Frauenrechte wurden hart erkämpft, siesind aber immer noch nicht selbstverständlich. Dabei hat der Staat Österreichdie UN-Frauenrechtskonvention bereits 1982 ratifiziert und sich damitverpflichtet, Frauen* in allen Lebensbereichen gleichzustellen. Inwieweitdieses Ziel erreicht wurde, hat 2019 ein hochkarätig besetztes Expert*innen-Komiteezum wiederholten Mal überprüft. Ganze 40 Handlungsempfehlungen zeigen: DieRepublik hat ihre Hausaufgaben noch lange nicht gemacht.
Die UN-Frauenrechtskonvention, auch CEDAW genannt (das ist die Abkürzung für den englischen Titel „Convention on the Elimination of all Forms of Discrimination Against Women“), fordert nichts weniger als die Verwirklichung der Rechte von Frauen* und die tatsächliche Gleichstellung von Frauen* und Männern* in allen Lebensbereichen. Keine Sache für privilegierte Europäer*innen? Oh ja! Themen wie die Einkommensunterschiede zwischen Frauen* und Männern*, der Schutz vor Gewalt oder die mangelnde Kinderbetreuung für berufstätige Frauen* gehen uns alle an. Auch die Lebenssituation von Alleinerzieher*innen wird in der UN-Frauenrechtskonvention angesprochen, vor allem wenn es um Themen wie die Bekämpfung von Frauen*- und Altersarmut geht.
Frauenrechte: Nach der Prüfung …
In regelmäßigen Abständen überprüft ein Expert*innen-Komitee der UNO, ob sich Österreich als Vertragsstaat an die Konvention hält. Bei diesem Prüfverfahren ist die Beteiligung der Zivilgesellschaft ausdrücklich erwünscht. Der Klagsverband hat deshalb den sogenannten NGO-Schattenbericht koordiniert. Das ist eine Art Parallelbericht, der zusätzlich zum offiziellen Staatenbericht der österreichischen Regierung an das UN-Frauenrechtskomitee geschickt wird. Der Klagsverband hat aber nicht nur auf dem Papier über die Situation in Österreich berichtet, sondern an der Staatenprüfung im Juli 2019 in Genf teilgenommen. So konnten dort besonders dringende Anliegen der Zivilgesellschaft direkt vor dem Komitee vorgebracht werden.
… heißt eshandeln!
Das Ergebnis dieses Prozesses sind die sogenannten „Abschließenden Bemerkungen“. Das ist eine Art To-do-Liste mit rund 40 Handlungsempfehlungen an den Staat Österreich. Die Liste ist sehr umfangreich, und die Forderungen der Zivilgesellschaft, die einerseits im NGO-Schattenbericht und andererseits mündlich im Rahmen der Staatenprüfung vorgebracht wurden, haben ihren Niederschlag sehr deutlich gefunden.
In den „Abschließenden Bemerkungen“werden positive Aspekte und Verbesserungen gegenüber früherenBerichtszeiträumen hervorgehoben, aber es wird auch klar festgehalten, was esnoch alles zu tun gibt, um die CEDAW tatsächlich in vollem Umfang umzusetzen.
Durch aktuelle Entwicklungen undpolitische Weichenstellungen ergeben sich immer wieder neue Herausforderungen,die das Komitee auch im Fall von Österreich aufgegriffen hat, insbesondere inHinblick auf besonders verletzliche Gruppen wie geflüchtete Frauen* undMigrantinnen*.
Diese Themenschwerpunkte werden vomUN-Frauenrechtskomitee nachdrücklich behandelt und spiegeln nicht nur aktuellefrauenpolitische Anliegen wider, sondern wurden auch im NGO-Schattenberichtthematisiert.
Diskriminierung beim Einkommen
Eine wesentliche Empfehlung der „AbschließendenBemerkungen“ sagt, dass die Einkommensberichte von Unternehmen schon vonUnternehmen mit 50 Mitarbeiter*innen verlangt werden sollten. Derzeit müssenEinkommensberichte vorgelegt werden, wenn ein Unternehmen mehr als 150Mitarbeiter*innen hat. Diese Empfehlung deckt sich in der Intention mit dem, wasim NGO-Schattenbericht zur Weiterentwicklung der Lohntransparenz formuliert wurde.Als eine Maßnahme zur Reduktion von Frauen*armut empfiehlt das Komitee, das Pensionsbeitragssystemzu überarbeiten.
Gewaltschutz
Das Komitee empfiehlt auch, Maßnahmenzum Schutz vor Gewalt auszubauen. Dazu gehört u. a., angemesseneRessourcen für Hilfsangebote, wie z. B. Frauenhäuser, bereitzustellen.
Migrant*innen und weibliche Flüchtlinge
Die Empfehlungen zur Stärkung derRechte von Migrant*innen und weiblichen Flüchtlingen sind besonders umfassend.Das Komitee fordert effizienteren Gewaltschutz, aber auch, dass dieIdentifizierung von Opfern von Menschenhandel nicht durch eine restriktiveEinwanderungspolitik erschwert wird, sowie geschlechtersensible Asylverfahrenauf allen Ebenen. Das Komitee empfiehlt weiters, die Familienzusammenführungwieder zu erleichtern.
Frauen*rechte in der Bildung
Im Bildungskapitel fordert dasUN-Komitee die Republik Österreich auf, Studien zu erstellen, um die diskriminierendenAuswirkungen des Kopftuchverbots für Mädchen* in der Volksschule zuuntersuchen. Das Komitee gibt zu bedenken, dass Maßnahmen wie dasKopftuchverbot diskriminierende Auswirkungen beim Zugang zu Bildung habenkönnen.
Weiters wird Österreich aufgefordert, Strategienzu entwickeln, um die Schulabbruchsrate von Mädchen* mit Migrationshintergrundzu verringern. Im NGO-Schattenbericht wurde explizit auf die erhöhteSchulabbruchsrate dieser Gruppe hingewiesen. Darüber hinaus wird der Vertragsstaataufgefordert, generell die tatsächliche Inklusion von Frauen* und Mädchen* imBildungssystem zu gewährleisten.
Was sexualpädagogische Bildung inSchulen betrifft, empfiehlt das Komitee sexualpädagogische Bildung in Schulenunter Berücksichtigung verschiedener Geschlechtsidentitäten und sexuellerOrientierung zu gewährleisten.
Staatsbürgerschaft
In den Empfehlungen wird gefordert,dass der Wert der unbezahlten Arbeit von Frauen* herangezogen werden soll, umden Einkommensnachweis für die österreichische Staatsbürgerschaft zu erbringen.Dies wurde bereits im NGO-Schattenbericht thematisiert. Dieser geht aber nochweiter und verlangt, dass auf Einkommenskriterien bei der Verleihung derStaatsbürgerschaft vollkommen verzichtet wird.
Wo Frauen*rechte noch verbessert werden müssen
Wieder einmal wird vom Komitee die Vereinheitlichungdes Diskriminierungsschutzes, die Harmonisierung derAntidiskriminierungsgesetze und der Zugang zum Recht verlangt. Alle diese Forderungenwurden vom Klagsverband bereits mehrfach – und nicht nur im NGO-Schattenbericht– formuliert.
Für Frauen in ländlichen Gebietenfordert das UN-Komitee den gleichberechtigten Zugang zu Fachausbildungen und zuunabhängigem sozialem Schutz. Frauen* und Mädchen* mit Behinderungen ist der Zugangzum offenen Arbeitsmarkt mit voller Sozialversicherung zu ermöglichen. Darüberhinaus wird Österreich nahegelegt, ein verschuldensunabhängiges Scheidungsrechteinzuführen.
Follow-up nach zwei Jahren
Vier Jahre hat Österreich Zeit, um dennächsten Staatenbericht zur UN-Frauenrechtskonvention abzugeben und über dieUmsetzung der „Abschließenden Bemerkungen“ Rechenschaft abzulegen. Allerdingsverlangt das Komitee zu vier Empfehlungen bereits nach zwei JahrenInformationen über den Fortschritt in der Umsetzung:
- Die Empfehlung, dass Österreich denArtikel 104a im Strafgesetzbuch für die Verfolgung von Menschenhändlern, dievor allem Frauen* und Mädchen* handeln, anwenden muss.
- Die Forderung, ökonomische Anreize undgesetzliche Verpflichtungen zu setzen, um die Mindestrepräsentation von Frauen*im Nationalrat und in den neun Landtagen zu gewährleisten. Gesetzliche Quotenund finanzielle Anreize für die gleichberechtigte Repräsentation von Frauen* impolitischen und öffentlichen Leben wurden von Sonja Ablinger und auch vomVerein DIE JURISTINNEN im NGO-Schattenbericht gefordert.
- Die Aufforderung an Österreich, Strategienzu entwickeln, um die Schulabbruchsrate von Mädchen* mit Migrationshintergrundzu verringern.
- Und schlussendlich wird verlangt, die Familienzusammenführungvon Personen, die unter internationalem Schutz stehen, zu ermöglichen.
Monitoring durch die Zivilgesellschaft
Die „Abschließenden Bemerkungen“liegen also auf dem Tisch. Jetzt ist es die Aufgabe aller kritischenInstitutionen und der Zivilgesellschaft, genau zu beobachten, ob die politischVerantwortlichen bereit sind, die Empfehlungen umzusetzen, und wir müssen lautwerden, wenn sie das nicht tun.
Auf der Internetseite des Klagsverbands (https://www.klagsverband.at/service/rechtehatsie) und auf Facebook #rechtehatsie stehen die „Abschließenden Bemerkungen“ und weitere relevante Dokumente in Zusammenhang mit dem Staatenprüfprozess zur UN-Frauenrechtskonvention zum Herunterladen zur Verfügung.