Kurzzeitvermietung in der EU: Wenn Plattformen Daten teilen müssen

28. September 2023

Am 19. September entschied das EU-Parlament über seine Position zum Verordnungsvorschlag betreffend Datenaustausch im Segment der Kurzfristvermietung. Nun beginnen die Trilog-Gespräche zwischen Rat, Parlament und Kommission über diese Binnenmarkt-Regulierung.
Kern des Gesetzesvorschlags ist die Option der Einführung von Registrierungssystemen für Gastgeber:innen (Hosts) mit der automatischen Ausgabe einer Registrierungsnummer für die jeweilige Wohnung. Gibt es an der Adresse eine Verpflichtung, sich zu registrieren, sind Plattformen angehalten, die dazugehörigen Buchungsdaten mit Behörden zu teilen.
Damit soll ein effizienter Vollzug von kommunalen Zweckentfremdungsregelungen und Wohnraumschutz ermöglicht werden. Doch der Teufel liegt wie immer im Detail.

Der lange Weg zu Plattformdaten

Wie kam es zu dieser Regulierung? Die EU-Kommission unter Jean-Claude Juncker war der sich entwickelnden Plattformökonomie über Jahre hinweg sehr wohlgesonnen. Sprich: Freiwillige Selbstverpflichtungen, Dialogforen, aber kein Eingriff in die bestehende EU-Digitalregulierung. Damit galt weiterhin nur die E-Commerce-Richtlinie aus dem Jahr 2001.

Erst mit der Kommission unter Präsidentin Ursula von der Leyen wurden offensiv Digitalmärkte reguliert (z. B. Digital Services Act, Digital Markets Act). Allerdings trafen diese Regulierungen 2019/20 bereits auf Märkte, auf denen die „digital claims“ weitgehend abgesteckt waren – ob Social Media, Suchmaschinen oder plattformbasierte Spezialmärkte wie jener der „short term rentals“.

Weil die Plattformen ihre Daten als völlig exklusiv betrachten und diese nicht an Behörden weitergeben, haben die Behörden einerseits kein vollständiges Bild über den Markt und können zudem bestehende Regelungen betreffend den Kurzfristvermietungsmarkt nur sehr eingeschränkt vollziehen.

Städteallianz für Datenzugang bei Kurzzeitvermietung

Die Problematiken im sich stetig entwickelnden Digitalmarkt für „short term rentals“ führte 2015 zur Bildung einer informellen Allianz aus aktuell 19 europäischen Städten zum Thema Kurzfristvermietung. Wien ist seit 2016 Teil der Allianz und wird dort durch die Abteilung für Wirtschaft, Arbeit und Statistik vertreten.

Zuvor hatten es einige Städte mit einem kooperativen Zugang zu großen Plattformanbietern wie Airbnb versucht, etwa mittels Memoranda of Understanding. Damit war es wenige Jahre später vorbei. Einige Städte – darunter Barcelona, Paris oder Prag – erlebten in der abhebenden Digitalökonomie in zunehmendem Maß das Phänomen des „Overtourism“, also eines schnell wachsenden Tourismus, welcher die Akzeptanz der Lokalbevölkerung schrumpfen hat lassen. Im selben Zeitraum stieg auch der Bedarf an leistbarem Wohnraum stark an.

Wien hat zwar durch den starken Anteil von Gemeindewohnungen bzw. von Wohnbaugenossenschaften errichteten Bauten eine völlig andere Ausgangslage. Gleichzeitig setzt Wien seit vielen Jahren strategisch auf die Entwicklung des Qualitätstourismus. Allerdings gibt es laut insideairbnb.com auch in Wien je nach Saisonalität zwischen 8.000 und 12.000 Angebote allein auf der Plattform Airbnb. Erkennbar ist dabei eine starke Professionalisierung des Marktes durch die hohe Anzahl von Hosts mit zehn und mehr Angeboten.

Wenn schon Digitalökonomie, dann richtig

Das Kernproblem aller Städte war von Beginn an eindeutig: Ohne Daten über Buchungen und ohne Adressdaten von Wohnungen war kein ordentlicher, verwaltungseffizienter Vollzug lokaler Regelungen möglich.

Beispielsweise zeigt Airbnb den Standort der jeweiligen Angebote mit einer gewissen räumlichen Unschärfe auf seiner Buchungsplattform an. Erst im Zuge des Buchungsvorgangs wird die exakte Adresse der Wohnung offenbart. Behörden haben somit keine Information über die genaue Lage einer angebotenen Wohnung und müssen sich bei Kontrollen mühsam an verschiedenen Indizien orientieren.

Die Position der informellen „Alliance on short term rentals“ ist klar: In einer Digitalökonomie analog Detektiv zu spielen macht wenig Sinn. Wenn schon Digitalökonomie, dann richtig, also mit verbrieften digitalen Rechten für Behörden, Gastgeber:innen und Plattformen.

Mitgliedstaaten, Regionen und Städte führten in den letzten Jahren Schritt für Schritt selbst Regelungen ein: So gibt es z. B. in den Niederlanden aufgrund der Überlastung des Wohnungsmarktes ein nationales Registrierungssystem für Kurzzeitvermietung. Berlin hat aufgrund der schon in den 2010er-Jahren extrem angespannten Situation am Wohnungsmarkt ein bescheidmäßiges Genehmigungsverfahren zur Verhinderung von Zweckentfremdung und Wohnraumschutz eingeführt.

Wien hat bereits 2016/17 die Kurzfristvermietung im Wiener Tourismusförderungsgesetz (WTFG) abgabenrechtlich reguliert und in der Bauordnung im Jahr 2018 Regelungen bezüglich Zweckentfremdung von Wohnungen eingeführt (Wohnzonen), die nun in der Novelle 2023 weiter verschärft werden sollen, z. B. durch eine 90-Tage-Beschränkung für Kurzfristvermietung im Sinne des Home-Sharings (maximal mögliche Dauer an Kurzfristvermietungen pro Kalenderjahr) und die Einführung einer Genehmigungspflicht für darüber hinausgehende Kurzfristvermietungen in Wohnungen im gesamten Stadtgebiet.

Erste Plug-in-Gesetzgebung zum Digital Services Act

All dies wiederum wurde seitens der EU-Kommission durchaus kritisch betrachtet. Die Kommission sah die Gefahr der Fragmentierung des Binnenmarkts und legte Ende 2022 – wohl auch nach Gesprächen mit großen Plattformanbietern – einen Verordnungs-Vorschlag (in der Folge „Vorschlag“) auf den Tisch, um die Regeln über den Austausch von Daten im Bereich der Kurzfristvermietung EU-weit zu harmonisieren und für mehr Transparenz zu sorgen.

Dabei berücksichtigte sie auch die Rechtsprechung der vergangenen Jahre: 2020 hielt der Europäische Gerichtshof im Urteil im Fall Cali Apartments fest, dass eine nationale Regelung, welche die regelmäßige Kurzzeitvermietung einer Wohnung an Personen (die sich nur vorübergehend in der betreffenden Gemeinde aufhalten, ohne dort einen Wohnsitz zu begründen) von einer Genehmigung abhängig macht, mit dem Unionsrecht in Einklang steht. Die Bekämpfung des Mangels an Wohnungen, die längerfristig vermietet werden, stellt einen zwingenden Grund des Allgemeininteresses dar, der eine Regelung rechtfertigt.

Der Vorschlag ist die erste sogenannte Plug-in-Gesetzgebung zum Digital Services Act (DSA). Seine Ausgestaltung ist deshalb von großer Bedeutung, weil er Vorbildcharakter für noch folgende Rechtsakte haben kann, die auf den DSA aufbauen.

Ziele und Inhalte des Vorschlags der Kommission zur Kurzfristvermietung

Kern des Vorschlags ist folgender Ansatz:
Wenn ein Mitgliedstaat, eine Region oder eine Stadt ein Registrierungssystem für die Gastgeber:innen und ihre Wohnungseinheiten nach den Vorgaben des Vorschlages einführt, erhält die zuständige Behörde Stammdaten über die Gastgeber:innen und Wohnungseinheiten und die Gastgeber:innen bekommen für ihre Wohnungseinheiten Registrierungsnummern ausgestellt, die verpflichtend bei dem Angebot auf einer Plattform anzugeben sind.

Liegt ein solches, den Vorgaben des Vorschlages entsprechendes Registrierungssystem vor, sind Plattformen in weiterer Folge verpflichtet, monatlich Daten über erfolgte Buchungen im jeweiligen Hoheitsgebiet mittels einer einheitlichen digitalen Zugangsstelle an die zuständigen Behörden zu übermitteln.

Es ist wichtig zu betonen, dass der Vorschlag auf den Datenaustausch abzielt und nicht in nationale/regionale oder lokale Regelungen betreffend Kurzfristvermietung (z. B. Wiener Bauordnung) oder das Abgabewesen eingreift.

Vorgaben für Plattformen: Licht und Schatten

Positiv zu sehen ist auf jeden Fall, dass es nun einen Gesetzesvorschlag zum Datenaustausch für den gesamten Binnenmarkt gibt. Bislang trat wiederkehrend das Problem auf, dass sich Plattformen – oft mit einem anderen Sitzland – den Anordnungen der nationalen Behörden entzogen und Meldepflichten nicht nachkamen.

Einige Kritikpunkte bleiben auch nach der Behandlung durch die Co-Gesetzgeber Parlament und Rat erhalten: So wird nach dem derzeitigen Vorschlag die Registrierungsnummer automatisch nach Abschluss des Registrierungsvorganges ausgegeben (wodurch der Host umgehend in den Markt eintreten kann), während die Vollzugsmöglichkeiten für die Behörden sehr eingeschränkt und langwierig sind.
Die Behörde hätte keine Möglichkeit, die Angaben und Unterlagen vor Ausgabe der Registrierungsnummer zu prüfen. Eine zu Unrecht erhaltene Registrierungsnummer könnte nur ex post mühsam wieder ausgesetzt werden. Ein gänzlicher Entzug der Registrierungsnummer wäre nach dem Vorschlag der Kommission nicht möglich.
Fraglich ist weiters, wie die Plattformen den Anordnungen der Behörde zur Entfernung von Angeboten nachkommen werden.

Die Vorgaben für Plattformen zur Überprüfung der Rechtmäßigkeit der angebotenen Wohnungen reichen jedenfalls nicht weit genug. Vorgesehen sind lediglich Stichprobenkontrollen (ohne vorgegebene Stichprobengröße!). Damit sollen die Plattformen feststellen, ob sich der Gastgeber bzw. die Gastgeberin registriert hat und die Registrierungsnummer gültig ist. Strittig ist weiters, ob das Feld für die Angabe einer Registrierungsnummer ein Pflichtfeld für Plattformen ist.

Trilog ab Oktober 2023

Der in dem Dossier federführende Ausschuss für Binnenmarkt und Konsumentenschutz (IMCO) hat mit seiner Abstimmung über die Kompromissänderungsanträge am 18./19. September das Verhandlungsmandat des EU-Parlamentes bewilligt. Der Rat hatte seine Allgemeine Ausrichtung bereits im März 2023 beschlossen.
EU-Parlament und -Rat (vertreten durch die spanische EU-Präsidentschaft) werden nun, unter Beisitz der EU-Kommission, im Rahmen des sogenannten Trilogs versuchen, zu einer Einigung zwischen ihren beiden Verhandlungspositionen zu gelangen.
Mit einem Abschluss des Dossiers ist Ende 2023 zu rechnen. Damit würde die Verordnung Anfang 2024 zu EU-Recht und somit 2025 oder 2026 in Österreich rechtsverbindlich werden.

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