Immer wieder wird behauptet, dass es nicht möglich sei, das Pensionssystem auf Dauer auf Basis (rein) staatlicher Pensionen zu sichern. Die Regierung will eine verstärkte Ergänzung durch private Pensionsversicherungen. Der Systemwechsel hin zu mehr Betriebs- und Privatpensionen wurde schon unter Kanzler Schüssel im Rahmen der „Pensionssicherungsreform“ 2003 angepeilt, war allerdings gegen den massiven Widerstand der Bevölkerung, getragen von Gewerkschaften und Arbeiterkammer, nicht durchsetzbar. Die Regierung bekennt sich nun zwar grundsätzlich zum lebensstandardsichernden Pensionssystem, fraglich ist allerdings, wie viel dieses Bekenntnis letztlich wert ist, wenn man sich gleichzeitig den Ausbau kapitalgedeckter Vorsorge auf die Fahnen heftet? Einen Rückfall auf den „Schüssel-Irrweg“ dürfen wir nicht zulassen – das gesetzliche Pensionssystem muss verfassungsmäßig geschützt werden.
Der Vergleich mit Deutschland schreckt ab
Das Beispiel Deutschland zeigt, was es bedeutet, wenn die öffentlichen Pensionen geschwächt und stattdessen verstärkt auf kapitalgedeckte Zusatzvorsorge gesetzt wird. In Deutschland mit seinem Drei-Säulen-Modell steigt die Altersarmut bereits, und in den kommenden Jahrzehnten ist ein weiteres massives Ansteigen zu befürchten. Ein OECD-Vergleich des Leistungsniveaus (Nettoersatzraten) für heutige Berufseinsteiger ergibt ein für Deutschland ernüchterndes Ergebnis: Bei lückenlosem Versicherungsverlauf (bis zum gesetzlichen Pensionsantrittsalter) beträgt die Nettopension in Deutschland rund 50 Prozent des durchschnittlichen Lebenseinkommens, in Österreich rund 90 Prozent.
Einer ILO-Studie zufolge ist die Rentenprivatisierung ein weltweites Debakel. In dem Bericht werden Fallstudien von 15 Ländern analysiert – mit einer vernichtenden Bilanz: Sowohl das Anlage- und das Inflationsrisiko als auch die sehr hohen Kosten der gewinnorientierten Pensionsfonds und Versicherungen schlagen in privatisierten Systemen voll auf die Pensionshöhen durch. Die Folge war ein deutlicher Anstieg der Altersarmut, weswegen 60 Prozent der Länder, die ihre Rentensysteme weitgehend oder vollständig privatisiert haben, mittlerweile wieder in ein staatlich gesichertes System der Altersvorsorge zurückkehren.
Private Versicherungen bieten Privilegien für wenige – teils aus Steuergeldern
Nur ein geringer Teil der Versicherten hat überhaupt Zugang zu einer Betriebspension (aktuell 22 Prozent Anwartschaftsberechtigte) bzw. kann zusätzliche Prämienzahlungen für eine private Pensionsversicherung aufbringen. Darüber hinaus sind die Verwaltungskosten bei den privaten Versicherungen mit bis zu einem Drittel wesentlich höher als bei der gesetzlichen Pensionsversicherung (1,4 Prozent bei der PV der Unselbstständigen). Das heißt, zu Beginn der Laufzeit werden nur sieben von zehn Euro tatsächlich veranlagt. Die Beiträge für private und betriebliche Pensionsvorsorge nach dem Kapitaldeckungsverfahren sind in hohem Ausmaß von Spekulationsrisiken und Krisen abhängig. Für Betriebspensionen wurde die Mindestertragsgarantie de facto abgeschafft, und auch die Veranlagungsgrenzen sind durch Beschluss der jetzigen Bundesregierung per 1. Jänner 2019 weggefallen (kein Limit mehr für riskante Veranlagungen in Aktien oder Fremdwährungen). Wenn die Performance schlecht ist, kommt es automatisch zu Pensionskürzungen. 2019 drohen den BezieherInnen von Betriebspensionen deshalb zum wiederholten Mal saftige Bezugskürzungen, und zwar laut Schutzverband der Pensionskassenberechtigten (Pekabe) um bis zu 16 Prozent! Tatsächlich sind sämtliche Veranlagungsergebnisse aller Pensionskassen aktuell im Minus. Alles in allem sind sie keinesfalls geeignet für eine verlässliche, existenzsichernde Altersvorsorge, sondern letztlich nur für Besserverdienende, deren Existenz nicht vom Risiko einer ungewissen Rentenzahlung und eines realen Wertverlustes abhängt. Trotz dieser Nachteile wird ein erheblicher Betrag an Steuergeldern zugeschossen – laut WIFO-Studie 2017 zwischen 1,3 Milliarden und 2 Milliarden Euro pro Jahr. Eine beträchtliche Summe, die im Sinne einer gerechteren Umverteilung besser im gesetzlichen Pensionssystem investiert wäre.
Solidarische Pflichtversicherung für alle
In der österreichischen gesetzlichen Pensionsversicherung sind alle Erwerbstätigen (über der Geringfügigkeitsgrenze) automatisch pflichtversichert. Ziel ist die Aufrechterhaltung des Lebensstandards nach Ende der Erwerbstätigkeit bzw. eine existenzielle Absicherung im Alter. Wer will, kann sich freiwillig selbst oder auch höherversichern. Darüber hinaus bietet die solidarische Pflichtversicherung ein solides Netz für die unterschiedlichen Wechselfälle des (Arbeits-)Lebens, sei es bei Invalidität oder durch die Teilversicherung für Zeiten der Kindererziehung, Krankheit oder Arbeitslosigkeit. Zudem wird die gesetzliche Pension jährlich im Ausmaß der Inflation erhöht.
Absicherung gegen Altersarmut – Ausgleichszulagensystem
Die Ausgleichszulage trägt zur Existenzsicherung im Alter bei, indem eine „Mindestpension“ mit jährlich valorisierten Richtsätzen garantiert wird. In Österreich wird – im Gegensatz zu Deutschland – eine merklich höhere „Mindestpension“ gewährt, und zwar ohne vorherige Verpflichtung zur Vermögensverwertung. Die Auszahlung durch die Pensionsversicherung sichert einen niederschwelligen Zugang und gewährleistet, dass NiedrigpensionsbezieherInnen nicht zu Bittstellern werden. Ein Instrument, das nur unser solidarisches, nicht gewinnorientiertes, staatliches Pensionssystem bieten kann.
ArbeitnehmerInnen zahlen sich ihre Pensionen selbst
Die Finanzierung des staatlichen Pensionssystems erfolgt durch Beitragszahlungen mit unterschiedlichen Beitragssätzen (Unselbstständige: 22,8 Prozent, Selbstständige: 18,5 Prozent, Landwirtinnen und Landwirte: 17 Prozent) und durch den Bundesbeitrag, der einen breiten solidarischen Ausgleich sicherstellt. ArbeitnehmerInnen finanzieren mit ihren Beiträgen ihre Pensionen überwiegend selbst – der Bundesbeitrag (Ausfallshaftung ohne Ersätze für Ausgleichszulagen, plus „Partnerleistung“), dem ja auch Ausgaben für Rehabilitation, Gesundheitsvorsorge, Krankenversicherung der PensionistInnen etc. gegenüberstehen, betrug 2018 bei den Unselbstständigen gerade einmal etwas mehr als ein Zehntel (11 Prozent) der Gesamtausgaben (ohne AZ). Zum Vergleich: Bei Selbstständigen betrug der Anteil 45 Prozent, und bei LandwirtInnen 76 Prozent. In den letzten vier Jahren war der Bundesbeitrag sogar rückläufig (bereinigt um den „Bank-Austria-Sondereffekt“).
Stabile Finanzierung durch Umlageverfahren – Generationenvertrag
Langfristprojektionen zufolge werden die öffentlichen Pensionsausgaben (inkl. Beamtenpensionen) nur sehr moderat ansteigen. Bis 2070 errechnet die EU-Kommission einen Anstieg um 0,5 Prozent in Relation zum Bruttoinlandsprodukt (Ageing Report 2018) – und das, obwohl bis dahin der Anteil der Älteren deutlich zunehmen wird.