Einkommensverteilung in Österreich

05. Februar 2024

Wie hoch ist eigentlich das mittlere Einkommen in Österreich? Diese Frage ist weniger eindeutig, als sie scheint. Manche Einkommen werden auf Personen- und andere auf Haushaltsebene gemessen. Es gibt zudem verschiedene Einkommensarten von A wie Arbeitseinkommen bis Z wie Zinseinkommen. Geht es um Brutto- oder Nettoeinkommen? Aktuelle Daten zur Einkommensverteilung vor und nach staatlicher Umverteilung zeigen, dass die Einkommen in Österreich im EU-Vergleich hoch sind. Wichtig ist, das Kollektivvertragssystem zu erhalten, den Gender Pay Gap zu schließen und die Steuerstruktur zu verschieben.

Hohe Ungleichheit bei Markteinkommen, besonders bei Vermögenseinkommen

Als Markteinkommen werden Erwerbseinkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Arbeit sowie Vermögenseinkommen vor staatlicher Umverteilung bezeichnet. Bei den Einkommen aus unselbstständiger Arbeit lag das mittlere Bruttojahreseinkommen aller 4,8 Mio. Beschäftigten 2022 bei 32.051 Euro (2.289 Euro, 14-mal pro Jahr). Die Hälfte der Arbeitnehmer:innen verdiente also weniger als 32.051 brutto pro Jahr, die andere Hälfte mehr. In diesen Zahlen sind aber auch alle nicht ganzjährig Beschäftigten sowie Teilzeitarbeitskräfte und geringfügig Beschäftigte enthalten. Betrachtet man nur die ganzjährig Vollzeitbeschäftigten, so erhielten diese ein mittleres Bruttojahreseinkommen von 46.554 Euro (monatlich 3.325 Euro).

Zum obersten Prozent der Bruttoeinkommensverteilung aller Arbeitnehmer:innen gehörte man erst ab 155.000 Euro pro Jahr (monatlich 11.071 Euro). Aber selbst diese Einkommen sind noch weit entfernt von den Top-Gagen der Vorstände der 20 größten börsennotierten Konzerne Österreichs: Sie erhielten im Durchschnitt rund 2,7 Millionen Euro. Eine Person in der Mitte der Einkommensverteilung müsste dafür mehr als ein ganzes Erwerbsleben (58 Jahre) ganzjährig Vollzeit arbeiten.

Grafik: Bruttojahreseinkommen von Arbeitnehmer:innen 2022 © A&W Blog
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Die Polarisierung in der Einkommensverteilung ist bei den rund 343.000 ausschließlich Selbstständigen stärker als bei unselbstständig Beschäftigten. Einerseits variiert das Beschäftigungsausmaß und andererseits reicht die Bandbreite der Tätigkeiten von der selbstständigen Grafikerin oder dem Betreiben einer kleinen Trafik über die Landwirtschaft bis zur lukrativen Unternehmensberatung. Die aktuell verfügbaren Daten verdeutlichen auch das: Fachärzt:innen mit Schwerpunkt selbstständiger Arbeit erhielten 2019 mittlere Einkünfte vor Steuern von 154.000 Euro, Künstler:innen und Schriftsteller:innen lediglich 8.041 Euro.

Neben Arbeitseinkommen aus selbstständiger und unselbstständiger Tätigkeit können auch Vermögenseinkommen wie Zinsen, Dividenden, Miet- bzw. Pachteinkommen und sonstige Gewinnausschüttungen aus dem Besitz von Vermögen bezogen werden. Diese Einkommen sind aber nur für das oberste Zehntel wirklich relevant. Sie erhalten 62 Prozent aller Vermögenseinkommen, während das ärmste Zehntel nur 2 Prozent bekommt. Alles in allem zeigt sich bei den Markteinkommen eine beträchtliche Ungleichheit, die vor allem durch das staatliche Steuer- und Transfersystem reduziert wird.

Ungleichheit sinkt durch staatliche Umverteilung

Für den materiellen Wohlstand der Menschen sind die individuellen Markteinkommen weniger aussagekräftig als das tatsächlich verfügbare Haushaltseinkommen. Das ist jenes Einkommen, das eine Haushaltsgemeinschaft für Konsum ausgeben oder für Ersparnisse nutzen kann. Dafür werden die Einkommensteuern (z. B. Lohnsteuer, Kapitalertragsteuer) und die Sozialversicherungsbeiträge vom Markteinkommen abgezogen. Demgegenüber werden monetäre sozialstaatliche Transferleistungen wie Pensionen, Arbeitslosengeld, Familienbeihilfe usw. hinzugefügt. Da Menschen häufig in Mehr-Personen-Haushalten leben und gemeinsam wirtschaften, werden die Personeneinkommen zu Haushaltseinkommen zusammengefasst. Zuletzt wird das Haushaltseinkommen noch in Äquivalenzeinkommen umgerechnet, um die unterschiedlichen Haushaltsgrößen zu berücksichtigen. Bei den äquivalisierten Markteinkommen (exkl. gesetzliche Bruttopensionen) auf Haushaltsebene beträgt der Gini-Index 0,47 und sinkt laut WIFO durch die staatliche Umverteilung auf 0,26 bei den verfügbaren Haushaltseinkommen.

Im EU-Vergleich zeigt sich, dass das mittlere verfügbare Äquivalenzeinkommen unter Berücksichtigung der unterschiedlichen Preisniveaus sehr hoch ist. Eine Person in der Mitte der Einkommensverteilung hat in Österreich ein Äquivalenzeinkommen von 25.100 Euro zur Verfügung. Nur die Niederlande und Luxemburg weisen einen höheren Median des verfügbaren Äquivalenzeinkommens auf.

Grafik: Verfügbares Einkommen im EU-Vergleich © A&W Blog
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Die gute Position Österreichs im EU-Vergleich lässt sich vor allem durch drei Faktoren erklären. Erstens ermöglicht die hohe Arbeitsproduktivität ein hohes Wohlstandsniveau. Zweitens sind in Österreich 98 Prozent aller Arbeitnehmer:innen von Kollektivverträgen erfasst, die jährlich im Sinne einer Kaufkraftsteigerung von den Gewerkschaften neu verhandelt werden. Drittens erhöhen die sozialstaatlichen Leistungen die verfügbaren Einkommen vor allem am unteren Ende und in der Mitte der Einkommensverteilung. Das betrifft häufig Menschen, die aufgrund von Krankheit, Arbeitslosigkeit oder Pension ansonsten nur ein sehr geringes Einkommen hätten.

Herausforderungen für die Verteilungsgerechtigkeit

Trotz der starken Umverteilungswirkung des Sozialstaates und der im europäischen Vergleich guten Einkommensposition Österreichs gibt es zahlreiche Handlungsfelder, um Ungleichheiten weiter zu reduzieren und Verteilungsgerechtigkeit zu stärken. Drei zentrale politische Herausforderungen liegen in der Absicherung von Kollektivverträgen, dem Schließen von geschlechts- und herkunftsspezifischen Einkommenslücken sowie im Ausgleich der Schieflage im Steuersystem zwischen Arbeit und Kapital.

Angriffe auf das KV-System

Die Verteilung der Markteinkommen wird wesentlich durch die Kollektivlohnverhandlungen geprägt. Besonders in Zeiten hoher Inflation helfen sie, Reallohnverluste zu vermeiden. Im Durchschnitt stiegen die kollektivvertraglichen Löhne und Gehälter 2023 um fast 8 Prozent. Darüber hinaus tragen Abschlüsse mit höheren Lohnsteigerungen bei niedrigen Gehältern dazu bei, die Einkommensspreizung innerhalb einer Branche zu reduzieren. Trotz der historischen Erfolge der sozialpartnerschaftlichen Lohnfindung gewann man in der Herbstlohnrunde 2023 den Eindruck, dass das bewährte Kollektivvertragssystem vonseiten der Arbeitgeber:innenvertretung hinterfragt wird. Dennoch beweist dieses etablierte System regelmäßig seine Flexibilität und Innovationskraft, in den letzten Jahren etwa mit Freizeitoptionen und Qualifizierungsoffensiven. Abseits des jährlichen Kampfes um bessere Löhne und Gehälter gibt es jedoch weitere Herausforderungen für eine gerechtere Einkommensverteilung.

Gender und Migrant Pay Gap noch immer hoch

Ein wesentliches Problem ist etwa der nach wie vor eklatante Einkommensunterschied zwischen Männern und Frauen, der sich insbesondere nach der Geburt eines Kindes verstärkt. In Österreich ist der Bruttostundenlohn von Frauen ein Fünftel niedriger als bei Männern und wir liegen damit klar über dem EU-Durchschnitt beim Gender Pay Gap von 13 Prozent. Unbezahlte Kinderbetreuung und Pflegetätigkeiten werden überwiegend von Frauen geleistet und viele von ihnen arbeiten daher nur Teilzeit. Diese gesellschaftlich wertvollen und notwendigen Tätigkeiten wirken sich aber erheblich auf das Einkommen aus. Um diesen Einkommensunterschieden entgegenzuwirken, sind Maßnahmen wie ein Rechtsanspruch auf ein qualitativ hochwertiges Kinderbetreuungsangebot und die Förderung einer gleichen Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit zwischen den Geschlechtern unerlässlich. Das gelänge beispielsweise durch eine Verkürzung der Erwerbsarbeitszeit und eine bessere Inklusion von Vätern in die Karenzzeit. Auch die nach wie vor schlechteren Jobchancen und vermehrten prekären Arbeitsverhältnisse von migrantischen Arbeitskräften sowie ein geringeres Einkommen aufgrund von Diskriminierung von Migrant:innen am österreichischen Arbeitsmarkt bedürfen einer verstärkten Zusammenarbeit von Politik und Sozialpartnerschaft, etwa durch eine bessere Überwachung der Einhaltung gesetzlicher Diskriminierungsverbote und die Verhinderung von Scheinselbstständigkeit.

Steuergerechtigkeit verbessern

Letztlich ist auch eine ausgewogene Steuerstruktur eine drängende politische Herausforderung. Das österreichische Steuersystem fußt zu einem Großteil auf Steuern auf Arbeit und Konsum. Im Vergleich mit anderen Industrieländern wird Vermögen dafür weit unterdurchschnittlich besteuert – obwohl Vermögen weitaus ungleicher verteilt ist als Einkommen. Insbesondere der steuerfreie Erhalt von leistungslosen Erbschaften steht im Widerspruch zum Prinzip der Leistungsfähigkeit und beeinträchtigt die Chancengleichheit im Land. Wie Institutionen von OECD bis zur EU-Steuerbeobachtungsstelle empfehlen, würde ein fairer Steuerbeitrag aus den Vermögen die Schieflage zwischen Arbeit und Kapital im Abgabensystem reduzieren.

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