In der medialen Debatte über die für Durchschnittsfamilien kaum mehr leistbaren Mieten privater Vermieter:innen in den Ballungsräumen wird der Fokus immer wieder auch auf die Mieter:innen mit älteren Verträgen gelenkt, die vergleichsweise sehr günstige Mieten bezahlen.
Faktencheck
Erst kürzlich wurde etwa auf 40.000 Altverträge verwiesen, die einen „Friedenszins“ von nur 90 Cent/m² bezahlen würden. Wenn solche Wohnungen in der Familie weitergegeben werden, erhöhe sich die Miete kaum. Beide Aussagen stimmen schlichtweg nicht!
1. Nur bei knapp unter 12.000 bestehenden Mietverhältnissen in Österreich, das sind circa 0,71 Prozent aller Mietverträge, beträgt der Hauptmietzins (ohne Betriebs-, Heiz- und Energiekosten) nicht mehr als 1 Euro/m²; aber auch das sind keine Mietverhältnisse zum historischen Friedenszins, sondern meist Substandard-Wohnungen mit WC und/oder Wasser am Gang (nicht im Wohnungsverband).
2. Treten Kinder/Enkel unter den gesetzlichen Voraussetzungen des Mietrechtsgesetzes – MRG (§ 12, § 14) in einen solchen Vertrag ein, dürfen Vermieter:innen den Hauptmietzins anheben und dafür sogar den Zustand heranziehen, den die Mieter:innen selbst geschaffen und finanziert haben. Die Erhöhung des Hauptmietzinses ist mit 3,60 Euro/m² gedeckelt (zzgl. BK und USt = ca. 6,40 Euro/m² Bruttomietzins, ohne Heizkosten). Das ist immerhin eine Steigerung um 300 Prozent, eine Vervierfachung.
Historische Entwicklung der Mietzinsobergrenzen
Der klassische Friedenskronenzins galt beim Neuabschluss von Mietverträgen ab Anfang 1922, schon wenige Jahre später wurde diese Regelung zugunsten der Vermieter:innen mit diversen Zuschlägen zum Friedenszins gelockert. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurden die Mietzinsbestimmungen des Mietengesetzes neu gefasst; der höchstzulässige Mietzins wurde mit einem Schilling pro Friedenskrone festgelegt.
Dieses System blieb allerdings nur bis Ende 1967 bestehen; gesetzliche Mietenbegrenzungen für Neuvermietungen wurden per 1.1.1968 abgeschafft (ausgenommen – ab 1974 – für Substandard-Wohnungen). Erst 1982 wurde für Altbauwohnungen das Kategoriesystem zur Preisdämpfung eingeführt, das aber schon 1986 weitgehend wirkungslos wurde. Die dann für Wohnungen der Kategorie A geltende Mietobergrenze „angemessener Mietzins“ war nämlich nach dem Verständnis der Gerichte der ortsübliche freie Marktmietzins. Den darauffolgenden Preisauswüchsen am Mietmarkt der Ballungsgebiete sollte das 1994 in Kraft getretene Richtwertsystem entgegenwirken, das bis heute für Altbauwohnungen in Kraft ist.
Substandard-Wohnungen hatten schon immer eine Sonderstellung, sogar heute noch beträgt die Mietzinsobergrenze (ohne BK und USt) bei einem neuen Mietvertrag über solche unbrauchbare Wohnungen 90 Cent/m². Dass derartige Wohnungen (heute) nicht (mehr) auf den Markt kommen oder nur zu einem unzulässig überhöhten Mietzins, steht auf einem anderen Blatt.
Friedenszins schon lange abgeschafft
Nicht nur dass der Friedenszins seit mehr als 50 Jahren auf neue Mietverträge gar keine Anwendung findet, hat er auch für die wenigen heute noch bestehenden Mietverträge aus der Zeit vor 1968 rechtlich keine Bedeutung mehr. Keiner dieser Mieter:innen zahlt heute tatsächlich nur den Friedenszins.
Aufgrund der Gesetzesänderungen der letzten Jahrzehnte zahlen diese Mieter:innen oft ein Vielfaches der ursprünglich vereinbarten Miete. Bereits 1981, dann 1994 und dann nochmals 2000 wurde in alte, bestehende Mietverträge (das traf nicht nur die Verträge mit Friedenszins) zulasten der Mieter:innen eingegriffen. Mittlerweile kann so für eine Wohnung mit sehr altem Mietvertrag brutto ca. 4,80 Euro/m² verlangt werden. Nicht unbedingt teuer, aber z. B. für einen Vermieter, der 1981 ein Zinshaus mit neun Wohnungen im vierten Wiener Gemeindebezirk um umgerecht 51.000 Euro erworben hat, auch noch eine hervorragende Rendite!
Forderungen nach Mietrechtseingriffen, Angriff auf gesetzliche Eintrittsrechte
Die Bilder der betagten Hofratswitwe, die zum Friedenskronenzins allein in einer großen, zentral gelegenen bestens ausgestatteten Wohnung residiert, oder des wohlhabenden Jungakademikers, der die Luxusmietwohnung seiner Großeltern um einen Pappenstiel übernehmen konnte, zielen in Wahrheit auf weitere gesetzliche Mietzinsanhebungen und die Beseitigung sämtlicher Eintrittsrechte ab. Und zwar ganz generell bei allen Verträgen, die nicht den maximalen Profit abwerfen, und nicht nur bei den (gar nicht mehr existenten) Friedenszinsmieten.
Die Aussage, dass günstige Mieten nicht nur keine Profite bringen würden, sondern damit nicht einmal die Kosten für Instandhaltung und Erneuerung abgedeckt seien, es also ein Verlustgeschäft für Vermieter:innen sei, ist einfach unwahr. Dabei wird verschleiert, dass Vermieter:innen selbst bei einem überproportional hohen Anteil von günstigen Altmietverträgen in ihren Häusern nie in die Verlustzone geraten können, dafür sieht das österreichische Mietrecht (weitere) Mietzinserhöhungen vor.
Ziel der Debatte: Profitmaximierung
Viele Erzählungen rund um den „Friedenszins“ und den „Mietadel“ sind Täuschungsmanöver. Sie lenken von den teuren Neuvermietungsmieten zu im Altbau oft gesetzwidrig überhöhten Preisen ab. Und es wird eine Neiddebatte angefacht, um Menschen zu entsolidarisieren, die in Miete wohnen müssen, weil sie sich kein Eigentum leisten können.
Das Versprechen der Immobilienbranche, dass jüngeren wohnungssuchenden Familien Mietwohnungen dann günstiger angeboten werden, wenn man günstigere Mieten bei älteren Verträgen an das freie Marktniveau anheben könne, wird mit Sicherheit nicht eingehalten werden.
Der Markt strebt nach Profitmaximierung. Neumieter:innen werden mit Sicherheit keine geringere Wohnkostenbelastung haben, wenn man die Mieten bei älteren Verträgen verteuert. Im Gegenteil: Verteuerungen bei Altverträgen und Eintrittsrechten führen in vielen Fällen zwangsläufig zur Aufgabe der dann nicht mehr leistbaren Wohnungen; und zu noch mehr Wohnungssuchenden im leistbaren Segment.