Wohnpolitik für alle Arbeitnehmer:innen

17. Mai 2024

Wohnen ist ein Grundbedürfnis. Eine arbeitnehmer:innenorientierte Wohnpolitik muss dabei offen für alle Wohnformen sein. Das gilt gerade in einem Flächenbundesland wie Oberösterreich, wo neben einem starken gemeinnützigen Wohnsektor mehr als 60 Prozent der Arbeitnehmer:innen in einem Eigenheim leben. Ein politisches Abwiegen von Wohnen in Miete gegen Wohnen im Eigenheim ist problematisch. Der AK Wohnzufriedenheitsindex, welcher seit 2022 quartalsweise von der AK Oberösterreich erhoben wird, liefert wichtige Grundlagen zum Verständnis der Wohnrealitäten aller Arbeitnehmer:innen. Im Folgenden werden ausgewählte Erkenntnisse dargestellt.

Wohnen wird für immer mehr Menschen zum unerschwinglichen Luxus. Überteuerte Mieten, hohe Betriebskosten, aber auch steigende Grundstücks- und Baupreise sowie hohe Zinsen

machen vielen zu schaffen. In der Teuerungskrise wurde seitens der schwarz-grünen Bundesregierung verabsäumt, smarte, effektive Maßnahmen zu ergreifen. Das rächt sich zumindest in zweierlei Hinsicht: Auf individueller Ebene kann das Grundbedürfnis Wohnen von immer mehr Menschen nur mehr unter großen Anstrengungen und Verzicht gedeckt werden. Die quasi ungezügelten Preissteigerungen beim Wohnen stellen einen der wesentlichsten Treiber der gesamten Inflation dar – mit den dazugehörigen Folge- und Nächstrundeneffekten. Die vergleichsweise schlechte Position Österreichs im Inflationsranking erschwert die wirtschaftliche Situation hierzulande zusätzlich.

Die Tatsache, dass Eigenheime immer schwieriger zu finanzieren sind, gepaart mit der Tatsache, dass insbesondere der freie Mietwohnungsmarkt keine Preisregulierungen erfahren hat, führt dazu, dass gerade geförderte Wohnungen immer stärker unter Druck geraten. So steigen etwa die Andrangszahlen, und die Menschen geben auch an, dass es immer schwieriger wird, eine geeignete Mietwohnung zu finden. Hier ist rasches Handeln dringend erforderlich, wenn man verhindern will, dass die Situation am Wohnungsmarkt in Österreich bald so prekär wird wie in vielen anderen europäischen Staaten, insbesondere im urbanen Raum, wie etwa in München, Hamburg, Frankfurt, Paris etc. Etwa 2.000 neue Wohnungen pro Jahr werden in Oberösterreich im Genossenschaftssektor jährlich gebaut. Leider reicht das nicht aus, um die Nachfrage zu decken. Dennoch kann der gemeinnützige Sektor in Österreich seine preisdämpfende Funktion noch entfalten und einen gewissen Ausgleich leisten.

Wie wohnen Arbeitnehmer:innen in Oberösterreich?

Mehr als die Hälfte der unselbstständig Beschäftigten lebt im eigenen Haus. Zwei von zehn wohnen in einer Genossenschaftswohnung, jeweils einer von zehn in privaten Mietwohnungen bzw. in Eigentumswohnungen. Das ergibt eine Eigenheimquote von mehr als 60 Prozent in Oberösterreich. Immerhin 53 Prozent der Eigenheimbesitzer:innen zahlen wohnbezogene Darlehen oder Kredite zurück (Wohnzufriedenheitsindex 2023/24).

Beachtlich sind auch die regionalen Unterschiede: In den ländlichen Regionen ist der Anteil von eigenen Wohnhäusern besonders hoch: So leben 69 Prozent der Menschen im Mühlviertel und 66 Prozent im Innviertel im eigenen Haus. In der dicht besiedelten Region Linz-Wels liegt der Anteil bei „nur“ 35 Prozent.

Der gemeinnützige Wohnbau ist in der urbanen Region Linz-Wels mit einem Anteil von 25 Prozent sehr stark vertreten, während etwa in den ländlicheren Regionen Traunviertel und Innviertel nur je sieben Prozent in Genossenschaftswohnungen leben.

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Welche Faktoren beeinflussen die Wohnzufriedenheit?

Der AK Wohnzufriedenheitsindex besteht aus einem Gesamtindex und fünf Teilindizes. Der Index umfasst dabei eine Spannweite von 0 bis 100. Je höher der Wert, desto höher ist die Zufriedenheit. Mit Stand März 2024 geben die Befragten ihrer Wohnzufriedenheit einen Gesamt-Indexwert von 69. Der Aspekt „Wohnpolitik“ wird mit 51 Punkten, die „Leistbarkeit von Wohnen“ mit 64 Punkten bewertet. Die „funktionale Lage bzw. Infrastruktur der Unterkunft“ liegen beim Indexwert von 67 Punkten. Alle drei genannten Unterindizes liegen unter dem Gesamtindex von 69 Punkten. Der Unterindex für die „Wohnumgebung“ schneidet mit 76 Punkten besser ab als der Gesamtindex. Den höchsten Wert erhält der Teilindex „Wohnung/Haus“ mit 77 Punkten. Hier ist die Zufriedenheit demnach besonders hoch. Leistbarkeit, Infrastruktur und Wohnpolitik stellen also in den Augen der oberösterreichischen AK-Mitglieder Bereiche dar, bei denen der Schuh besonders drückt. Hier ist die Wohnpolitik gefordert, helfend aktiv zu werden.

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Auch bei soziodemografischen Merkmalen bestehen bedeutende Unterschiede in der Wohnzufriedenheit. Prinzipiell sind Mieter:innen weniger zufrieden als Eigenheimbesitzer:innen. Während Personen im Eigentum auf einen Indexwert von durchschnittlich 72 Punkten kommen, liegt dieser bei Mieter:innen bei bloß 65 Punkten. Zusätzlich machen bei Mieter:innen die Befristungen des Mietvertrages einen großen Unterschied. So haben Menschen in befristeten Mietverhältnissen einen um vier Punkte niedrigeren Gesamtindex von 65 verglichen mit Menschen, die mit unbefristeten Mietverträgen leben.

Zudem zeigt sich klar, dass Menschen über 50 Jahre mit 71 Index-Punkten im Vergleich am zufriedensten sind. Die unter 35-Jährigen sind mit 67 Index-Punkten hingegen weniger zufrieden. Klar wirkt sich das Einkommen auf die Zufriedenheit aus: Bei Haushalten mit weniger als 1.350 Euro monatlichem Haushalts-Äquivalenzeinkommen zeigt sich die geringste Zufriedenheit. Hingegen liegen Haushalte mit einem Einkommen von zumindest 2.400 Euro bei 71 Punkten.


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Wie leistbar ist Wohnen?

Wie bei allen Grundbedürfnissen ist auch beim Wohnen die Leistbarkeit sehr zentral, zumal es naturgemäß eine relativ niedrige Nachfrageelastizität beim Wohnen gibt – jeder muss wohnen!

Besonders erschreckend ist, dass etwa ein Viertel der Arbeitnehmer:innen mehr als 30 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Wohnkosten aufwenden müssen. 30 Prozent gilt hier als Schwellenwert, den die Wohnkosten nicht übersteigen sollten. Wie zu erwarten, steigt diese Gruppe mit sinkendem Einkommen. Bei den Einkommen bis unter 1350 Euro (entspricht ungefähr der Armutsgefährdungsschwelle von 60 Prozent des Medianeinkommens) sind es bereits mehr als die Hälfte der Menschen, die über 30 Prozent ihres Haushaltseinkommens für Wohnen aufbringen müssen (Wohnzufriedenheitsindex).

Der Druck am Mietmarkt steigt

Seit Beginn der Inflationskrise im Jahr 2022 – und vielfach bereits davor – sind die Wohnkosten drastisch gestiegen. Neben den Mieten und Betriebskosten sind auch Baulandpreise sowie Gebäudeerrichtungskosten und Zinsen vom heftigen Preisauftrieb erfasst worden. Auf diese Weise wird der Traum vom Eigenheim für immer mehr Menschen unleistbar. Immer mehr Menschen halten nach einer geeigneten und vor allem leistbaren Mietwohnung Ausschau. Nachdem Mietwohnungen im privaten Segment erheblich teurer sind und zudem vielfach ein befristetes Mietverhältnis aufweisen, ist die Nachfrage nach einer Wohnung im sozialen Wohnbau von überaus deutlichen Steigerungsraten in Oberösterreich gekennzeichnet: Während im Jahr 2022 48.573 Haushalte ihren Bedarf an einer geförderten Wohnung angemeldet haben, ist dieser Wert im Jahr 2023 auf 51.635 Haushalte angewachsen, was einer Zunahme von rund 6 Prozent in nur einem Jahr entspricht. So ist es auch wenig überraschend, dass bei der letzten Befragungswelle des Wohnzufriedenheitsindexes sieben von zehn Befragten angegeben haben, es werde für sie zunehmend schwieriger, eine finanziell geeignete Mietwohnung zu finden. Gleichzeitig bewerten 59 Prozent der Befragten die Verfügbarkeit des geförderten Wohnbaus in der eigenen Gemeinde als „kritisch“ oder „schlecht“. Zum Vergleich: 2023 lag der Wert noch bei 54 Prozent. 

Ein wirkungsvolles wohnpolitisches Maßnahmenpaket für alle

Leistbares Wohnen ist ein elementares Grundrecht für alle Menschen – und sollte kein Luxusgut sein. Es braucht daher ein Bündel an politischen Maßnahmen, welche leistbares Wohnen sowohl zur Miete als auch im Eigentum ermöglichen. Es braucht einen ganzen Werkzeugkoffer, um allen Facetten gerecht zu werden.

  • Dazu zählt natürlich eine deutliche Ausdehnung der öffentlichen Wohnbaufördermittel. Noch nach der Jahrtausendwende wurden österreichweit rund 3 Milliarden Euro für öffentliche Wohnbauförderungszwecke ausgegeben. Im Jahr 2022 ist diese Zahl auf unter 1,9 Milliarden zurückgefallen. Eine deutliche Ausweitung der öffentlichen Wohnbaufördermittel in Richtung ein Prozent des BIP ist dringend geboten, was zumindest rund 4,5 Milliarden Euro entsprechen würde.

  • Es braucht darüber hinaus dringend die Wiedereinführung der Zweckwidmung des Wohnbauförderungsbeitrages und auch der Darlehensrückflüsse aus den Wohnbaudarlehen. So kann es gelingen, die Neubauleistung im geförderten Mietwohnungssegment auszudehnen und den rückläufigen österreichweiten Fertigstellungszahlen in diesem Bereich zu entgegnen.

  • 800 Euro steuerlicher Wohnbonus wären auch ein spürbarer Impuls. Dieser negativsteuerabzugsfähige Absetzbetrag sollte für alle Arbeitnehmer:innen gelten. Damit würden sämtliche Beschäftigte – auch alle, die wenig verdienen – einmal im Jahr bis zu 800 Euro vom Finanzamt zurückbekommen. Bei Mieter:innen soll der laufende Mietzins abgezogen werden können. Für Eigenheimbesitzer:innen soll der Wohnbonus bei Rückzahlungen von Krediten für Ankauf, Neubau oder Sanierung von Wohnraum zur Anwendung gelangen.

  • Zu guter Letzt baucht es auch eine rückwirkende echte und wirksame Mietpreisbremse: Sämtliche Mieten – auch im privaten Mietsegment – sollen nur einmal pro Jahr um maximal zwei Prozent erhöht werden dürfen. Diese Form der Mietpreisbremse sollte rückwirkend per 1. Jänner 2023 umgesetzt werden.  
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