Familienbonus plus: 636 Millionen für gut verdienende Männer mit Kind

19. März 2024

Der Familienbonus plus ist mit einer Steuergutschrift bis zu 2.000 Euro pro Kind die höchste steuerliche Familienförderung in Österreich. Er soll jenen Eltern, die neben der Erziehung ihrer Kinder berufstätig sind, eine höhere Anerkennung zukommen lassen. Von den insgesamt 900 Millionen Euro der Leistung bekamen Männer 2022 730 Mio. Euro Familienbonus plus gutgeschrieben. Fast drei Viertel des gesamten Familienbonus plus gingen dabei auf die Konten von gut verdienenden Männern.

Familienbonus plus verfehlt Wirkungsziele

Bei Einführung des Familienbonus plus im Jahr 2018 wurden im Gesetzesentwurf zwei wesentliche Wirkungsziele formuliert: Zum einen solle der Familienbonus plus als Anreiz für Erwerbsarbeit eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit vorantreiben und zum anderen sollen jene Eltern, die neben der Erziehung ihrer Kinder berufstätig sind, eine höhere Anerkennung erfahren.

Die neue Zeitverwendungserhebung der Statistik Austria zeigt, dass nach dem vierten Jahr Familienbonus plus und einer Erhöhung dieses Absetzbetrages um ein Drittel die gewünschte Wirkung ausbleibt. Nach wie vor wird die unbezahlte Familiensorgearbeit überwiegend von Frauen erledigt, während Männer den überwiegenden Teil ihrer verfügbaren Zeit erwerbstätig sind.

Familienbonus plus belohnt traditionelle Arbeitsteilung in Familien

Auch wenn man das zweite Ziel, die höhere Anerkennung für jene Eltern, die neben der Erziehung ihrer Kinder berufstätig sind, betrachtet, gibt die Zeitverwendungserhebung einen guten Einblick, wer diese sind. Frauen verbringen im Schnitt mehr als doppelt so viel Zeit mit Kinderbetreuung wie Männer.

Die Lohnsteuerstatistik der Statistik Austria zeigt, dass der Familienbonus plus nach wie vor nicht bei den Elternteilen ankommt, die neben der Kindererziehung auch erwerbstätig sind, sondern bei denen, die neben der Erwerbstätigkeit Kinder haben. Die Höhe des ausbezahlten Familienbonus plus ist abhängig vom Ausmaß der Erwerbstätigkeit und nicht vom Ausmaß der Beteiligung an der Kindererziehung. Das wird durch die seit 2022 geltende, deutliche Erhöhung dieses Absetzbetrages um 500 Euro pro Jahr und Kind noch verstärkt.

Das zeigt sich in der Veränderung des Geschlechterverhältnisses der Beziehenden: Im Jahr 2019 waren noch fast 30 Prozent der Familienbonus-plus-Bezieher:innen Frauen – 2022 sind es nur mehr ein Viertel. Betrachtet man nicht die Personen, sondern die ausgezahlten Beträge, zeigt sich eine noch deutlichere Schieflage: Im Jahr 2019 gingen von den rund 700 Millionen Euro Familienbonus plus gerade mal knappe 22 Prozent an Frauen. Durch die Erhöhung wurden im Jahr 2022 insgesamt fast 900 Millionen Euro ausbezahlt. Von jedem ausbezahlten Euro erhielten Frauen nicht einmal 18 Cent.

Erhöhung des Familienbonus plus landet zu 86 Prozent bei den Männern

Die Aufstockung des Familienbonus plus von jährlich 1.500 Euro pro Kind auf 2.000 Euro kostet für das Jahr 2022 rund 200 Millionen Euro. Und hier ist nur der Familienbonus-plus-Bezug eingerechnet, der im Laufe des Jahres schon über die Lohnverrechnung (also monatlich) berücksichtigt wurde. Diejenigen, die erst im Zuge der Arbeitnehmer:innenveranlagung den Familienbonus plus geltend machen, sind in der Lohnsteuerstatistik 2022 nicht als Familienbonus-plus-Bezieher:innen erfasst.

Als Steuergutschrift ist die Höhe des ausbezahlten Familienbonus plus von der Summe der geleisteten Lohnsteuer und folglich daher auch von der Höhe des Einkommens abhängig. Nur wer mindestens 2.000 Euro Lohnsteuer pro Jahr bezahlt hat, kann den vollen Familienbonus plus an Steuergutschrift bekommen. Der durchschnittliche Bruttostundenlohn von Frauen liegt 18,4 Prozent unter jenem der Männer. Darüber hinaus arbeitet jede zweite Frau Teilzeit. Es ist daher nicht überraschend, dass diese 200 Millionen zu 86 Prozent bei Männern landen.

2,9 Prozent aller Lohnsteuerpflichtigen bekommen 71 Prozent des Familienbonus plus

Betrachtet man die Verteilung des Familienbonus plus nach Geschlecht und Bruttobezugsstufen, so zeigt sich – ebenfalls wenig überraschend –, dass 71 Prozent (636 Millionen Euro) von Männern mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von mehr als 40.000 Euro bzw. gerade mal von 2,9 Prozent aller Lohnsteuerpflichtigen bezogen werden.

Knappe 17 Prozent des Familienbonus gehen an Menschen mit einem jährlichen Bruttoeinkommen von weniger als 40.000 Euro. Im einstelligen Bereich bewegt sich der Anteil des Familienbonus, der an Lohnsteuerpflichtige mit einem Bruttojahreseinkommen von weniger als 30.000 Euro ausgezahlt wird. Hier sind es gerade mal 3 Prozent (siehe Grafik).

Die eklatanten Geschlechterunterschiede beim Einkommen zeigen sich sehr deutlich in der Verteilung der Steuergutschrift nach Bezugsstufen: Bekommen Männer und Frauen in den unteren Bruttobezugsstufen in etwa den gleichen Anteil des Familienbonus plus, so profitieren bereits bei den Bruttojahreseinkommen von über 30.000 Euro deutlich mehr Männer, in den höheren Bezugsstufen verstärkt sich diese Ungleichheit und Männer erhalten einen um ein Vielfaches höheren Anteil dieses Steuerbonus.

© A&W Blog


Großteil muss mit weniger als 40.000 Euro pro Jahr auskommen

Vergleicht man die Verteilung des Familienbonus-plus-Bezuges mit der Verteilung der Lohnsteuerpflichtigen auf die Bruttobezugsstufen, zeigt sich die deutliche Schieflage noch klarer.

70 Prozent aller Lohnsteuerpflichtigen verdienen weniger als 40.000 Euro brutto pro Jahr. Unter allen lohnsteuerpflichtigen Frauen trifft dies sogar auf 80 Prozent zu. Aber auch mehr als die Hälfte der Männer (59 Prozent) verdienen weniger.

Der Großteil der Lohnsteuerpflichtigen verdient aber noch weniger. Unter 30.000 Euro brutto pro Jahr liegt das Einkommen bei 54 Prozent aller Lohnsteuerpflichtigen bzw. bei 66 Prozent der Frauen und 42 Prozent der Männer.

© A&W Blog


An Steuerleistung gebundene Familienförderung bevorzugt Männer mit höherem Einkommen

Wird die Einkommensverteilung durch die Brille eines progressiven Lohn- und Einkommensteuersystems betrachtet, dann erklärt sich die drastische Ungleichverteilung beim Familienbonus-plus-Bezug. Wenn ein Benefit an eine bestehende Steuerleistung gebunden ist – wie beim Familienbonus –, dann liegt es auf der Hand, dass er vor allem jenen zugutekommt, die eine entsprechende Steuerleistung aufweisen können; und diese ist an die Höhe des Einkommens gebunden.

Vor dem Hintergrund des hohen Gender-Pay-Gaps in Österreich von 18,4 Prozent führt eine möglichst optimale Ausschöpfung der familienbezogenen Steuerleistung zu einer Verfestigung der Rollenbilder. Denn um die Steuergutschrift in voller Höhe beziehen zu können, muss ausreichend Lohnsteuer bezahlt werden. Dies wird eher gelingen, wenn der Elternteil mit dem höheren Einkommen mehr Stunden leistet. Aufgrund des progressiven Einkommensteuertarifes zahlt man, je mehr man verdient, für zusätzliches Einkommen einen höheren Steuersatz.

Jemand mit einem niedrigen Einkommen müsste seine Arbeitsstunden wesentlich stärker erhöhen als jemand mit einem hohen Einkommen, um das nötige Ausmaß an anrechenbarer Lohnsteuer zu erlangen. Für jene Elternteile, die den Großteil der unbezahlten Sorgearbeit in der Familie übernehmen, besteht dafür meist kein Spielraum.

Wirkungsvollere Ansatzpunkte für Gleichstellung

Sollen Gleichstellung und eine faire Verteilung von bezahlter und unbezahlter Arbeit vorangetrieben werden, ist eine Familienförderung wie der Familienbonus plus unwirksam. Erforderlich sind vielmehr Modelle, die nicht ein höheres Erwerbsausmaß, sondern eine höhere Beteiligung an Familienarbeit fördern. Ein Beispiel, wie das gelingen kann, ist das von ÖGB und AK entwickelte Modell der Familienarbeitszeit.

Darüber hinaus ist es entscheidend, dass beide Elternteile auf gleicher Augenhöhe die Aufteilung der unbezahlten Care-Arbeit „verhandeln“. Dazu braucht es einen qualitativ hochwertigen Ausbau im Bereich der Elementarpädagogik, eine bessere Bezahlung in frauendominierten Branchen sowie eine deutliche Verbesserung bei der Lohntransparenz.

Creative-Commons-Lizenz CC BY-SA 4.0: Dieser Beitrag ist unter einer Creative-Commons-Lizenz vom Typ Namensnennung - Weitergabe unter gleichen Bedingungen 4.0 International zugänglich. Um eine Kopie dieser Lizenz einzusehen, konsultieren Sie http://creativecommons.org/licenses/by-sa/4.0/. Weitere Informationen https://awblog.at/ueberdiesenblog/open-access-zielsetzung-und-verwendung