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Pflege leistet in Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen einen enormen Mehrwert im Krankenhaus – ihre Berücksichtigung bei der Finanzierung des akuten Gesundheitssystems ist allerdings überschaubar. Österreich hat mit einem Bruttoinlandsprodukt-Anteil von 11,5 Prozent einen der höchsten Anteile für Gesundheitsversorgung in den EU-OECD-Ländern (OECD, 2021 ). Deutlich wird: Es braucht eine stärkere Priorität auf die Pflege und weitere Gesundheitsberufe bei der Verteilung der Budgetmittel .
Derzeitiger Status quo: Pflege, die überflüssige Ressource in Österreichs Krankenhäusern? Spätestens seit Covid-19 wissen alle: Pflege ist systemrelevant . Und trotzdem, bei der Finanzierung der Krankenhäuser spielt sie immer noch eine untergeordnete Rolle. Das wird nicht nur durch die relativ geringe Entlohnung von spezialisierten Pflegefachkräften – trotz ihrer enormen Verantwortlichkeit –, sondern ebenfalls durch die Tatsache ersichtlich, dass es für die Pflegepersonalausstattung auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern – im Gegensatz zu anderen Ländern – keine einheitlichen und verbindlichen Vorgaben für Quantität und Qualifikation des Personals gibt. Vielleicht als Konsequenz daraus zeigen österreichische Krankenhäuser im europäischen Vergleich eine der niedrigsten Zahlen an (vollzeitäquivalenten) Stellen für Pflegepersonen im Verhältnis zu den verfügbaren Krankenhausbetten. In diesem Zusammenhang hat auch eine Untersuchung der Arbeiterkammer Oberösterreich gezeigt, dass auf der internationalen Ebene verfügbare Daten auf Systemebene in Österreich fehlen bzw. diese nicht öffentlich und transparent verfügbar sind. Die MISSCARE-Austria Studie bringt neue Daten und verdeutlicht, dass z.B. eine Pflegefachkraft im gehobenen Dienst auf Allgemeinstationen in österreichischen Krankenhäusern durchschnittlich für 15 Patient*innen am Tagdienst bzw. 21 Patient*innen im Nachdienst Verantwortung übernimmt. 68 Prozent der Befragten schätzten in diesem Rahmen die Pflegepersonalbesetzung in ihrem Team als unangemessen ein.
Diese Ergebnisse stellen sich im internationalen Vergleich als ungünstig dar. Vor allem sind sie widersprüchlich: Die Evidenz zeigt, dass sich die verfügbaren Pflegepersonalressourcen in den Krankenhäusern eines Landes als umgekehrt proportional zum Bruttoinlandsprodukt dieses Landes darstellen. Österreich zeigt hier also eindeutige Defizite in der Verteilung der Ressourcen, d.h., in Österreich wird zwar anteilsmäßig viel in das Gesundheitssystem investiert, die Zahlen zeigen aber, dass sich dies nur mäßig auf die Zahl der verfügbaren Pflegefachkräfte (in Vollzeitäquivalenten) auswirkt, die in diesem Bereich tätig sind.
Mehr Personal in der akuten Pflege als Lösung? So einfach klappt das nicht Die Verfügbarkeit an quantitativ und qualitativ angemessenen Pflegepersonalressourcen ist der zentrale Einflussfaktor auf die Versorgungsqualität im Krankenhaus. In der Forschungslandschaft zu Missed Nursing Care wurde z. B. mehrfach gezeigt, dass weniger qualifizierte Pflegepersonen zu einer Mind e rung der Patient*innensicherheit führen – auch bezogen auf medizinische und therapeutische Outcomes. Sind also mehr qualifizierte Pflegefachkräfte, in Kombination mit einer angemessenen Anzahl an Fachkräften in anderen Gesundheitsberufen, die Lösung für den drohenden Kollaps der akuten Gesundheitsversorgung?
Eindeutig ja – aber wie kommen mehr Personen in die Pflegeberufe, wie werden sie (weiter)qualifiziert und wie bleiben sie im Gesundheitssystem erhalten? Investitionen in die Akademisierung und weitere Ausbildungskapazitäten sind hier die ersten logischen Schritte. Allerdings reicht das allein nicht. Der oö. Landesrechnungshof hat erst kürzlich aufgezeigt, dass nicht alle Ausbildungsplätze belegt werden können und viele Pflegefachkräfte die Ausbildung abbrechen. Die derzeit prekären Arbeitsbedingungen tragen dazu bei, dass Pflegefachkräfte immer häufiger an einen vorzeitigen Berufsausstieg denken. Nicht einmal die Hälfte der Beschäftigten kann es sich unter den derzeitigen Arbeitsbedingungen vorstellen, bis zur Pension in diesem Beruf zu bleiben . Auch Image-Kampagnen oder aktuelle Bonuszahlungssysteme scheinen entsprechend den Rückmeldungen aus der Praxis noch keine Wirkung zu erzielen.
Der Teufelskreis des Pflegepersonalmangels Die Missed-Nursing-Care-Studie zeigt den Teufelskreis des Scheiterns der aktuellen Rahmenbedingungen in der akuten Pflegepraxis auf. Hier wurde gezeigt, dass:
fehlende angemessene Pflegepersonalressourcen, gepaart mit einem Mangel an notwendiger Ausstattung, Hilfsmitteln und technologischen Innovationen, sowie hierarchische und inadäquate Arbeitsplatzkulturen, geprägt von Machtungleichheit und unangemessenen Strukturen gegenüber Patient*innen und Angehörigen sowie Pflegefachkräften, dazu führen, dass Pflegepersonen Versorgung weglassen müssen, ihre Patient*innen nicht entsprechend ihrer fachlichen Bedarfseinschätzung und ihrem Berufsethos pflegen können und Patient*innenkomplikationen entstehen , was umgekehrt wieder zu weniger Attraktivität der Pflege führt.
Gleichbleibende erschwerte Rahmenbedingungen in der Praxis führen zu einer wiederkehrenden Verletzung der beruflichen Integrität. Zwar suchen Pflegefachkräfte nach besseren Bedingungen, unter anderem durch einen Arbeitsplatzwechsel, aber oft bleiben die erschwerten Rahmenbedingungen in der Praxis erhalten. In diesem Kontext steigt die Wahrscheinlichkeit an, dass sie resignieren und besonders belastet bleiben. Das Auftreten dieser Entwicklung führt zu einer allgemeinen Stagnation des Berufs und bedingt eine Minderung des Berufsstolzes für Pflegefachkräfte – beide Faktoren sind mit einer immer häufiger werdenden Absicht, den Pflegeberuf zu verlassen, verbunden.
De-Professionalisierung als politische Reaktion? Die Verstärkung des Teufelskreises Der oben beschriebene Teufelskreis ist nicht neu. Es kommt in größeren oder kleineren Abständen immer wieder zur Wahrnehmung eines sogenannten „Pflegenotstands“ in der österreichischen Versorgungslandschaft, auf den politisch reagiert wird. Leider führen die bisherigen Reaktionen nicht zu einer nachhaltigen Lösung, sondern eher dazu, dass sich die Lage zwar kurzfristig und an der Oberfläche beruhigt hat, aber die Problematik dann umso rascher wieder aufgeflammt ist – und mit jedem Aufflammen wird sie spürbar stärker.
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Der Grund dafür ist, dass viele der gesetzten Maßnahmen im Rahmen der seit Jahren laufenden „Pflegereformen“ (ähnlich wie beim Konzept von Care „Fixes“ ) nicht die Professionalisierung der Pflege fördern, sondern ganz im Gegenteil de-professionalisierend sind. Senkung des Zugangsniveaus zu den Ausbildungen, Erhöhung der Kompetenzen in den niederen Qualifizierungsstufen (Assistenzberufe) bei gleichbleibender Dauer, Senken der Sprachkompetenzen für eine Berufszulassung etc. führen nicht nur zur Verschlechterung des ohnehin schon fragilen Images des Pflegeberufs, sondern auch zur professionellen Stagnierung und zur Minderung des Berufsstolzes. Professionell Pflegende haben nach diesen Fehlentwicklungen immer noch:
Wenige Perspektiven für weiterführende akademische Ausbildungen, die zu einer dementsprechenden Verankerung höherqualifizierter Pflegepersonen in der Praxis führen. In diesem Sinne auch keine Aussicht auf eine geregelte und rechtlich geschützte Rollen- und somit auf keine systemische berufliche Weiterentwicklung. Keine Erhöhung der Kompetenzen, Autonomie und (Eigen-)Verantwortungsbereiche im Gesundheitswesen. Keine Finanzierungsstrategie auf Basis fundierter epidemiologischer Daten (i.e., auf Basis des tatsächlichen Pflegebedarfs in der Bevölkerung). All das frustriert nicht nur die Pflegenden, es erodiert auch die gesamte Berufsentwicklung und das Image der professionellen Pflege und verstärkt den Teufelskreis des Personalmangels – und zwar durch Reformen und Maßnahmen, die eigentlich zum Durchbrechen dieser Situation führen sollten.
Aus all diesen Entwicklungen heraus entscheiden sich Pflegefachkräfte dafür, den Pflegeberuf zu verlassen. Keine Image-Kampagne, keine Aufstockung von Ausbildungsplätzen und schon gar nicht die Schaffung neuer Ausbildungswege oder die Besetzung offener Stellen mit niedrig qualifiziertem Pflegepersonal kann deshalb die Lage retten: Es muss zuerst an den Bedingungen in der Praxis gearbeitet und neue berufliche Perspektiven für Pflegepersonen müssen geschaffen werden, um diesen Teufelskreis zu durchbrechen.
Von der Care-Krise in eine Care-Revolution : ein Pflege-Entwicklungsprogramm für Österreich als Lösungsweg Lösungswege erfordern eine Bereitschaft für eine tiefergreifende Umstrukturierung des Gesundheitssystems – und nicht nur im akuten Bereich. Die aktuelle Care-Krise bedarf einer Care-Revolution fokussiert auf die Grundlagen von professioneller Pflege , die auf humanistischen Prinzipien und auf einer Zentrierung auf die Personen innerhalb des Systems und deren zwischenmenschlichen Beziehungen beruht. Dafür braucht es ein Verständnis dafür, was Pflege ist, was sie kann und was sie im Sinne der Bedarfe von Patient*innen und deren Familien können soll – auch hinsichtlich Finanzierung und eines angemessenen Pflegepersonaleinsatzes.
Die Politik trägt hier die Verantwortung, die Pflegewissenschaft und andere relevante Wissenschaften mit der Generierung von Daten und weiterführenden Wissensgrundlagen zu beauftragen, um den Handlungsbedarf korrekt und vollständig aufzuzeigen und somit evidenzbasierte, nachhaltige und treffsichere Lösungsansätze verfolgen zu können. Erste Schritte hierzu werden bereits gesetzt (siehe z. B. das Konzept für den Aufbau eines Pflegereportings der Gesundheit Österreich GmbH) . Eine theoretische, empirische und strategische Fundierung soll diese Bemühungen tragen.
Währenddessen sind alle Bemühungen von Politiker*innen und Entscheidungsträger*innen äußerst zu begrüßen und zu ermutigen – wenn sie auf Expert*innenwissen von Pflegemanager*innen, Praktiker*innen und Interessenvertretungen der Pflege in den verschiedenen Versorgungssettings begründet werden. Auch hier wurden bereits erste Schritte gesetzt – siehe z. B. Empfehlungen von Expert*innen zur Sicherstellung und Weiterentwicklung der professionellen Pflege im Ergebnisbericht der Taskforce Pflege . Diese sollen als aktuelle Unterstützung der Politik dienen.
Zusammenfassend erklärt: Es bedarf also eines Pflege-Entwicklungsprogramms, das auf theoretischen Aspekten und bestehenden Best-Practice-Beispiele sowie auf empirischen epidemiologischen Daten zur professionellen Pflege und Pflegebedarf in der Bevölkerung basiert und auf den Kulturraum Österreich abgestimmt wird. In diesem Programm müssten mutige und spezifische Maßnahmen für die professionelle Pflege wie in anderen Ländern kumulativ (nicht einzeln) und mit permanentem Charakter (nicht einmalig) korrekt eingetaktet und mit den Entwicklungen in anderen Gesundheitsberufsgruppen (auch im Sinne der Neuverteilung von Macht und Finanzierung im Gesundheitssystem) akkordiert implementiert werden.
Das ist ein langer, komplexer und von Interessenkonflikten geprägter Weg – diesem sollten wir uns als Gesellschaft und als Gesundheitsfachpersonen gemeinsam und solidarisch widmen, um unser finales Ziel, das Recht auf Behandlung und Pflege in der Zukunft weiterhin zu bewahren und bestmöglich zu erreichen.
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