Es mangelt dramatisch an bezahlbarem Wohnraum in Europa. Immer mehr Menschen können sich das Wohnen nicht mehr leisten. EU-Gesetze beschränken Städte und Kommunen, in leistbares Wohnen zu investieren. Eine Europäische Bürgerinitiative will dies ändern.
Wohnen ist ein Menschenrecht
Wohnen ist ein Menschenrecht. Dieser Satz klingt für die meisten selbstverständlich und bleibt in der Politik weitgehend unwidersprochen. Maßnahmen und Rahmenbedingungen, die sicherstellen, dass das Recht auf Wohnen nicht nur auf dem Papier existiert, sind bedauerlicherweise alles andere als selbstverständlich. In Europas Städten grassiert eine dramatische Wohnungsnot. Wohnungsmieten sind schlichtweg zu teuer und für breite Schichten der Bevölkerung einfach nicht mehr bezahlbar.
Überbelastung durch Wohnkosten
Mehr als 82 Millionen Europäerinnen und Europäer sind heute von ihren Wohnkosten überbelastet. In Österreich bezahlen 623.000 Menschen mehr als 40 Prozent ihres Haushaltseinkommens fürs Wohnen. Das entspricht allen EinwohnerInnen von Graz, Linz und Salzburg zusammen. Ursächlich für diese europaweit missliche Lage ist eine Reihe von Faktoren. Seit der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008 sind die budgetären Spielräume beinahe aller Mitgliedsstaaten der Europäischen Union deutlich eingeschränkt. Daher mangelt es drastisch an Förderungen für gemeinnützigen und kommunalen Wohnbau. Die Investitionen sind seit der Wirtschafts- und Finanzkrise 2008/09 um die Hälfte zurückgegangen. Die EU-Taskforce für soziale Infrastruktur schätzt die Investitionslücke im sozialen Wohnbau auf 57 Milliarden Euro. Ein weiteres, internationales Problem ist die sogenannte Flucht ins Betongold. Seit Aktiencrash und Niedrigzinsphase wird von Banken, Versicherungen und Stiftungen massiv in Grundstücke und Immobilien investiert. Diese Vermögensumschichtungen waren stark preistreibend. Zudem gibt es in den einzelnen Staaten Europas jeweils zusätzliche spezifische Probleme, die das Wohnungsproblem verstärken.
Teures Wohnen in Österreich
Die Entwicklungen in Österreich sind im Vergleich zu anderen Ländern stark gebremst. Ausschlaggebend dafür ist etwa für die Hauptstadt die Tatsache, dass in Wien fast ein Viertel der Stadtbevölkerung in Gemeindewohnungen lebt und es darüber hinaus auch eine große Zahl an geförderten Genossenschaftsbauten gibt. Zudem gilt für das ganze Land, dass erstens noch verhältnismäßig viel für Wohnbauförderung ausgegeben wird. Zweitens hat die Politik mit der gemeinnützigen Wohnungswirtschaft einen verlässlichen Partner in der Wohnversorgung.
Nichtsdestotrotz hat sich die Lage auf den Wohnungsmärkten in den österreichischen Ballungszentren in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Neben den bereits erwähnten Faktoren Budgetknappheit und Betongold ist dafür insbesondere das starke Bevölkerungswachstum in den Ballungszentren ursächlich.
Europa steckt in der Wohnungskrise
In Deutschland beispielsweise ist die Situation wesentlich dramatischer als in Österreich. Die Debatte zur Vergesellschaftung von großen Immobilienunternehmen in der Hauptstadt Berlin zeigt, dass das Wohnproblem in den deutschen Ballungszentren tatsächlich eskaliert ist. Neben den bereits für Österreich genannten Ursachen gab es in Deutschland auch noch schwere wohnpolitische Fehler, für welche die Wohnungssuchenden heute teuer bezahlen. Die gemeinnützige Wohnungswirtschaft wurde dort bereits Ende der 1980er-Jahre abgeschafft. Vielerorts gab es Privatisierungen von kommunalen Wohnungsbeständen in großem Maßstab. Für Wohnbauförderung wird in ganz Deutschland weniger Geld ausgegeben als im zehnmal kleineren Österreich. Das Angebot an bezahlbaren Wohnungen ist daher vollkommen unzureichend. In Deutschland fehlen rund 1,9 Millionen bezahlbare Wohnungen in den großen Städten.
Schließlich gibt es noch Länder wie Irland oder Spanien, welche nach ausgewachsenen Hauspreisblasen mit massiven Immobilien- und Bankenkrisen zurande kommen mussten. Diese dramatischen Ereignisse haben bis heute negative Konsequenzen. In Spanien waren etwa 2018 noch immer eine Million Menschen weniger beschäftigt als vor der Krise 2007. Die hohe Arbeitslosigkeit führt dazu, dass viele Spanierinnen und Spanier ihre Hypotheken nicht mehr bedienen können. Täglich werden durchschnittlich 150 Haushalte delogiert. Verlässliche Daten zur Anzahl der Obdachlosen in Spanien gibt es nicht. Schätzungen von NGOs gehen von bis zu zwei Millionen aus.
Wohnen wird zur Spekulationsware
Wohnen ist heute weniger Menschenrecht als Handelsware. Spekulation heizt die angespannten Wohnungsmärkte zusätzlich an. Großinvestoren kaufen ganze Stadtteile auf, weil sie sich hohe Renditen versprechen. Dazu kommt, dass Immobilien als derzeit sicherste Anlageform auch für kleinere Vermögen gelten. Diese Faktoren verstärken die Wohnungsnot und lassen die Boden- und Immobilienpreise explodieren. Hier steht nicht das Wohnen als Grundbedürfnis im Vordergrund, sondern die Rendite.