIEN obliegt hier neben der Finanzierung der wissenschaftlichen Grundlagenarbeit auch die Umsetzung von konkreten Kampagnen, wie zum Beispiel der Kampagne „Klima Game-Changer“, welche sich an angehende Lehrlinge in klimarelevanten Berufen richtet. Das Arbeitsmarktservice legt entsprechend seinen Aufgaben seinen Schwerpunkt auf die direkte Vermittlung, Ausbildung und Qualifizierung von arbeitslosen Personen. wiewohl es weitere Anknüpfungspunkte zur Weiterentwicklung des AMS in Fragen des grünen Strukturwandels gibt. Darüber hinaus gibt es die von den Sozialpartnern ÖGB und Wirtschaftskammer initiierte Umweltstiftung. Die Umweltstiftung soll bis zu 1.000 arbeitslose Personen in den Bereichen Umwelt und Nachhaltigkeit ausbilden. Darüber hinaus entwickelte die Arbeiterkammer Wien gemeinsam mit dem AMS und dem Wiener Arbeitnehmer:innen Förderungsfonds (WAFF) das Projekt „Öko-Booster“. Die Initiative bietet arbeitsuchenden jungen Erwachsenen die Möglichkeit, in klimarelevanten Zukunftsberufen Fuß zu fassen. Das AMS Niederösterreich errichtete das 1. Europäische Klimaschutz-Ausbildungszentrum und das AMS Steiermark forciert ein Arbeitsbündnis „Green Jobs“ für Ausbildungen im Umweltbereich. Der WAFF fördert mit dem Projekt „Klima-Winner“ wiederum gezielt Aus- und Weiterbildungen für Berufe im Bereich des Klimaschutzes. Diese Aufzählung ist sicherlich nicht vollständig und es gibt noch viele weitere Projekte. An den Beispielen zeigt sich jedoch, dass das Konzept der Just Transition in den Institutionen Österreichs erstmals auch tatsächlich angekommen ist.

Hindernisse am Weg einer Just Transition in Österreich

Doch einzelne gute Projekte machen noch keinen gerechten Übergang. In Österreich mangelt es derzeit an einem politischen Bekenntnis zur Verankerung einer Just Transition als Leitprinzip in der Gestaltung der sozial-ökologischen Transformation und einer politisch getragenen Strategie, eine solche zu erreichen. Wie sich zeigt, ist am Weg zu einem gerechten Übergang noch viel zu tun. Die wirtschafts- und arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen auf den unterschiedlichen Verwaltungsebenen sind aufeinander abzustimmen und die für die Umsetzung relevanten unzähligen Akteur:innen einzubinden. Eine schwierige Aufgabe. Darüber hinaus müssen die Akteur:innen das „Warum“ von geplanten Maßnahmen besser erklären. Denn oftmals sind die Wirkmechanismen und Effekte von Just Transition bezogenen Maßnahmen nicht eindeutig, z. B. in der Regionalentwicklung. Schlussendlich sind es oft banale Koordinations- und Kommunikationsprobleme, welche sich zu Barrieren für notwendige Just-Transition-Maßnahmen auswachsen können.

Es braucht daher:

Darin zeigt sich, dass es bereits in den kommenden Jahren einiges Grundlegendes zu tun gibt, so man politisch den Übergang in eine digitale und klimaneutrale Zukunft sozial gerecht gestalten will und gleichzeitig die arbeitsmarkt- und bildungspolitischen Implikationen der Transformation ernst nimmt. Das Aufgabenheft für die kommende Bundesregierung ist allein in der Dimension einer Just Transition schon gut gefüllt. Es wird sich zeigen, ob man sich der politischen Verantwortung im sich bereits abzeichnenden Strukturwandel stellt.

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