Hürden statt Hilfe? Nichtinanspruchnahme der Wohnbeihilfe in Oberösterreich

11. Juni 2021

Wohnen ist für viele Menschen immer schwerer leistbar. Ein Blick auf Oberösterreichs Nettomieten zeigt, dass diese seit 2010 durchschnittlich um fast 30 Prozent angestiegen sind. Bei der Wohnbeihilfe spart das Land Oberösterreich trotz der steigenden Wohnkosten zulasten der Betroffenen. Hinzu kommt: Rund 30 Prozent der Haushalte, die einen Anspruch auf Wohnbeihilfe hätten, stellen keinen Antrag.

Während die Nettomieten (Bruttomieten abzüglich der Betriebskosten) in Oberösterreich seit 2010 durchschnittlich um fast 30 Prozent stiegen, verzeichneten die gesamtwirtschaftlichen Preise im selben Zeitraum einen Anstieg von lediglich 20 Prozent. Wohnen ist ein Grundbedürfnis, daher müssen derart überschießende Preissteigerungen ein Auftrag zum Gegensteuern an die Politik sein. Bisher nicht so im Land Oberösterreich:

Dekoratives Bild © A&W Blog
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Bei der oberösterreichischen Wohnbeihilfe sanken trotz der steigenden Wohnkosten die im Landesbudget vorgesehenen Mittel. Während im Jahr 2010 noch rund 85 Millionen Euro für die Wohnbeihilfe verwendet wurden, sank die Auszahlungssumme auf nur mehr 52 Millionen Euro im Jahr 2020. Auch die Zahl der Wohnbeihilfe Beziehenden sank von rund 37.000 auf nur mehr rund 24.600. Das ist ein Rückgang um mehr als ein Drittel.

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Verglichen mit universellen Leistungen gibt es bei bedarfsgeprüften Leistungen wie der Wohnbeihilfe erfahrungsgemäß gewisse Zugangsprobleme, die zu einer Nichtinanspruchnahme der Leistung führen. Das sind zum Beispiel Informationsdefizite, administrative Kosten (Bereitstellen von Dokumenten, Wartezeiten etc.), Sprachbarrieren oder soziale und psychologische Kosten inklusive etwaiger Stigmatisierungseffekte. Auch eine Gegenüberstellung des mit der Antragstellung verbundenen Aufwandes mit dem in Aussicht stehenden Nutzen durch die erwarteten Auszahlungen kann Betroffene von einer Antragstellung abhalten.

30 Prozent gehen leer aus

Eine Studie des Europäischen Zentrums für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung hat ergeben, dass im Jahr 2018 rund 40.000 Haushalte in Oberösterreich Anspruch auf Wohnbeihilfe hatten. Tatsächlich erhalten haben sie jedoch nur 28.000 Haushalte. Das entspricht einer Nichtinanspruchnahme (Non-Take-up Rate) von 30 Prozent.

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Die Non-Take-up Rate kann neben der Haushaltsebene auch auf Ausgabenebene berechnet werden. Jene 40.000 anspruchsberechtigten Haushalte hätten insgesamt 71 Millionen Euro an Wohnbeihilfe beantragen können. Die Ausgaben für die Wohnbeihilfe haben sich jedoch nur auf 52 Millionen Euro belaufen. Das Land Oberösterreich hat sich somit 15 Millionen Euro erspart, was einer Non-Take-up Rate von 21 Prozent entspricht. Es ist üblich, dass die Non-Take-up Rate auf Haushaltsebene höher ist als auf Ausgabenebene. Das liegt daran, dass Haushalte, die einen höheren Bedarf und dadurch auch höhere Ansprüche in der Auszahlungssumme hätten, eher einen Antrag stellen.

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Einpersonenhaushalte besonders betroffen

Betrachtet man die Non-Take-up Rate nach Haushaltsgröße, so ist sie fast ausschließlich auf Einpersonenhaushalte konzentriert. Fast jeder zweite Einpersonenhaushalt, der Anspruch auf die Wohnbeihilfe hätte, stellt keinen Antrag. Bei Mehrpersonenhaushalten ergibt sich hingegen rechnerisch eine beinahe vollständige Inanspruchnahme. Mehrpersonenhaushalte, insbesondere Haushalte mit Kindern, haben meist einen höheren Bedarf, der über einen längeren Zeitraum besteht. Sie können somit eher damit rechnen, einen substanziellen Unterstützungsbetrag aus der Wohnbeihilfe zu erhalten. Die Kosten-Nutzen-Abwägung zwischen dem Aufwand der Antragstellung und dem erwarteten Geldbetrag wird somit eher positiv ausfallen.

Große Hürden für Drittstaatsangehörige

Rechtliche Hürden, die damit verbundene Unsicherheit hinsichtlich der Erfolgsaussichten einer Antragstellung, aber auch Hindernisse wie zum Beispiel Sprachbarrieren führen dazu, dass der Anteil von Drittstaatsangehörigen unter den Beziehenden der Wohnbeihilfe sehr gering ist. Er betrug 2018 nur sechs Prozent und ging bis 2020 sogar auf vier Prozent zurück. Die Non-Take-up Rate auf Haushaltsebene fällt mit 69 Prozent sehr hoch aus. Der Zugang zur Wohnbeihilfe wird seit der letzten Reform zusätzlich dadurch erschwert, dass Beziehende ausreichende Deutschkenntnisse nachweisen müssen.

Erhöhung der Wohnbeihilfe kompensiert steigende Mieten nur teilweise

Verschiedene Reformen der letzten Jahre haben für einige Gruppen, insbesondere Drittstaatsangehörige, Kürzungen bedeutet, während andere Kriterien nun großzügiger ausgelegt werden. Aufgrund der zwischen 2018 und 2021 erfolgten Rechtsänderungen hinsichtlich der Einkommensgrenzen haben einige Haushalte ihren Anspruch auf Wohnbeihilfe verloren, während jene, die weiterhin anspruchsberechtigt geblieben sind, im Schnitt höhere Beträge bekommen. Erste Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Anhebung der Wohnbeihilfe die Differenz zwischen den mäßig steigenden Einkommen und stärker steigenden Mietpreisen nur teilweise kompensiert.

Fazit

Es muss im Interesse der Politik liegen, dass Sozialleistungen dort ankommen, wo sie wirklich gebraucht werden. Wohnbeihilfen sollen insbesondere für Gruppen mit niedrigen Einkommen eine spezifische finanzielle Unterstützung zur Deckung der Wohnkosten bieten. Eine grundlegende Modernisierung des oberösterreichischen Wohnbeihilfenrechts (siehe Forderungen der AK OÖ) wäre dafür notwendig, durch den Abbau bürokratischer Hürden bei der Antragstellung, durch eine einfachere Berechnung der Wohnbeihilfenhöhe und höhere Förderbeträge pro Wohnfläche. Das Fehlen von leistbarem Wohnraum, steigende Mieten und andere mit Wohnen verbundene Kosten werden zu einem immer größeren gesellschaftlichen Problem, welches man nur mit zielgerichteten und funktionalen Sozialprogrammen bewältigen kann. Letztlich geht es aber vor allem darum, dass der Anteil der Wohnkosten am Haushaltseinkommen zumindest nicht steigt. Die Marktmechanismen haben in dieser Frage klar versagt.

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