Im Verlauf von 2023 muss die globale Mindeststeuer für Konzerngewinne ins österreichische Recht überführt werden. Während sie von einigen als „Jahrhundertreform“ gefeiert wird, üben andere heftige Kritik. Ein Blick auf die Entwicklung der Mindeststeuer zeigt, was sie kann, wofür sie nichts kann und welche Möglichkeiten die Bundesregierung bei der Umsetzung hat.
Beitrag der Konzerne zur Krisenfinanzierung
Im Oktober 2021 hat sich die Staatengemeinschaft auf die Einführung einer globalen Mindeststeuer für Konzerngewinne von 15 Prozent geeinigt. Nach einem unrühmlichen Verhandlungspoker von Ungarn und Polen konnte sich die Europäische Union Ende 2022 auf eine EU-weite Umsetzung mittels Mindeststeuerrichtlinie verständigen. Die Arbeiterkammer hat sich in ihrer Bewertung für eine möglichst effektive Mindeststeuer eingesetzt. Unsere Kritik konzentrierte sich darauf, dass der Steuersatz von 15 Prozent zu niedrig angesetzt ist und die Begünstigung für unternehmerische Substanz (z. B. Produktionsanlagen) die Effektivität der Mindeststeuer schmälern würde. Trotzdem lässt sich nicht leugnen, dass die globale Mindeststeuer ein großer Schritt in Richtung Steuergerechtigkeit ist, auch weil sie – im Gegensatz zu vielen anderen großen Reformvorschlägen im Bereich Konzernbesteuerung – nun auch tatsächlich Wirklichkeit wird. Bei der Umsetzung ist nun darauf zu achten, dass Österreich die nationalen Spielräume maximal ausnützt. Auch um einen fairen Beitrag der großen Konzerne zur Krisenfinanzierung sicherzustellen.
Wie funktioniert die globale Mindeststeuer?
Die globale Mindeststeuer stellt sicher, dass die Gewinne großer Konzerne – egal wo auf der Welt sie gemacht oder geparkt werden – künftig mit zumindest 15 Prozent effektiv versteuert werden müssen. Auch in Steueroasen, und zwar unabhängig davon, ob die Steueroase selbst die Mindeststeuer einführt oder nicht.
Betroffen sind Unternehmensgruppen mit einem Konzernumsatz von über 750 Mio. Euro. In Österreich sind das gut 80 heimische Konzerne sowie diverse ausländische Konzerntöchter mit ihren Aktivitäten in Österreich.
Das zentrale Instrument der Mindeststeuer ist die sogenannte Ertragseinbeziehungsregelung (kurz EER). Sie ermöglicht es dem Sitzstaat der Konzernmutter – bei einem österreichischen Konzern also Österreich –, die niedrig besteuerten Konzerngewinne im In- und Ausland aufstockend auf 15 Prozent zu besteuern. Dazu muss der Konzern in jedem Land, in dem er aktiv ist, die effektive Gewinnsteuerbelastung nach harmonisierten Regeln berechnen. Wenn ein österreichischer Konzern im Ausland niedrig besteuerte Gewinne macht, z. B. 10 Millionen Euro zu 10 Prozent, dann kann Österreich die auf 15 fehlenden 5 Prozent, also 500.000 Euro, bei der Konzernmutter nachversteuern (Ergänzungssteuer). Die Unternehmen dürfen dabei einen Abzug von 5 Prozent für Realkapital und Löhne vornehmen (sogenannte „Substanzbegünstigung“). Das heißt, die niedrig besteuerten Gewinne werden nicht vollständig nachversteuert, wenn das Unternehmen im Niedrigsteuerland unternehmerische Substanz vorweisen kann.
Relevant ist zudem die Option zur Einführung einer nationalen Ergänzungssteuer. Sie erlaubt den einzelnen Staaten, die Mindestbesteuerung für alle Konzerngesellschaften im Inland selbst vorzunehmen, auch bei den Inlandsgesellschaften ausländischer Konzerne, die eigentlich der oben dargestellten EER unterliegen würden. Das heißt, wenn z. B. Ungarn die nationale Ergänzungssteuer einführt, dürfen die niedrig besteuerten Gewinne der Ungarn-Tochter der Erste Bank primär von Ungarn selbst höher besteuert werden, nicht mehr über die Konzernmutter in Österreich. Die nationale Ergänzungssteuer wirkt für die Steueroasen also wie eine Körperschaftsteuererhöhung, eingeschränkt auf Konzerne mit einem Umsatz von mehr als 750 Millionen Euro. Die Ertragseinbeziehungsregel greift nur mehr dort, wo ein Staat keine nationale Ergänzungssteuer einführt. Nachdem aber kein Staat den anderen freiwillig Steuereinnahmen überlassen wird, ist davon auszugehen, dass fast alle Staaten von der Option Gebrauch machen werden, auch Österreich.
In den Fällen, in denen die Konzernzentrale in einem Staat ohne Mindeststeuer liegt, greift noch die umgekehrte Ertragseinbeziehungsregelung (UEER), eine Art Backstop gegen die Verlagerung der Konzernzentralen in Steueroasen. Sie berechnet die Ergänzungssteuer auf Konzernebene und teilt sie den Sitzstaaten der Konzerngesellschaften nach Substanz zu.
Der politische Plan hinter der Mindeststeuer
Die Grundidee der Mindeststeuer ist einfach. Indem die Gewinne in Steueroasen höher besteuert werden, sinkt der Anreiz für Konzerne, ihre Gewinne in diese Steueroasen zu verschieben. Oder anders formuliert: Die Steuertricks der Konzerne werden weniger attraktiv und sollen dadurch zurückgehen. Betroffen sind nicht nur die berühmten Karibikinseln, wo häufig überhaupt keine Körperschaftsteuer anfällt, sondern auch Steueroasen innerhalb der EU, wie z. B. Irland mit 12,5 Prozent Körperschaftsteuer oder Ungarn mit 9 Prozent.
Indem die Steueroasen ihre Gewinnsteuern (faktisch) erhöhen und dadurch weniger attraktiv werden, sinkt auch der Druck auf Normalsteuerländer wie Österreich, ihre Steuern weiter abzusenken. Im Moment konkurrieren Staaten um die attraktivsten Steuerbedingungen für das mobile Kapital der Konzerne. Dieser Steuerwettbewerb ist in der wissenschaftlichen Literatur gut abgesichert. Die Mindeststeuer entschärft diesen Wettbewerb, weil sie die Normalsteuerländer gegenüber den Steueroasen automatisch wettbewerbsfähiger macht – eingeschlossen direkte Nachbarn Österreichs wie Ungarn oder die Schweiz. Natürlich gibt es weiterhin einen Steuerwettbewerb zwischen den Normalsteuerländern, aber den hätte es auch ohne die Mindeststeuer gegeben. Die Mindeststeuer stärkt jetzt die Argumente jener, die weitere Körperschaftsteuersenkungen kritisch sehen.
Das politisch Spannende an der Mindeststeuer ist, dass sie ohne völkerrechtliche Verträge auskommt. Die internationale Grundsatzeinigung vom Oktober 2021 ist nur ein Common Approach für jene Staaten, die die Mindeststeuer einführen wollen. Ob sie das tun, bleibt ihnen überlassen. Das erleichterte die Einigung, tut der Koordination aber keinen Abbruch, weil der Druck, die Mindeststeuer einzuführen, ohnehin ein ökonomischer ist. Nachdem das kapitalistische Zentrum der G7 die Mindeststeuer nun flächendeckend in Stellung bringt und „seine“ Konzerne global mit mindestens 15 Prozent besteuert, steigt natürlich der Druck auf alle anderen Staaten nachzuziehen – es sei denn, sie wollen die zusätzlichen Steuereinnahmen den G7 überlassen, was unwahrscheinlich ist.
Effekte der Mindeststeuer auf die österreichischen Konzerne
Was bedeutet die Mindeststeuer für die österreichischen Konzerne? Professor Matthias Petutschnig von der WU Wien und ich haben uns die Frage in einem rezenten Artikel in der Österreichischen Steuerzeitung am Beispiel der Bilanzdaten von 19 ATX-Konzernen zwischen 2016 und 2020 angesehen. Die Berechnungen legen nahe, dass die Konzernsteuerquoten durch die Mindeststeuer um zwei bis drei Prozentpunkte steigen werden. Die UNCTAD kommt in einer rezenten Studie zu ähnlichen Größenordnungen. Interessant ist, dass der Effekt nicht alle Unternehmen gleich trifft. Betroffen sind vor allem Unternehmen, die bislang von niedrig besteuerten Gewinnen profitiert haben und deren Konzernsteuerquoten nun auf etwa 15 Prozent erhöht werden (siehe Grafik).