In der derzeitigen Corona-Krise zeigt sich die Wichtigkeit der Energieversorgung. Denn alle sind aufgefordert zu Hause zu bleiben. Eine sichere Versorgung mit Strom, Gas und Wärme ist hierbei unerlässlich. Die Strom- und Gasversorger haben darauf reagiert und werden freiwillig auf Abschaltungen, auch bei offenen Energierechnungen, verzichten – außer Nah- und Fernwärmeunternehmen. Mit einer gesetzlichen Regelung hätte man dies vermeiden und alle Energieunternehmen ins Boot holen können.
Die derzeitige Corona-Krise ist eine große Belastung für viele Menschen. Nicht nur die Sorge um die Gesundheit, sondern auch finanzielle Probleme bestimmen ihren Alltag. In Österreich ist derzeit fast eine halbe Million Menschen arbeitslos – ein trauriger Rekord. Für die Betroffenen sinkt das gewohnte Einkommen damit rapide, sie wissen oft nicht mehr, wie sie ihre Miete oder die Energierechnungen bezahlen sollen. Gerade die Corona-Krise bedingt aber steigende Energiekosten in Privathaushalten, da die Menschen aufgefordert sind, zu Hause zu bleiben. Damit ist aber auch die Versorgung mit Strom, Gas und Wärme derzeit enorm wichtig. Denn es geht auch darum, den Menschen in dieser ohnehin angespannten und belastenden Situation wenigstens die Sorge zu nehmen, dass sie nicht mehr heizen, kochen oder von zu Hause aus arbeiten können.
Das freiwillige Abschaltverbot von Strom und Gas ist begrüßenswert, aber nicht ausreichend
Daher hat die AK die freiwillige Vereinbarung der Energieunternehmen begrüßt, bei HaushaltskundInnen und kleinen FirmenkundInnen auf die Abschaltung von Strom und Gas, auch bei Zahlungsverzug oder Vorliegen von Schulden, abzusehen. Diese Branchenregelung soll vorerst bis zum 1. Mai gelten. Wenn die Zahlungen dann fällig werden, sollen sich betroffene KundInnen bei ihrem Energieversorger melden. Diese haben zugesagt, dass sie KundInnen mit Zahlungsschwierigkeiten durch Ratenzahlungen und Zahlungsaufschub unter die Arme greifen wollen.
Bei genauerem Hinsehen offenbaren sich aber Tücken dieser freiwilligen Vereinbarung. So ist der Zeitraum für die Abschaltverbote (bis zum 1. Mai) viel zu kurz gegriffen, da bereits jetzt absehbar ist, dass nicht alle Maßnahmen im Rahmen der Corona-Krise bis dahin zurückgenommen sein werden. Daher sollte der Zeitraum bis mindestens Ende Juni ausgedehnt und eine Verlängerungsoption ins Auge gefasst werden, falls sich bereits im Vorhinein abzeichnet, dass die Corona-Krise noch länger andauert. Weiters bringt den KonsumentInnen eine freiwillige Vereinbarung keine Rechtssicherheit, weil es keinen Rechtsanspruch auf Nichtabschaltung oder Ratenzahlung gibt; sie sind letztlich vom guten Willen ihres Energielieferanten abhängig. Es gibt auch keine Sanktionen für jene Energielieferanten, die sich nicht an die Zusage halten.
Rechtssicherheit und damit Rechtsanspruch wird nur durch eine gesetzliche Regelung des Abschaltverbotes der Energieversorgung erreicht. Eine gesetzliche Vorschrift sorgt auch dafür, dass alle Energieversorger ins Boot geholt werden. Denn von der derzeitigen freiwilligen Regelung sind die Nah- und Fernwärmeversorger nicht umfasst.
Nah- und Fernwärmeversorger sind von der freiwilligen Vereinbarung nicht erfasst
Damit entstehen zwei Klassen von EnergiekundInnen: einerseits Strom- und GaskundInnen, die zumindest auf eine freiwillige Vereinbarung verweisen können, und andererseits Nah- und FernwärmekundInnen, die mit leeren Händen dastehen, wenn ihnen aufgrund von Zahlungsschwierigkeiten die Abschaltung droht.
Österreichweit verwenden 27 Prozent der Haushalte Gas für Raumwärme und Warmwasser. Diese EnergiekundInnen sind auch von der freiwilligen Vereinbarung umfasst.
Aber die Nah- und Fernwärme nimmt mit einem Anteil von 25 Prozent bereits den zweiten Platz in der Raumwärmeversorgung ein, und für diese KundInnen gilt die Branchenvereinbarung nicht. Wie eine aktuelle Heizartenstudie im Auftrag der AK zeigt, leben 90 Prozent der Nah- und FernwärmekundInnen in einem Mehrparteienhaus bzw. drei Viertel in einer Mietwohnung. Die meisten davon sind Singlehaushalte, oft PensionistInnen oder alleinerziehende Elternteile, zumeist Frauen. Wenig überraschend befinden sich diese Menschen überwiegend in den niedrigsten vier Einkommensdezilen, haben also sehr wenig Geld zur Verfügung. Gerade sie sind deshalb in der Corona-Krise besonders auf unseren Schutz angewiesen, da sie durch Jobverlust und Kurzarbeit besonders hart getroffen werden. Auch ihnen muss eine Atempause verschafft werden, indem wir sie nicht als EnergiekundInnen zweiter Klasse behandeln. Auch sie müssen sicher sein, dass sie während der Corona-Krise nicht Gefahr laufen, von der Wärme- und Warmwasserversorgung abgeschnitten zu werden, wenn sie ihre Rechnung nicht bezahlen können. Auch ihnen sollte die Möglichkeit von Ratenzahlungen und Stundungen eingeräumt werden.
Nah- und FernwärmekundInnen sind allgemein rechtlich benachteiligt, weil ihnen – im Vergleich zu Strom- und GaskundInnen – nicht die gleichen KonsumentInnenrechte zustehen. Daher verlangen wir als AK schon lange einen Ausbau der KonsumentInnenrechte nicht nur für den Nah- und Fernwärmebereich, sondern auch für zentrale Heizungssysteme (also Heizungsanlagen, die sich meist im Keller eines Mehrparteienhauses befinden oder in einem Nebengebäude). Bei der AK gibt es zahlreiche Beschwerden von WärmekundInnen (vor allem im Bereich zentraler Heizungsanlagen), die aufwendig zu bearbeiten sind, weil einerseits die Rechtsgrundlage dürftig ist und andererseits die jeweiligen Vertragskonstruktionen für ihre Wärmelieferung oft sehr komplex ausgestaltet sind (insbesondere bei Wärme-Contracting-Modellen). Diese KundInnen der Nah- und Fernwärme erfahren nun in der Corona-Krise die nächste Benachteiligung – ein Umstand, der nicht zugelassen werden darf.
Eine gesetzliche Regelung für Strom, Gas und Wärme wäre leicht umsetzbar
Mit einer gesetzlichen Regelung könnte erreicht werden, dass alle ins Boot geholt werden: sowohl Strom- und Gasversorger als auch Nah- und Fernwärmeunternehmen. Die KonsumentInnen hätten damit nicht nur Rechtssicherheit, sondern auch einen rechtlichen Anspruch darauf, dass es während der Corona-Krise zu keinen Abschaltungen kommt. Eine gesetzliche Lösung wäre auch kein legistisches Neuland. Denn bei Strom und Gas bestehen bereits Abschaltverbote, nämlich vor Wochenenden oder gesetzlichen Feiertagen. Es wäre also legistisch ein Leichtes, die bereits bestehenden Zeiten für Abschaltverbote im § 82 Abs 8 des Elektrizitätswirtschafts- und -organisationsgesetzes (ElWOG 2010) bzw. im § 127 Abs 8 des Gaswirtschaftsgesetzes (GWG) um den Zeitraum der Corona-Krise zu ergänzen. ElWOG und GWG enthalten auch Sanktionsmechanismen: Eine Nichtbefolgung des Abschaltverbots wird mit einer Geldstrafe von bis zu 75.000 Euro bestraft. Durch diese Ergänzung wäre auch sichergestellt, dass sich wirklich alle Strom- und Gaslieferanten an das Abschaltverbot während der Corona-Krise halten, wollen sie nicht eine kräftige Strafe riskieren. Für den Wärmebereich hingegen gibt es kein eigenes Gesetz. Aber das darf kein Hinderungsgrund sein: Ohne größeren Aufwand könnte eine analoge gesetzliche Regelung, wie sie für die Strom- und Gasversorger gilt, für die Wärmeversorger (Nah- und Fernwärme und zentrale Heizungen) im COVID-19-Maßnahmengesetz geregelt werden. Denn in der Corona-Krise ist rasches Handeln das Gebot der Stunde.
Die Zweckmäßigkeit einer gesetzlichen Regelung für alle Energieversorger – und damit die Schaffung von Rechtssicherheit – belegen auch die Zahlen über Abschaltungen: Im Jahr 2018 gab es nach Angaben der Regulierungsbehörde E-Control bei Strom rund 43.000 Abschaltungen, bei Gas rund 4.000. Für den Wärmebereich gibt es keine offiziellen Abschaltungszahlen. Es ist aber in der Gemeinschaftsstatistik über Einkommen und Lebensbedingungen (EU-SILC) erfasst, dass es in Österreich im Jahr 2018 für rund 140.000 Personen nicht möglich war, ihre Wohnung angemessen warm zu halten. Angesichts der hohen Arbeitslosenzahlen, die die Corona-Krise bisher schon verursacht hat, ist davon auszugehen, dass die Zahl jener Menschen, die es nicht mehr schaffen, ihre Energierechnungen zu zahlen, noch weiter steigen wird.
Zusätzlich bedarf es eines Härtefonds für einkommensarme Haushalte zur Übernahme von Energiekosten
Um zu verhindern, dass Menschen durch hohe Energierechnungen und Nachzahlungen in finanzielle Bedrängnis geraten, fordert die AK darüber hinaus für Haushalte mit geringem Einkommen ein Recht auf Ratenzahlung bis hin zur Stundung. Eine freiwillige Vereinbarung reicht nicht aus, um Betroffenen eine gesicherte Atempause zu verschaffen. Für jene Menschen, die durch Betriebsschließungen, Kurzarbeit oder Arbeitslosigkeit einfach nicht mehr genug Geld haben, um ihre Energierechnung bezahlen zu können, braucht es mehr. Die AK fordert einen Unterstützungsfonds, bei dem unkompliziert Anträge auf Übernahme der Energiekosten gestellt werden können – in Anlehnung an den Härtefonds für die Wirtschaft. Denn vor allem für armutsbetroffene Haushalte stellen Energiekosten eine wesentliche Belastung dar: Der Anteil dieser Kosten am durchschnittlichen Einkommen beträgt bei einem von Armut betroffenen Haushalt 14 Prozent. Nimmt man die Wohnkosten noch dazu, dann geben diese Haushalte mehr als die Hälfte der ihnen zur Verfügung stehenden finanziellen Mittel für Energie und Wohnen aus.
Andere europäische Länder zeigen weitere Unterstützungsmöglichkeiten auf
Auch in anderen Ländern der Europäischen Union werden die EnergiekonsumentInnen unterstützt. Das zeigt eine erste informelle Umfrage der Europäischen Konsumentenschutzorganisation (BEUC) unter ihren Mitgliedern. Beispielsweise hat Italien ein dreimonatiges Moratorium für Energierechnungen eingeführt. Spanien hat ein gesetzliches Abschaltverbot für HaushaltskundInnen, insbesondere für schutzbedürftige KonsumentInnen, erlassen. Im flämischen Teil Belgiens übernimmt die Regionalregierung für Haushalte, in denen durch die Corona-Krise mindestens ein Haushaltsmitglied arbeitslos wurde, für einen Monat die Energierechnung. In Frankreich wird das Abschaltverbot, das grundsätzlich den ganzen Winter gilt, verlängert. Auch im Vereinigten Königreich werden KonsumtentInnen durch Verzicht auf einen Teil der Energierechnung bzw. durch Stundungen unterstützt. Regelungen zum Schutz der EnergiekundInnen gibt es auch in Portugal, Irland und Zypern – diese zielen vor allem auf Erleichterungen bei der Zahlung von Energierechnungen oder auf Maßnahmen ab, die Abschaltungen verhindern sollen.
Gerade in der Corona-Krise zeigt sich: Wer jetzt schnell hilft, hilft doppelt!