Für die Umsetzung einer gelungenen, nachhaltigen Pflegereform darf Zeit nicht das erste Erfolgskriterium sein. Pflegende Angehörige sind derzeit die größte Gruppe in der Pflegelandschaft. Für sie, für die Pflegefachkräfte und nicht zuletzt für zu pflegende Personen braucht es ganzheitlich sinnvolle Lösungen. Die politischen Entscheidungsträger rund um den sogenannten „Masterplan“ haben sich die Aufgabenstellung allerdings ein wenig zu einfach vorgestellt. Die Verwobenheit der jeweiligen Zuständigkeiten, die Anzahl der Interessen und der Mitspieler bei Entscheidungsfindungen und das Ausmaß der Problemstellungen sorgen wohl für einige Überraschungen. Letztlich dreht sich alles um die Frage, wie eines der reichsten Länder der Erde mit seinen älteren und pflegebedürftigen Menschen umgeht und welche Ressourcen hier zur Verfügung gestellt werden. Die größten Herausforderungen liegen im Setting der Langzeitpflege und der mobilen Dienste, besonders wenn der Slogan „Mobil vor stationär“ endlich zum Leben erweckt werden soll.
Dringend nötige Maßnahmen für eine erfolgreiche Pflegereform
Eine Reform des Pflegesystems in Österreich ist in seiner Gesamtstruktur ein komplexes Vorhaben. Es gibt aber viele Punkte, die für dieses Vorhaben unumgänglich sind.
Pflegepersonal
Keine Pflege nach der Stoppuhr – Zeitressourcen schaffen
Möglichst hoher Grad an Dienstplanstabilität, um auch Freizeit planen zu können
Gleiche Bezahlung für gleichwertige Ausbildung in allen Pflegesettings
Regelmäßige Supervision, Fallbesprechungen, Teamentwicklungen, ethische Fallbegleitung – Stärkung der Resilienz
Wertschätzung und Anerkennung für hoch qualifizierte Pflegefachkräfte – auch im Rahmen des Berufsrechts (GuKG 2016)
Verankerung der neuen Berufsform der Pflegefachassistenz in allen Pflegesettings
Forcierung passender Fort- und Weiterbildungen und Aufzeigen beruflicher Entwicklungsmöglichkeiten
Struktur des Pflegesystems
Jährliche Valorisierung des Pflegegeldes, um Gerechtigkeit auch für die Pflegebedürftigen zu erwirken – Erhöhung in allen Pflegegeldstufen
Positionierung des Pflegeberufs als sinnvolle Arbeit mit Jobgarantie und Zukunft, tollen Erfahrungen und durchgängigen Karrieremodellen mit Perspektive
Pflegende Angehörige tatsächlich entlasten. Dazu gehören gut zugängliche und finanziell leistbare Beratung, fachliche Begleitung und Schulungen sowie Kurzzeitpflegeangebote und der Ausbau von Tageszentren.
Mehr Gewicht für Prävention und Gesundheitsförderung mit dem Angebot vorbeugender Pflegeberatungsgespräche zu Hause. Damit können viel Leid und auch Kosten erspart werden und somit „Win-Win“-Situationen etabliert werden.
WiedereinsteigerInnen befördern mit attraktiven Angeboten
Durchgängige Bildungswege mit einem Lückenschluss zwischen der allgemeinen Schulpflicht und dem Start in eine Pflegeausbildung mittels Schaffung einer berufsbildenden mittleren und höheren Schule.
Kostentransparenz, im Sinne einer verantwortungsbewussten Politik und eine Finanzierung aus einer Hand mit einer Abkehr des unwürdigen Spiels der Kostenverteilung zwischen Gesundheitswesen und Sozialhilfelogik.
Passende Finanzierungen (Normkostensätze) für die Träger
Maßgeschneiderter Dienstleistungsmix für mobile Dienste
Bundeseinheitliche Qualitätsstandards für eine optimale Pflege
Optimierung der Versorgungsketten und Schnittstellen zwischen dem Akutbereich und der Langzeitpflege.
Pflege und Betreuung: Versorgungslandschaft in Österreich
Selbst PolitikerInnen, MeinungsführerInnen und JournalistInnen sind immer wieder erstaunt, wer eigentlich zurzeit in Österreich pflegt. Von den derzeitigen 460.000 PflegegeldbezieherInnen werden 82 % zuhause gepflegt bzw. betreut. Dieses Faktum unterstreicht die große Bedeutung der pflegenden Angehörigen, deren Bereitschaft, diese Leistungen zu erbringen, jedoch sukzessive sinkt. Die „Hauptlast“ auf pflegende Angehörige abzuwälzen, die meist selbst über 60 Jahre alt sind und häufig zu wenig Ruhephasen und Erholungsmöglichkeiten für sich in Anspruch nehmen, ist alles andere als fair oder weitsichtig gedacht. Vor allem ist es aber alles andere als eine nachhaltige Lösung. Auch zukünftige Generationen werden aus verschiedenen Gründen nicht mehr zur Verfügung stehen und bauen auf professionelle Pflegefachkräfte in allen Pflegesettings.