Sparen und Investieren: zukunftsfähige Budgetpolitik

23. November 2023

Zwar werden mit dem Budget für 2024 besonders für Klimapolitik mehr Mittel zur Verfügung stehen. Zu wenig wird jedoch auf aktuelle Bildungs- und Qualifizierungsherausforderungen reagiert. Eine wohlstandsorientierte Budgetpolitik kommt insgesamt zu kurz. Trotzdem ist das Budgetdefizit mittelfristig zu hoch – weil finanzielle Spielräume wie der Abbau von Unternehmenssubventionen, ein Verzicht auf die Senkung der Körperschaftsteuer oder eine Besteuerung großer Vermögen nicht genutzt werden.

Budget hängt an Lohnerhöhungen

Der Entwurf für das Bundesfinanzgesetz 2024 ist noch geprägt von Inflation und Rezession, die in Österreich merklich schlimmer ausfielen als in den anderen EU-Ländern. Die aktuelle WIFO-Prognose sieht im kommenden Jahr eine verhaltene Erholung vor. Sie ist wahrscheinlich zu vorsichtig, denn die Talsohle der Industrierezession ist bereits durchschritten und die zu erwartenden kräftigen Lohnerhöhungen beflügeln die Konsumnachfrage. Unter den gegebenen Annahmen plant das Finanzministerium ein gesamtstaatliches Finanzierungsdefizit von 2,7 Prozent des BIP, was laut Analyse des Fiskalrats jedoch zu pessimistisch ist.

Das Budget basiert auf der Annahme von Lohnerhöhungen im Ausmaß der rollierenden Inflation (+9,6 Prozent in der Metallindustrie, +7,6 Prozent pro Kopf im Jahresdurchschnitt 2024). Die Einnahmenseite des Staates hängt auch direkt stark vom Ausmaß der Lohn- und Gehaltserhöhungen ab, vor allem in der Sozialversicherung: 10 Prozent höhere Löhne und Gehälter führen dort zu einem Einnahmenplus von 3,6 Mrd. Euro, davon 2,2 Mrd. Euro in der Pensionsversicherung. Niedrigere Lohnerhöhungen mindern das Einnahmenplus und belasten auch direkt das Bundesbudget, da der Bund in der Pensionsversicherung eine Ausfallshaftung übernimmt. Dazu kommen indirekte Effekte über höhere Konsumnachfrage und Beschäftigung sowie deren Wirkungen auf die Abgaben. Die Ergebnisse der Kollektivvertragsverhandlungen haben somit auch erhebliche Auswirkungen auf das Budget.

Nächste:r Finanzminister:in muss Budget konsolidieren und in Zukunft investieren

Viel problematischer als das hohe Budgetdefizit im Jahr 2024 ist, dass dieses selbst bis 2027 nur knapp unter 3 Prozent gehalten werden kann, was in offensichtlichem Gegensatz zu den EU-Fiskalregeln und in bemerkenswertem Widerspruch zum Drängen des Finanzministers auf deren strikter Einhaltung steht. Dies ist allerdings nicht Ausdruck eines Kurswechsels: Die Budgetplanung beinhaltet kein offensives Programm der grünen Zukunftsinvestitionen – im Gegenteil, es zeichnet sich sogar ein leichter Rückgang der Investitionsquote ab.

Die Nettoinvestitionen lagen 2023 bei 0,7 Prozent des BIP – um die Klimakrise zu bewältigen, müssten sie verdoppelt werden. Ökonomisch wäre mittelfristig ein Budgetdefizit im Ausmaß der Nettoinvestitionen des Staates begründbar und vernünftig. So bleibt aber nur der Schluss, dass sowohl die Sicherung der langfristigen Stabilität der Staatsfinanzen als auch die offensiven Zukunftsinvestitionen der nächsten Bundesregierung und dem bzw. der nächsten Finanzminister:in überantwortet werden.

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Hohe Klimaausgaben ohne Erreichung der Klimaziele

Das Budget 2024 beinhaltet ein neues Rekordhoch an Klimaausgaben. Im Schwerpunkt Klima und Transformation steigen die Auszahlungen um mehr als 500 Mio. Euro auf 3,2 Mrd. Euro. Im Umweltförderungsgesetz wird der Zusagerahmen für Umweltförderungen bis 2027 auf mehr als 11 Mrd. Euro erhöht. Das Finanzministerium kommt für 2024 auf einen Wert der klima- und umweltrelevanten Auszahlungen im weiteren Sinn in allen Budgetuntergliederungen von 11 Mrd. Euro, das sind um 3 ½ Mrd. mehr als 2022. Der Großteil davon entfällt auf den Klimaschutz, wie wir in unserer Budgetanalyse zeigen. Positiv hervorzuheben sind hier die Zahlungen für Schieneninvestitionen (4 Mrd. Euro), das Klimaticket (800 Mio. Euro), der zweite Schritt für mehr grüne Investitionen von Städten und Gemeinden durch den Zukunftsfonds des Finanzausgleichs (vermutlich 330 Mio. Euro), die Zusatzausgaben für Heizkesseltausch (950 Mio. Euro) und die Klimaforschung im Bereich der Innovation und Technologie (500 Mio. Euro).

Dennoch bleiben zwei gravierende Unzulänglichkeiten in der Klimapolitik: Erstens reichen die Maßnahmen nicht, um Österreichs Klimaverpflichtungen zu erfüllen. Die Treibhausgasemissionen sinken um 1 bis 2 Prozent pro Jahr, notwendig wäre jedoch ein Minus von mehr als 6 Prozent. Zweitens ist der Anteil der teuren und oft ineffizienten Subventionen und Steuersenkungen (z. B. Mehrwertsteuerbefreiung Photovoltaik) zu hoch, jener der wirksamen öffentlichen Investitionen und der budgetschonenden Regulierungen (Raumplanung, Heizungstausch, Privatjets u.v.a.m.) ist zu gering.

Mehr Mittel für Pflege

Im Sozialsystem zeigen sich einige erfreuliche Verbesserungen, die allerdings zu kurz greifen. So werden die 2023 erreichten Mehrausgaben für die Entgelte für Pflegekräfte und Auszubildende voraussichtlich in der Aufstockung des Pflegefonds (+644,4 Mio. Euro) weitergeführt. Weitere Schritte müssen zügig folgen: Rasche Erhöhung der Löhne und der finanziellen Absicherung während der Ausbildung, kürzere Arbeitszeiten, Ausbau mobiler Dienste, bessere Verzahnung mit dem Gesundheitssystem, Integration der 24-Stunden-Betreuer:innen, Investitionen in alternative Wohnformen, mehr psychosoziale Arbeit. Das kostet alles sehr viel, verlangt nach zusätzlicher Finanzierung und hebt den Wohlstand der Bürger:innen entscheidend.

Manifeste Armut verhindern

Das vielleicht wichtigste sozialpolitische Ziel müsste die Verhinderung manifester Armut sein, gerade in einer Gesellschaft, in der es Milliardär:innen gibt. Die Teuerungskrise erhöht soziale Ungleichheit und Armut. Das Antiteuerungspaket (60 Euro pro Kind und Monat) für vulnerable Familien von knapp 300 Mio. Euro hilft wesentlich. Es reicht aber nicht, um manifeste Armut unter Kindern zum Verschwinden zu bringen. Sie betraf 2022 laut EU-SILC 36.000 Kinder und dürfte seither gestiegen sein, worauf die aktuellen Informationen von Statistik Austria hinweisen: 117.000 Kinder lebten im 2. Quartal 2023 in Haushalten, in denen nicht zumindest jeden zweiten Tag ein warmes Hauptgericht leistbar war, 190.000 Kinder in Haushalten, die die Wohnung nicht warm halten konnten.

Zudem lässt die Bundesregierung bei Langzeitarbeitslosen und ihren Familien, der mit Abstand am stärksten armutsgefährdeten sozialen Gruppe, in Kenntnis aller Umstände Armut zu. Für die Verhinderung manifester Armut unter mehr als 200.000 Menschen wären etwa 2,5 Mrd. Euro erforderlich. Die wichtigsten Ansatzpunkte bilden die Erhöhung der Ausgleichszulage (und damit der Sozialhilfe), des Arbeitslosengeldes und der Notstandshilfe, des Unterhaltsvorschusses sowie ein offensives Programm für ein tägliches warmes und gesundes Mittagessen für alle Kinder. Die Kosten von 2,5 Mrd. Euro entsprechen weniger als 1 ½ Prozent des Vermögens der 49 Milliardärsfamilien.

Beschämend niedrig: Entwicklungszusammenarbeit

Peinlich niedrig sind seit Jahrzehnten die operativen Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit. Es ist eigenartig, dass andere Ressorts zunehmend die Aufgaben des Außenamtes übernehmen. Etwa das Klimaministerium, das die Beiträge zur internationalen Klimafinanzierung (z. B. Green Climate Fund des UNFCCC) neuerlich merklich auf 90 Mio. Euro erhöht und damit gegenüber 2022 verdreifacht. Ein gesellschaftlich sinnvoller Sicherheitsbegriff würde nahelegen, nicht nur die direkte Entwicklungszusammenarbeit über die ADA (Austrian Development Agency) im Umfang von 124 Mio. Euro (2023) massiv aufzustocken statt real zu kürzen, sondern auch den Auslandskatastrophenfonds oder die Mittel für das UN-Welternährungsprogramm – zumindest ähnlich wie die Militärausgaben, die 2024 neuerlich um 700 Mio. Euro steigen.

Gefährlich vernachlässigt: Bildung

Vernachlässigt wird einmal mehr die Bildung – trotz nomineller Mittelerhöhung, die die Inflation ausgleicht. Zusätzliche Mittel für den Ausbau der Elementarpädagogik werden über den Finanzausgleich erhofft, wobei vor allem auf die Qualität der Kinderbildung und ganztägige und ganzjährige Öffnungszeiten zu achten ist. Ähnliches gilt für den Ausbau und die dauerhafte Finanzierung von Tagesbetreuung der 6- bis 13-Jährigen. Alle Bundesländer außer Wien und dem Burgenland verfehlen das ohnehin bescheidene Ziel einer Betreuungsquote von 40 Prozent. Die Mittel müssten real jedes Jahr um wenigstens 200 Mio. Euro gegenüber dem Vorjahr steigen. Die über den sogenannten Zukunftsfonds im Rahmen des Finanzausgleichs geplanten zusätzlichen Mittel des Bundes für Kindergärten und Tagesbetreuung müssen klar an die Erfüllung von Zielvorgaben durch Länder und Gemeinden geknüpft werden.

Erfreuliche reale Mittelerhöhungen verzeichnet die Wissenschaft, besonders die Fachhochschulen, für die 2024 480 Mio. Euro aufgewendet werden, was zusätzliche Studienplätze in technischen Fächern ermöglicht. Die Pflegeausbildung darf auch auf akademischem Niveau nicht vernachlässigt werden.

So viele Herausforderungen für die Arbeitsmarktpolitik

Vielen Unternehmen fehlen Arbeitskräfte, gleichzeitig steigt die Arbeitslosigkeit und viel zu viele Menschen haben nur prekäre Jobs. Das wäre die Hochzeit für innovative Arbeitsmarktpolitik. Sie müsste Menschen im Erwerbsalter ohne Beschäftigung auf gute Arbeit vorbereiten, qualifizieren und vermitteln. In Zukunft sollten auch Beschäftigte auf sichere Arbeitsplätze bei guten Unternehmen qualifiziert und vermittelt werden. Das würde den Strukturwandel beschleunigen, die Produktivität und den Wohlstand erhöhen. Die Mittel für Arbeitsmarktpolitiklassen dafür zu wenig Spielraum. Ursprünglich geplante Mittelkürzungen, verbunden mit der merklichen Senkung der ALV-Beiträge, wurden verhindert und das AMS-Budget steigt durch die Auflösung von Rücklagen leicht. Positiv hervorzuheben sind das Intensivprogramm in Höhe von 75 Mio. Euro für die Arbeitsmarktintegration von jungen Asylberechtigten und die Verankerung des Bildungsbonus im Dauerrecht. Doch das reicht nicht.

Mit Fachkräftequalifizierung, Nachholen von Bildungsabschlüssen, Schaffung von Ausbildungszentren, Beschäftigungsgarantien, besserer Vermittlung und sozialer Absicherung der Arbeitslosen muss das große Arbeitskräftepotenzial im Inland gehoben werden. Es umfasst viele hunderttausend Menschen, darunter 300.000 Personen in der „Stillen Reserve“, 140.000 Teilzeitbeschäftigte mit Wunsch nach mehr Arbeitsstunden, 300.000 Ältere, 300.000 Arbeitslose und mehr als 500.000 Niedriglohnbeschäftigte. Ab 2025 drohen sogar Kürzungen im AMS-Budget. Damit würden alle Chancen vertan, die sich aus der Arbeitskräfteknappheit für einen Strukturwandel mit besseren Arbeitsplätzen und höherer Produktivität ergeben.

Wohlstandsorientierte Budgetpolitik

Der Ausbau sozialer Pflege, Gesundheit und Bildung, die Abschaffung manifester Armut, eine offensive Arbeitsmarktpolitik, die Wahrnehmung der internationalen Verpflichtungen, grüne Investitionsoffensiven, geringere Abgaben auf Leistungseinkommen aus Arbeit sind teuer. Gleichzeitig ist der Finanzierungsspielraum groß: Abbau von Subventionen, Strukturreformen etwa im Gesundheitssystem, Verzicht auf die Senkung der Körperschaftsteuer oder der Mehrwertsteuer auf Photovoltaik, eine echte Übergewinnsteuer auf Energieunternehmen, Kampf gegen Steuerhinterziehung, progressive Erbschafts- und Vermögenssteuern.

Diese Maßnahmen würden sozialen Ausgleich und nachhaltigen wirtschaftlichen Erfolg verbinden und den Wohlstand entscheidend erhöhen.

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