Das ThemaWohnen wird im neuen Regierungsprogramm knapp behandelt. Dominant sind Eigentumund Ökologisierung. Zwar finden sich wünschenswerte Absichtserklärungen, jedochsollte hinsichtlich leistbaren Wohnens nachgeschärft werden.
VerstärkteEigentumsbildung
Bereits unter Türkis-Blau wurde ein starkes Bekenntnis zur Schaffung von Eigentum abgegeben. Mit der Wohnrechtsnovelle 2019 wurden Erleichterungen im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz für den Kauf von Mietwohnungen eingeführt. MieterInnen in Wohnungen mit Kaufoption können nun ihre Wohnung bereits nach 5 statt 10 Jahren erwerben. Auch im neuen Regierungsprogramm ist eine weitere Stärkung des Miet-Kaufs geplant. Durch den vermehrten Abverkauf von gefördertem Wohnraum wird die Sozialbindung der Wohnungen vernichtet. 15 Jahre nach dem Verkauf können die nunmehrigen VermieterInnen einen freien Mietzins vereinbaren, wodurch mittelfristig dem Markt günstiger Wohnraum entzogen wird. Wenn schon sozialer Mietwohnungsbestand von gemeinnützigen Wohnbaugesellschaften verkauft wird, dann sollte zumindest geregelt werden, dass auch diese Wohnungen nach den Bestimmungen des Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetzes vermietet werden müssen. Es wäre dringend notwendig, die neuen Regelungen zur Kaufoption im Wohnungsgemeinnützigkeitsgesetz rückgängig zu machen und dafür zu sorgen, dass die gefördert errichteten Wohnungen an eine klare Mieten- und Preisbegrenzung gebunden sind.
Mehr Umweltschutzim Wohnrecht
Die Handschrift der Grünen wird durch eine starke Betonung von Umweltschutz und Ökologisierung im Programm deutlich. Vorweg ist festzuhalten, dass der Wohnsektor die größte sektorale Übererfüllung der Klimaziele erreicht. Im Vergleich zum Verkehrs- und Industriesektor besteht hier ein deutlich geringerer Nachholbedarf. Es bedarf daher im Wohnrecht einer Abwägung zwischen der Versorgung mit leistbarem Wohnraum und dem Nutzen einer Verringerung von Treibhausgasen.
Nachverdichtung statt Versiegelung
Begrüßenswert ist der geplante Vorrang der Nachverdichtung gegenüber der Versiegelung. Die Belastung durch Treibhausgase ist dort am höchsten, wo der Wohnraum durch Zersiedelung gekennzeichnet ist. In Hinblick auf die Tausenden ausbaufähigen Dächer von Gründerzeitbauten eröffnet die Nachverdichtung großes Potenzial bei der Wohnraumschaffung. Der in Dachausbauten entstehende Wohnraum unterliegt jedoch in weiten Teilen keinen zwingenden gesetzlichen Bestimmungen, weshalb es an Regelungen in Bezug auf die Preisgestaltung und die Erhaltungspflichten des Vermieters oder der Vermieterin fehlt. Es kann also durch die aktuelle Gesetzeslage nicht sichergestellt werden, dass im Rahmen der Nachverdichtung auch leistbarer Wohnraum entsteht. Sinnvoll wäre es, private InvestorInnen zum Beispiel über städtebauliche Verträge zur Vergabe von mindestens einem Drittel der neuen Wohnungen zu Preisen des geförderten Wohnbaus zu verpflichten.
Thermische Sanierung
Weiterswerden im Regierungsprogramm Anreize im Mietrecht zur thermischen Sanierung immehrstöckigen Wohnbau angekündigt. Jedoch sind 45 Prozent der PrivathaushalteEin- und Zweifamilienhäuser. Auf diese Gebäude findet das Mietrechtsgesetzkeine Anwendung, weshalb die Kosten von Umweltschutzmaßnahmen direkt an dieMieterInnen weitergegeben werden können und die Preise und Mieten dort massiverhöhen.
Ökologisierung im gemeinnützigen Wohnbau
Auch imgemeinnützigen Wohnbau ist die Leistbarkeit durch Ökologisierung – ohne Änderungenim Wohnbauförderungsrecht – in Gefahr: Weil sich die Wohnkosten imgemeinnützigen Wohnbau am Prinzip der Kostendeckung orientieren, kann eineVerteuerung der Baukosten nur an die MieterInnen und EigentümerInnenweitergegeben werden.
Zentrale Wärmeversorgung als zielführende Maßnahme
Eine der Maßnahmen, deren Wirksamkeit bei der Reduktion von Treibhausgasen sich bereits in der Vergangenheit gezeigt hat, ist der Umstieg auf zentrale Wärmeversorgung. Gerade diese Maßnahme hat aber aufgrund undurchsichtiger Contracting-Modelle bei sinkendem Energieverbrauch zu einer eklatanten Verteuerung der Kosten der Wärmeversorgung geführt. Eine transparente Preisgestaltung bei den von Wärmeabgebern aufoktroyierten Verträgen fehlt im Regierungsprogramm.
Bodenpolitische Maßnahmen
Die Absichtdes Regierungsprogramms, eine verfassungsrechtliche Regelung derVertragsraumordnung zu schaffen, ist grundsätzlich positiv zu sehen, greiftjedoch zu kurz. Es müsste vielmehr verfassungsrechtlich klar geregelt werden,dass die Länder verschiedene bodenpolitische Maßnahmen mit dem Ziel derErrichtung leistbaren Wohnraums ergreifen dürfen.
Um der AK-Forderungnach mehr leistbarem Wohnraum nachzukommen, muss vor allem auch überbodenpolitische Maßnahmen sichergestellt werden, dass es genügend günstigeGrundstücke für den geförderten Wohnbau gibt.
Grundstücksbestand staatsnaher Unternehmen
Weitersformuliert das Programm, dass der Grundstücksbestand von Unternehmen, die demBund mehrheitlich gehören (wie ÖBB, BIG etc.) in der öffentlichen Hand zubehalten ist. An Dritte sollen sie hauptsächlich per Baurecht vergeben werden.Die Maßnahme könnte viel bringen, ist jedoch im Programm zu weich formuliert,und auch die Vergangenheit lehrt das Gegenteil. Häufig steht diese Vorgabe imWiderspruch zu anderen Zielvorgaben dieser Unternehmen. In der jüngerenVergangenheit wurden trotz ähnlicher Regierungserklärungen Grundstücke ohneRücksicht auf geförderten Wohnbau an die Meistbietenden verkauft, die dannLuxuswohnungen errichteten.
Fazit: Leistbares Wohnen ist kein Kernthema von Türkis-Grün
Wohnen ist ein Grundbedürfnis, weshalb die Schaffung leistbaren Wohnraums oberste Priorität der Wohnpolitik sein muss. Dies bildet sich aber im Regierungsprogramm zu wenig ab. Die Übernahme der Maklerprovision durch den/die ErstauftraggeberIn ist ein Schritt in die richtige Richtung, erscheint jedoch vor dem Hintergrund rasant steigender Wohnkosten wie ein Tropfen auf den heißen Stein (siehe Grafik für die Entwicklung 2008-2017).