Nahezu alle westeuropäischen Länder haben eine Erbschafts- und Schenkungssteuer. Österreich ist seit 2008 die Ausnahme, obwohl die Vermögenskonzentration hierzulande so hoch ist wie kaum woanders in Europa. Doch wieviel Vermögen wird jährlich vererbt und was könnte eine Erbschaftssteuer einbringen? Eine neue Studie schätzt die Erbschaften in Österreich und zeigt eine Verdoppelung des jährlichen Erbvolumens in den nächsten 25 Jahren, eine starke Konzentration der Erbschaften bei den Top 1 % und mögliche Steueraufkommen von über 1 Mrd. Euro pro Jahr – selbst bei hohen Freibeträgen.
Wie werden zukünftige Erbschaften geschätzt?
Die Abschaffung der Erbschafts- und Schenkungssteuer 2008 bedeutete auch das Ende der entsprechenden Steuerstatistik und es gibt keine offiziellen Daten zu Volumen und Verteilung von Erbschaften mehr. Deshalb müssen Erbschaften auf Basis aktueller Haushaltsbefragungen geschätzt werden. Vereinfacht gesagt wird jeder Person im Datensatz anhand ihres Alters und Geschlechts gemäß den demographischen Prognosen von Eurostat eine Sterbewahrscheinlichkeit zugeordnet. Stirbt die Person in der Modellsimulation, wird ihr Vermögen gemäß der gesetzlichen Erbfolge an Partner:innen und Kinder vererbt. Die demographische Entwicklung ist somit zentral bei der Prognose von Erbschaften; sie wird in den nächsten Jahrzehnten vom Ableben geburtenstarker Jahrgänge geprägt sein.
Die Berechnungen erfolgen im Mikrosimulationsmodell INTAXMOD, das vom Joint Research Centre (JRC) der Europäischen Kommission und dem WIFO entwickelt wurde. Es kann sowohl jährliche Erbschaften als auch mögliche Steueraufkommen aus einer Erbschaftssteuer schätzen. Die Datengrundlage ist die Vermögenserhebung Household Finance and Consumption Survey (HFCS) für das Jahr 2017. Während der HFCS hochwertige Daten zu den Vermögenswerten in der breiten Bevölkerung bereitstellt, sind insbesondere Haushalte ganz oben in der Verteilung stark unterrepräsentiert. Da die Spitze aber sowohl für das Erbvolumen als auch für potenzielle Steueraufkommen sehr wichtig ist, werden drei Anpassungen der Daten vorgenommen: Erstens wird die fehlende Spitze mithilfe der trend-Reichenliste der 100 reichsten Familien Österreichs hochgeschätzt. Zweitens wird das im Vergleich zu den volkswirtschaftlichen Aggregaten fehlende Vermögen gleichmäßig auf alle Haushalte aufgeteilt. Drittens werden die 2017 im HFCS ermittelten Immobilienwerte aufgrund der zuletzt starken Preissteigerungen mit dem Häuserpreisindex auf das Basisjahr der Studie 2022 angepasst.
Viele erben wenig, während wenige sehr viel erben
Das Simulationsmodell zeigt eine sehr ungleiche Verteilung der Erbschaften in Österreich. Die durchschnittliche Erbschaft beträgt rund 20.000 Euro im Jahr 2025 und steigt bis 2050 auf etwa 33.000 Euro an. Im Gegensatz dazu beträgt das durchschnittlich vererbte Vermögen im Top 1 % im Jahr 2025 rund 3,4 Millionen Euro und klettert bis 2050 auf 4,2 Millionen Euro. Dies verdeutlicht die drastische Kluft zwischen den Erbschaften der breiten Bevölkerung und der vermögenden Elite.
Die Entwicklung der aggregierten Erbschaften zeigt, dass das Erbvolumen – also die Summe aller Erbschaften – in den nächsten 25 Jahren deutlich von rund 21,5 Mrd. im Jahr 2025 auf 40,8 Mrd. Euro im Jahr 2050 ansteigt und sich damit nahezu verdoppelt: