Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ für mehr leistbares Wohnen

12. September 2023

Die Baulandpreise kennen seit Jahren nur eine Richtung: steil nach oben. Ein Faktum, das der Dynamik stetig steigender Wohnkosten zusätzlichen Aufwind verleiht. Immer drängender wird daher die Notwendigkeit, wirksame politische Werkzeuge anzuwenden, um das ausufernde Wachstum der Baulandpreise einzudämmen. Wichtig ist die Dämpfung der Baulandpreise auch für die Zukunft des sozialen Wohnbaus in Österreich: Gerade in Zeiten, in denen  innerhalb weniger Monate auf eine Mietpreissteigerung  schon die nächste folgt, ist der Beitrag des sozialen Wohnbaus für leistbares und qualitätsvolles Wohnen von essentieller Bedeutung. Eine unerlässliche Grundfeste dafür ist aber, dass für den sozialen Wohnbau auch ausreichend leistbares und verfügbares Bauland zur Verfügung steht.

Ein geeignetes Werkzeug dafür ist die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ im oberösterreichischen Raumordnungsgesetz. Wesentliches Manko dieses Instrumentes ist jedoch: Es liegt im Ermessen der Städte und Gemeinden, ob sie die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ tatsächlich zur Anwendung bringen. Dringend gefordert ist daher ein Anreizsystem, das die Kommunen zur großflächigen Anwendung dieses Models ermuntert. Wohnen darf nicht zum unerschwinglichen Luxusgut werden, sondern muss vielmehr für alle Menschen in leistbarer und qualitätsvoller Weise abgesichert werden. Dafür müssen alle verfügbaren politischen und legistischen Werkzeuge auch tatsächlich zur Anwendung gelangen.

Südtiroler Modell: Lösungsansatz auch für Österreich?

Dieses Modell besagt im Wesentlichen, dass Baulandwerber:innen nur dann der positive Abschluss eines Widmungsverfahrens in Aussicht gestellt wird, wenn 60 Prozent des neu zu widmenden Baulandes für den sozialen Wohnbau zweckgewidmet werden und genau dafür nur die Hälfte des üblichen Preises abgegolten wird. Es sollte daher auch in der österreichischen Rechtsordnung verankert werden.

Widmungskategorie “Sozialer Wohnbau” im OÖ Raumordnungsgesetz

Eine unveränderte Übertragung des Südtiroler Modells in die österreichische Rechtsordnung ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nicht möglich ist. Die gute Nachricht ist aber der Umstand, dass das oberösterreichische Raumordnungsgesetz seit 1. Jänner 2021 die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ als „Kann-Bestimmung“ ermöglicht:

„ALS  GEBIETE  FÜR DEN SOZIALEN WOHNBAU SIND FLÄCHEN FÜR DEN GEFÖRDERTEN MEHRGESCHOSSIGEN (MINDESTENS DREI  GESCHOSSE ÜBER DEN ERDBODEN) WOHNBAU ODER GEBÄUDE IN VERDICHTETER FLACHBAUWEISE (§2 Z 29 OÖ. BAUTECHNIKGESETZ 2013) VORZUSEHEN.“

(Oö. Raumordnungsgesetz 1994 §22 Abs. 1a)

Die in der aktuellen oberösterreichischen Raumordnung festgeschriebene Kategorie beinhaltet, dass höchstens 50 Prozent einer als Bauland zu widmenden Fläche für den sozialen Wohnbau zweckgewidmet werden können (nicht müssen). Was den Baulandpreis betrifft, so muss dem bzw. der Grundstückseigentümer:in ein angemessener Preis angeboten werden. Als angemessen gelten zumindest 50 Prozent des ortsüblichen Verkehrswertes. Ob die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ tatsächliche Anwendung findet, ist eine Entscheidung, die wie bereits erwähnt, im Ermessen der jeweiligen Kommune liegt.

Anreizsysteme von Bund und Land gegenüber den Kommunen

Österreich ist ein föderaler Bundesstaat. Entsprechend vielfältig sind auch die Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden in gesetzgeberischer Hinsicht und in den Agenden der Vollziehung unterteilt. Dem entsprechend verlaufen auch viele Finanzströme vom Bund über die Länder, bis hin zu den Städten und Gemeinden. Im Finanzausgleichsgesetz sind einerseits die Geldströme vom Bund zu den Ländern, aber auch vom Bund zu den Gemeinden geregelt. Dazwischen gibt es aber auch Spielräume, innerhalb welcher der Bund und auch die Bundesländer versuchen, Kommunen mit Hilfe von finanziellen Anreizsystemen zu einem ganz bestimmten Verhalten und politischen Gestalten zu bewegen. 

So gibt es eine ganze Reihe von Beispielen, mit denen der Bund Investitionen in den Kommunen in der Vergangenheit förderte, oder dies auch aktuell tut, beispielweise das kommunale Investitionsprogramm 2023. Damit werden etwa Maßnahmen zur Hebung der Energieeffizienz sowie der Umstieg auf erneuerbare Energieträger in den Kommunen gefördert.

Mit Bedarfszuweisungsmitteln fördern die Länder Investitionen in den Gemeinden. Andererseits haben die Kommunen an das Land eine Landesumlage zu entrichten. Der auf die einzelnen Gemeinden entfallende Anteil der Landesumlage richtet sich nach deren Finanzkraft im jeweiligen Vorjahr.

Bund: Kommunales Investitionsprogramm “Sozialer Wohnbau”?

Anzudenken wäre in diesem Zusammenhang ein eigenes Anreizsystem des Bundes, welches Städte und Gemeinden dafür belohnt, wenn sie die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ bei Bauland-Neuwidmungen anwenden, und in Folge davon tatsächlich Bauprojekte im Rahmen des sozialen Wohnbaus zur Umsetzung gelangen.

Wesentlicher Bestandteil dieses Anreizsystems könnte ein eigenes kommunales Investitionsprogramm “Sozialer Wohnbau” sein. Wenn in einer Kommune erstens im Zuge einer Baulandneuwidmung die Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ angewendet wird, und zweitens auf dieser Fläche tatsächlich Bauprojekte zur Ausführung gelangen, soll die Gemeinde dafür eine Förderung in der Höhe von 50 Prozent der anfallenden kommunalen Infrastruktur-Investitionskosten erhalten. Mit dieser Förderung erhielten die Kommunen einen sogenannten Zweckzuschuss, mit dem sie die Infrastruktur, wie Zufahrtsstraßen und Wasserversorgungs- und Abwasserbeseitigungsnetz am Areal der zu errichtenden sozialen Wohnbauprojekte, errichten können.

Länder: Rabatt und Kostenbeteiligung?

Ein weiterer konkreter Vorschlag in diesem Zusammenhang wäre, dass auch das Bundesland Oberösterreich ein gezieltes Anreizsystem etabliert, damit Städte und Gemeinden die Widmungskategorie “Sozialer Wohnbau” verstärkt zur Anwendung bringen, damit den gemeinnützigen Bauvereinigungen ausreichend leistbares Bauland zur Verfügung steht. Eine Möglichkeit in diesem Zusammenhang wäre, dass Kommunen einen Rabatt bei der Landesumlage erhalten, welche die Städte und Gemeinden an das Land Oberösterreich abzuführen haben. Ebenso ein Vorschlag in diesem Zusammenhang wäre, dass das Land die Hälfte der Kosten der Infrastrukturbereitstellung (Errichtung einer Zufahrtsstraße, sowie des Abwasser-Kanalsystems und der Trinkwasserversorgung) für Bauland mit Widmung zugunsten des sozialen Wohnbaus übernimmt.

Positive Effekte des gemeinnützigen Wohnbaus

Nicht nur für die Bewohner:innen des gemeinnützigen Wohnungssektors bieten sich kostengünstige Lebensräume, sondern auch diejenigen, die auf das private Mietsegment angewiesen sind, können von den erheblich preisdämpfenden Effekten des sozialen Wohnbaus profitieren. Eine Studie des WIFO (2023) zeigt, dass ein Zuwachs von gemeinnützigen Wohnungen um mehr als zehn Prozent den Quadratmeterpreis privater Wohnungen um bis zu 40 Cent nach unten drückt.

Darüber hinaus bietet die intensive Anwendung der Widmungskategorie „Sozialer Wohnbau“ zumindest die Chance, eine erheblich dämpfende Wirkung auf die Baulandpreise zu entfalten. Das entlastet nicht nur das Portemonnaie der Mieter:innen, sondern auch derjenigen, die auf intensiver Suche nach einer leistbaren Bauparzelle sind. Auf diese Weise entfaltet der gemeinnützige Wohnungsbau nicht nur eine positive Wirkung auf die Mieten, sondern reicht bis in die Sphäre potentieller Grundstückskäufer:innen zur Eigenheimerrichtung hinein.

Dekoratives Bild © A&W Blog
© A&W Blog

Sozialer Wohnbau leistet wichtigen Beitrag zur Reduktion von Flächenfraß und Bodenversiegelung

Österreich ist nach wie vor Spitzenreiter, was das Ausmaß an Bodenversiegelung und „Flächenfraß“ betrifft: Täglich werden österreichweit mehr als 11 Hektar Boden versiegelt. Unter den österreichischen Bundesländern belegt dabei das Bundesland Oberösterreich den „traurigen Spitzenplatz“. Der tägliche Bodenverbrauch stieg um mehr als zwei Drittel von 2,48 (2021) auf 4,25 Hektar im Jahr 2022. Vor diesem Hintergrund gewinnt der soziale Wohnbau, sei es in Form von mehrgeschossigen Wohnbauten oder Gebäuden in verdichteter Flachbauweise, eine immer bedeutendere Rolle. Angesichts der begrenzten verfügbaren Flächen wird die vertikale Ausdehnung immer relevanter, um der steigenden Nachfrage nach Wohnraum gerecht zu werden. Durch den gemeinnützigen Wohnbau wird nicht nur eine bessere Nutzung der zur Verfügung stehenden Fläche ermöglicht, sondern es werden auch natürliche Ressourcen geschont. Zusätzlich zu den ökologischen Aspekten bietet der soziale Wohnbau auch eine Chance zur Schaffung lebendiger, nachhaltiger Gemeinschaften, indem die soziale Interaktion gefördert und die Abhängigkeit vom Individualverkehr reduziert wird. Dies wiederum entlastet nicht nur die Umwelt, sondern schafft auch lebenswertere Lebensräume.