Gesundheit, bitte warten?!

18. Juni 2024

Was ist das größte Problem des österreichischen Gesundheitssystems? Viele Patient:innen sehen dies in langen Wartezeiten, vor allem bei Kassenärzt:innen. Die laufende Gesundheitsreform wirkt noch kaum. Das Gesundheitssystem braucht Veränderung.

Eine leistbare, wohnort- und zeitnahe Gesundheitsversorgung ist ein zentrales Element des österreichischen Sozialstaates. Allerdings ist ein zeitnaher Zugang zu Gesundheitsleistungen in Österreich derzeit nicht mehr selbstverständlich. Die Zufriedenheit mit den Gesundheitsleistungen sinkt. So zeigt eine IFES-Befragung, dass weniger als die Hälfte (47 Prozent) der Befragten zufrieden mit dem Gesundheitssystem ist. Jede:r Sechste ist mit dem System unzufrieden. In urbanen Zentren ist die Unzufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung besonders hoch. Zudem wirkt sich auch der Bildungsgrad auf die Zufriedenheit aus: Je höher die Bildung, desto zufriedener sind die Menschen auch mit dem Gesundheitssystem.

Bitte warten – ein Hauptgrund für die hohe Unzufriedenheit bei Patient:innen

Lange Wartezeiten prägen die Versorgungslandschaft, so auch bei den Wartezeiten auf planbare Operationen. Je nach Krankenhausstandort ist die Wartezeit sehr unterschiedlich. Auf einen Termin für eine Knie-OP wartet man in Oberösterreich aktuell bis zu 53 Wochen, für eine Hüft-OP bis zu 52 Wochen und für eine Augen-OP (grauer Star) bis zu 24 Wochen. Selbst für einen Routineeingriff wie beim Paukensyndrom bei Kindern gibt es teils Wartezeiten von bis zu einem Jahr. Die offizielle Anfragebeantwortung des Landes Oberösterreich spiegelt sich auch in den IFES-Daten wider. Wurde in den letzten zwei Jahren zum Beispiel ein Operationstermin benötigt, mussten Menschen in Oberösterreich meistens länger als drei Monate darauf warten:


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Therapievorschlag Geduld?

Von den versprochenen zusätzlichen neuen Kassenarztstellen wurde in Oberösterreich noch keine einzige tatsächlich besetzt. Zahlreiche weitere Stellen sind offen. Patient:innen brauchen derzeit vor allem eines: viel Geduld und Zeit. Ungefähr die Hälfte der Arbeitnehmer:innen sind (eher) stark davon betroffen, keinen Termin zu bekommen, da von den Ärzt:innen keine neuen Patient:innen aufgenommen werden (können). Am längsten müssen Patient:innen in den Bereichen Radiologie, Gynäkologie, Psychotherapie, Dermatologie und Orthopädie auf Facharzttermine warten. In der Gynäkologie vergehen bei fast einem Drittel (30 Prozent) der weiblichen Befragten sogar oft mehr als drei Monate, bis diese untersucht werden.

Zahl der Wahlärzt:innen steigt

Kürzere Wartezeiten auf Arzttermine sind laut IFES-Umfrage einer der Hauptgründe für die Konsultation von Wahlärzt:innen. Andere Gründe sind die Behandlungsqualität, die leichter integrierbaren Öffnungszeiten und die räumliche Nähe. Ungünstige Öffnungszeiten von Arztpraxen belasten rund ein Drittel der Befragten stark. Befragte geben jedoch an, dass sie, auch im Zusammenhang mit der Terminfindung bei Wahlärzt:innen, mit organisatorischen und logistischen Problemen zu kämpfen haben, obwohl sich die Zahl der Wahlärzt:innen seit 2017 deutlich erhöht hat. Nicht verwunderlich. Es steigt zwar die Zahl der Wahlärzt:innen, insgesamt tragen sie aber einen kleineren Teil zur Gesamtversorgung bei, 6,6 Prozent der ÖGK-Aufwendungen für den niedergelassenen ärztlichen Bereich werden derzeit für Wahlärzt:innen ausgegeben.

Langes Warten ist kein Einzelphänomen, sondern wird zum Standard. Bis zu drei Monate warten Patient:innen in Wiener Schmerz- und Anästhesieambulanzen derzeit auf eine Erstbegutachtung, obwohl sie aktuell von Schmerzen geplagt sind. Parlamentarische Anfragen an den zuständigen Bundesminister zeigen ein ähnliches Bild in allen Versorgungsbereichen und Fachdisziplinen. Erst unlängst hat die Ärztekammer eine Umfrage bei Wiener Ärzt:innen durchgeführt, die zeigt, dass sich Wartezeiten in den Praxen verschlechtert haben.

Menschen mit chronischen Erkrankungen besonders betroffen

Menschen, die mit chronischen Gesundheitsproblemen zu kämpfen haben, sind aufgrund ihrer Diagnose besonders stark von gut funktionierenden Gesundheitsleistungen abhängig. Sie sind gleichzeitig auch diejenigen, die die größte Unzufriedenheit mit dem System aufweisen – nur 45 Prozent der chronisch kranken Befragten äußerten sich positiv zur aktuellen Gesundheitsversorgung. Lange Wartezeiten und die geografische Lage der Ordinationen machen durch den zusätzlichen Aufwand und die anfallenden Fahrtkosten für die spezialisierte Betreuung diesen Menschen das Leben schwer.

Gesundheit ist leider immer noch eine Frage des Einkommens

Bildung und Einkommen wirken sich stark auf die Zufriedenheit mit der Gesundheitsversorgung aus. 63 Prozent der AK-Mitglieder, die angeben, sehr gut von ihrem Einkommen leben zu können, sind auch mit der medizinischen Versorgungssicherheit in Oberösterreich zufrieden. Am unteren Ende der Einkommensskala steht es schlechter um die Zufriedenheit. Ca. 70 Prozent jener AK-Mitglieder, die Schwierigkeiten haben, mit ihrem Einkommen auszukommen, sind mit dem Gesundheitssystem unzufrieden.

Verschärft wird die Situation in ländlichen Regionen. Lange Anfahrtswege, mangelhafte öffentliche Anbindung und Parkgebühren gehen einher mit Zusatzkosten für die Anreise.

Aktuelle Gesundheitsreform als kleines Pflaster

Im Zuge der aktuellen Finanzausgleichsverhandlung wurde eine umfangreiche Gesundheitsreform beschlossen, unter anderem mit einer gesonderten Finanzierung für den niedergelassenen Bereich (Haus- und Fachärzt:innen), dem Aufbau zusätzlicher Arztstellen, leichterer Abrechnung bei Wahlärzt:innen ab Juli 2025, mehr Finanzmitteln für Krankenhäuser usw. Ein halbes Jahr nach Inkrafttreten zeigt sich allerdings, dass eine spürbare Entlastung bisher weder bei den Patient:innen noch den Beschäftigten im Gesundheitsbereich angekommen ist.

Ein langes Warten auf die medizinische Behandlung sollte endlich ein Ende finden, damit alle Menschen in Österreich wieder jene Gesundheitsleistungen erhalten, die ein schmerzfreies Leben und Arbeiten ermöglichen. Konkrete Maßnahmen dazu sind:

  • Mehr Tempo für eine solidarische Gesundheitsreform, um die Zwei- bzw. mittlerweile Drei-Klassen-Medizin zu stoppen.
  • Bessere Planung und Organisation in Gesundheitseinrichtungen, um ausreichend Kapazitäten sicherzustellen.
  • Mehr Kassenärzt:innen: nicht nur mehr Stellen, sondern auch attraktivere Rahmenbedingungen, um die Nachhaltigkeit der Besetzung sicherzustellen.
  • Nachhaltige Verbesserungen anstelle von einmaligen Anreizen in der Gesundheitsversorgung.
  • Rascher Ausbau der Gesundheitsversorgung, damit jeder leicht einen Arzt oder eine Ärztin findet und eine Therapie bzw. Unterstützung bekommt, wenn es notwendig ist.
  • Eine stärkere Unterstützung für präventive Maßnahmen und Früherkennung, um die Belastung des Systems durch spätere, aufwendigere Behandlungen zu entlasten.
  • Mehr Tempo beim Ausbau der Primärversorgungseinrichtungen und auch eine Einbeziehung der anderen Gesundheitsberufe.
  • Schneller regionale Lösungen schaffen, damit die medizinische Versorgung trotz Knappheit der Ressourcen gewährleistet werden kann.
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