Täglich neue alarmierende Zahlen zu Bettensperren, schon heute fehlen KollegInnen in der Pflege und Betreuung. Bis 2030 braucht es vorsichtigen Prognosen zufolge 100.000 zusätzliche PflegerInnen. Seit Langem wird an diversen Pflegereformen gearbeitet, konkrete Ergebnisse fehlten großteils noch. Einzelne Bundesländer versuchen seit einiger Zeit, KollegInnen aus dem Ausland anzuwerben. Ist Pflegemigration tatsächlich das Wundermittel zur Bewältigung des Personalmangels? Der Beitrag liefert Fakten und Lösungsansätze.
2020, während und nach dem ersten Covid-bedingten Lockdown, bereiteten die eingeschränkten Reisemöglichkeiten für Betreuungs- und Pflegekräfte etlichen Familien Sorgen, ob ihre pflegebedürftigen Eltern, Großeltern, Tanten oder Onkel auch weiterhin wie gewohnt versorgt werden können. Das ohnedies schon fragile System der 24-Stunden-Betreuung drohte über Nacht wegzubrechen. Deutlich wurde dabei: Im reichen Österreich verlassen wir uns vor allem bei der 24-Stunden-Betreuung auf Hilfe, vor allem durch Frauen, aus wirtschaftlich schwächeren Ländern. Und nicht nur in diesem Feld, KollegInnen mit Migrationsbezug scheinen für manche AkteurInnen die Lösung in der sich zuspitzenden Pflegepersonalsituation zu sein.
PflegerInnen händeringend gesucht
Bis 2030 braucht es in Österreich 76.000 zusätzliche KollegInnen in der Pflege und Betreuung, nur um demografische Entwicklungen und Pensionierungen zu stemmen. Aktualisierte Prognosen gehen von 100.000 Personen aus. KollegInnen zur spürbaren Entlastung sind hier noch nicht mit eingerechnet. Immer mehr Bundesländer und Träger betreiben ihre Personalsuche im Ausland. So haben z. B. einige steirische Träger einen Anwerbeversuch in Kolumbien gestartet, mit bisher mäßigem Erfolg. Andere Bundesländer versuchen, auf den Philippinen erfolgreich zu sein. Auch im Bericht der Taskforce Pflege werden PflegerInnen mit Migrationsbezug als Zielgruppe definiert.
PflegerIn mit Migrationsbezug – wovon sprechen wir?
Um festzustellen, wie viele der Pflege- und Betreuungspersonen als MigrantInnen anzusehen sind, muss erst Klarheit bestehen, was wir uns unter dem Migrationsstatus vorstellen: eine nicht-österreichische Staatsbürgerschaft? Die Geburt außerhalb von Österreich? Oder den Erwerb einer entsprechenden Ausbildung in einem anderen Land, einem EU-Land, einem Drittstaat? Jeder der drei Definitionsansätze hat seine Tücken, indem er auch Personen umfassen kann, die vielleicht nicht landläufig als Migrantin oder Migrant angesehen werden: Bin ich MigrantIn, wenn ich im Alter von sechs Jahren mit meinen Eltern nach Österreich gekommen und dann geblieben bin? Und wie wäre es, wenn ich erst vor Kurzem gekommen wäre und bald die österreichische Staatsbürgerschaft angenommen hätte? Je nach Fragestellung kann die eine oder die andere Definition zielführender sein. Die OECD hat auch Zahlen in unterschiedlicher Definition zusammengestellt, nicht in allen Ländern sind alle Zahlen vorhanden.
Jede fünfte Pflegeperson in Österreich ist im Ausland geboren
Bezogen auf die Geburt außerhalb des jeweiligen Landes, lag Österreich mit rund 20 Prozent sowohl bei allen Pflegepersonen wie auch bei jenen mit höherem Ausbildungsgrad (3 Jahre Ausbildung und mehr) im Jahr 2015/16 an achter Stelle der 27 OECD-Länder mit verfügbaren Daten. Höhere Anteile als Österreich haben vor allem klassische Einwanderungsländer wie Israel, Australien, Kanada und das Vereinigte Königreich sowie sehr reiche Länder (Luxemburg, Schweiz).