Verteilungspolitische Debatten und im Speziellen Vermögenssteuern sind ein fester Bestandteil des politischen Diskurses. Der Erfolg eines solchen politischen Vorhabens hängt davon ab, wie sehr die Öffentlichkeit diese akzeptiert. Diese Akzeptanz wird wiederum durch die über Vermögenssteuern verbreiteten Narrative beeinflusst. Anders ausgedrückt: Ob Menschen Vermögenssteuern befürworten, hängt davon ab, wie sie darüber informiert werden. Genau das wurde im Rahmen eines Forschungsprojekts untersucht: die Rolle der Berichterstattung in Zeitungen.
Vermögensungleichheit und mediale Debatten
Die Vermögensverteilung in Österreich befindet sich in einer enormen Schieflage. Nach neuesten Schätzungen der DWA (Distributional Wealth Account der EZB) besitzen die reichsten fünf Prozent der Haushalte mehr als 50 Prozent des gesamten Nettovermögens. Lediglich ein Anteil von 3,5 Prozent des Nettovermögens verteilt sich dagegen auf die unteren fünfzig Prozent der Haushalte. Österreich reiht sich damit ins Spitzenfeld der Vermögensungleichheit innerhalb der Eurozone ein. Trotz dieser bemerkenswerten Zahlen wird Vermögen in Österreich äußerst gering besteuert – und dies bereits seit vielen Jahrzehnten. Seit der Abschaffung der Vermögenssteuer 1993 sowie der Aufhebung der Erbschafts- und Schenkungssteuer 2008 gab es keine Mehrheiten im Nationalrat für die Einführung einer Vermögens- oder Erbschaftssteuer. Angesichts der deutlichen Vermögensungleichheit und der fehlenden politischen Initiativen zur Einführung vermögensbezogener Steuern stellt sich die Frage, wie Vermögenssteuern in der Öffentlichkeit wahrgenommen und diskutiert werden.
Wie alle politischen Vorhaben muss sich auch die Forderung nach Vermögenssteuern einer öffentlichen Debatte unterziehen. Ein Großteil dieser Auseinandersetzung findet in den Medien statt, die als zentrale Plattform für den politischen Diskurs dienen.
Unsere Studie konzentriert sich nicht darauf, ob die Argumente für oder gegen Vermögenssteuern überzeugen und einer kritischen Betrachtung standhalten. Stattdessen haben wir untersucht, welche Narrative über vermögensbezogene Besteuerung in der medialen Berichterstattung verbreitet werden. Narrative gelten als in sich geschlossene Erzählungen, die keine alternativen Darstellungen von Sachverhalten zulassen und daher stets kritisch zu hinterfragen sind, weil sie oft vereinfachend und einseitig sind. Neben ihrer Verbreitung war es für uns wichtig zu verstehen, wie sich Narrative im Laufe der Zeit verändern und welche Grundüberzeugungen sie vermitteln.
Um diese Fragen zu beantworten, wurden über 20.000 Artikel, über einen Zeitraum von dreißig Jahren, aus ausgewählten Qualitätszeitungen der DACH-Region mithilfe einer integrierten quantitativen und qualitativen Textanalyse ausgewertet.
Dominante Narrative
Insgesamt wurden in der Studie zehn verschiedene Narrative über vermögensbezogene Steuern identifiziert (siehe Grafik). Die Analyse offenbart ein klares Ungleichgewicht zugunsten von Narrativen, die der Vermögensbesteuerung ablehnend gegenüberstehen. Im Folgenden werden die am dominantesten vertretenen Narrative näher beleuchtet.
Ideologisches Projekt der Linken
Eines der am häufigsten wiederkehrenden Narrative stellt die Forderung nach Vermögenssteuern als ideologisch motiviert und irrational dar. Abseits pragmatischer Politik dienten sie der Selbstvergewisserung der eigenen Identität linker Parteien und kreieren Feindbilder (die Reichen). Die Forderung nach Vermögenssteuern wird daher als ideologisch motiviert und wirtschaftlich belanglos dargestellt.
Mehr Last als Ertrag
Ähnlich häufig wird berichtet, dass Vermögenssteuern wirtschaftliche Fehlanreize (Abwanderung von Kapital) setzen und zu einer unzumutbaren Belastung für Bürger:innen und Staat würden, die im Ergebnis lediglich mehr Aufwand als Ertrag bringen. Vermögenssteuern wird daher attestiert, dass diese unter keinen Umständen profitabel für die Gesellschaft sein könnten. Ebenso wenig wird auf positive Mitnahmeeffekte verwiesen, wie beispielsweise die Erhöhung der Vermögenstransparenz oder die Förderung von Steuergerechtigkeit.
Alle Macht dem Markt
Ein drittes häufiges Narrativ warnt, dass Vermögenssteuern Marktmechanismen stören würden und damit zu gesamtwirtschaftlichen Schäden führen. Im Gegensatz zum Staat gelten Unternehmen als besser befähigt, Investitionsentscheidungen zu treffen, weshalb eine Vermögensminderung ihre Fähigkeit, in Innovationen zu investieren und ihre Marktstellung zu sichern, beeinträchtigen würde. Durch die Erhebung von Vermögenssteuern stört der Staat somit das freie und faire Spiel der Marktkräfte, das andernfalls die größten wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Vorteile bringen würde.
Die Reichen zur Kasse bitten
Diese drei ablehnenden Narrative dominieren die mediale Berichterstattung weitgehend. Lediglich ein Narrativ, welches die Vermögenssteuer befürwortet, hat eine ähnliche Verbreitung, bleibt jedoch über die Zeit deutlich weniger präsent.
Dieses Narrativ beschreibt Vermögenssteuern als Instrument zur Schaffung größerer Gerechtigkeit zwischen Arm und Reich, indem die Reichen stärker zur Kasse gebeten werden. Extreme Vermögensungleichheit sowie die Abwesenheit einer Vermögenssteuer werden im Narrativ als moralisch verwerflich betrachtet.
Entwicklung der Narrative über die Zeit
Wie aus der Grafik hervorgeht, sind insgesamt die ablehnenden Narrative im untersuchten Zeitraum tonangebend. Allerdings verschiebt sich die Relevanz der unterschiedlichen Narrative im Zeitverlauf. Die beiden Narrative „Mehr Last als Ertrag“ und „Alle Macht dem Markt“ werden mit der Zeit von dem Narrativ „Ideologisches Projekt der Linken“ abgelöst. Nach dessen Höhepunkt im Jahr 2007 nimmt das Marktnarrativ kontinuierlich ab. Diese Entwicklung könnte auf die zahlreichen Krisen der folgenden Jahre zurückgeführt werden. Der Glaube an den Markt hat nachgelassen und man vertraut weniger auf die Selbstregulierung des Marktes. Der Staat hat eine zentrale Rolle in der Bewältigung der Krisen übernommen, somit wurde gezeigt, dass staatliche Eingriffe von entscheidender Bedeutung sind. Nichtsdestotrotz bleibt in den Folgejahren das Ideologienarrativ am dominantesten.