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Gründe der niedrigen Frauenbezüge
Die Gründe der im Vergleich zu Männern niedrigeren Frauenbezüge wurzeln in niedrigeren Erwerbseinkommen. Arbeitnehmerinnen hatten im Jahr 2021 einen Lohnnachteil gegenüber Männern von durchschnittlich 17,1 Prozent unter allen ganzjährig Vollzeitbeschäftigten. Werden Voll- und Teilzeitarbeitende gemeinsam betrachtet, beträgt der Einkommensnachteil 29,3 Prozent. Für den Einkommensunterschied gibt es mehrere Ursachen:
- Konservative innerfamiliäre Arbeitsteilung
Nach wie vor erledigen Frauen den Großteil der unbezahlten Haus- und Care-Arbeit. Das ist Resultat des zaghaften Ausbaus öffentlicher Kinderbildungs- und Betreuungseinrichtungen sowie des Mangels an öffentlichen Pflege- und Betreuungsplätzen. Das Defizit wird im Privaten von Frauen ausbalanciert, wodurch eine Beschäftigung im Vollzeitausmaß meist unmöglich wird.
- Hohe Teilzeitquote unter den Frauen
Die Belastung durch unbezahlte Arbeit führt dazu, dass Frauen vielfach – im Österreich-Schnitt 2021 zu 50,5 Prozent (Männer zu 10,8 Prozent) – in Teilzeit arbeiten. Die Teilzeitquote variiert stark nach Bundesland: Während in Wien 2021 rund vier von zehn Frauen in Teilzeit arbeiteten, waren es in Oberösterreich fast sechs.
- Geschlechtsspezifische Arbeitsteilung
Darüber hinaus zeigt sich eine geschlechtsspezifische Teilung am Arbeitsmarkt, die Männer weitaus häufiger in gut bezahlten Branchen, wie der Sachgüterproduktion oder technischen Branchen, vorfinden lässt. Zudem finden sie sich beträchtlich öfter in Führungspositionen. Frauen hingegen sind überdurchschnittlich oft in niedrig bewerteten Dienstleistungsberufen oder in Niedriglohnbranchen vertreten, die gesellschaftlich und ökonomisch zu wenig honoriert werden.
Anheben der Nettoersatzrate zu wenig
Das Anheben der Nettoersatzrate beim Arbeitslosengeld auf mindestens 70 Prozent des vorigen Nettoeinkommens ist längst überfällig. Die aktuelle Ersatzrate von 55 Prozent ist auch im internationalen Vergleich niedrig und muss nachziehen. Eine Studie des Europäischen Zentrum für Wohlfahrtspolitik und Sozialforschung im Auftrag der AK OÖ zeigt, dass das Anheben der Nettoersatzrate auf 70 Prozent extrem armutsreduzierend wirkt. Allerdings werden dabei Männer mehr begünstigt als Frauen. Das liegt vor allem daran, dass der Zuwachs von der Höhe des bisherigen Bezuges, der Dauer des Bezuges und der bisherigen Nettoersatzrate abhängig ist. Auch – die zu 83 Prozent weiblichen – Alleinerziehenden profitieren nur in einem geringen Ausmaß. Es braucht daher zusätzliche Maßnahmen, um Frauen zu begünstigen.
Degressives Arbeitslosengeld: Nein, danke!
Fast schon sicher scheint das Regierungsvorhaben, dass das Arbeitslosengeld künftig degressiv gestaltet werden soll. Das heißt, dass anfänglich eine höhere Nettoersatzrate gilt und sich diese sukzessive verringert. Um hier keine Mehrkosten zu verursachen, werden Fantasien laut, erstmals eine zweiwöchige Wartefrist für Arbeitslose einzuführen, bis sie ihr Geld beziehen können. Dadurch könnte das Arbeitslosengeld im ersten Monat auf lediglich 35 Prozent abstürzen (bei einer – ab späterem Bezugsbeginn – auf 70 Prozent erhöhten Nettoersatzrate). Hintergrund ist, das „Parken“ von Arbeitnehmern/-innen beim AMS zu vermeiden. Darunter versteht man die vorübergehende Kündigung mit Zusage zur Wiedereinstellung, die vor allem in stark saisonabhängigen Branchen exzessiv eingesetzt wird. Dabei müsste aber bei den Unternehmen angesetzt werden und nicht bei den Arbeitnehmern/-innen.
Auch ohne Wartefrist ist eine degressive Gestaltung des ALG-Bezuges unsinnig. Die Annahme, dass Arbeitslose dadurch schneller wieder in Beschäftigung kommen, fußt auf keinerlei empirischer Grundlage. Lediglich der Druck auf Arbeitssuchende wird erhöht, und zudem verschärft sich die Gefahr, dass sie in schlecht bezahlte Stellen mit dürftigen Arbeitsbedingungen gezwungen werden. Besonders arbeitslose Frauen sind psychisch enorm unter Druck gesetzt, wie eine Sonderauswertung des Arbeitsklimaindex der AK OÖ zeigt. Eine schrittweise Verringerung ihres AMS-Bezuges könnte eine zusätzliche Verschlechterung ihres Zustandes bewirken. Daher ist eine Verlängerung des AMS-Bezuges unabhängig vom Alter ein richtiger und wichtiger Schritt.
Drohen weitere Verschärfungen?
Nebenbei drangen immer wieder Gerüchte durch, dass Verschärfungen im Bereich des Zuverdiensts und der Wegzeit in Erwägung gezogen werden:
- Einschränkung beim geringfügigen Zuverdienst?
Angesichts der niedrigen durchschnittlichen AMS-Bezüge kann das Ausschöpften eines vollen geringfügigen Zuverdiensts von aktuell 485,85 Euro lediglich zu einem Einkommen knapp über der Armutsgefährdungsgrenze beitragen. Frauen kämen im Schnitt auf rund 1.444 Euro, wodurch die Armutsgefährdungsschwelle gerade einmal um rund 73 Euro überschritten würde. Der Zuverdienst ist für viele notwendig für ihre Existenzsicherung und verhilft nicht, wie oft suggeriert, zu einem sorglosen Leben in der oft beschworenen „sozialen Hängematte“. Zudem – und das ist besonders wichtig für arbeitslose Frauen mit Kindern – ermöglicht ein geringfügiger Zuverdienst, den Fuß im Arbeitsmarkt zu halten und hier nicht komplett den Kontakt zu verlieren. Oftmals bietet sich auch die Gelegenheit, von einer geringfügigen Beschäftigung in ein voll versicherungspflichtiges Arbeitsverhältnis zu wechseln.
- Längere zumutbare Wegzeiten?
Momentan sind Wegzeiten von maximal einem Viertel der täglichen Arbeitszeit zumutbar. Frauen sind stärker auf ein gut ausgebautes öffentliches Verkehrsnetz angewiesen, um ihre Arbeitsstätten aufzusuchen. Das Familienauto wird meist von Männern in Anspruch genommen. Besonders ländliche Regionen hinken hier nach und erlauben keinerlei Flexibilität, und es bedarf langer Fahrtzeiten für kurze Distanzen. Hinzu kommen die oftmals stark restriktiven Öffnungszeiten der Kinderbetreuungsinstitutionen, die zusätzlich erschwerend sind. Der flächendeckende Ausbau der öffentlichen Verkehrsinfrastruktur ist das Gebot der Stunde statt Verschlechterungen bei den zumutbaren Wegzeiten!
- Arbeitsmarkt-Verfügbarkeit bei Betreuungspflichten?
Aus der AK-Beratungstätigkeit ist das Androhen beziehungsweise im Worst Case die Durchführung einer Streichung von AMS-Bezügen aufgrund fehlender Kinderbetreuung bekannt. Völlig unverschuldet werden arbeitssuchende Frauen mit Kindern um ihre Ansprüche gebracht, wenn etwa in der Gemeinde kein Kinderbetreuungsplatz mehr frei ist und somit keine Arbeitsmarkt-„Verfügbarkeit“ in Höhe von 16 Wochenstunden bei vorliegenden Betreuungspflichten (20 Wochenstunden regulär) gewährleistet ist. Anstelle von Verschärfungen bei der Verfügbarkeit ist die öffentliche Hand gefordert, den Ausbau der Kinderbetreuungs- und Bildungseinrichtungen voranzutreiben.
Gendergerechte Reform erhöht soziale Sicherheit für alle
Eine gendergerechte Arbeitslosenversicherung erhöht die soziale Sicherheit für alle in unserer Gesellschaft. Die wichtigsten Eckpunkte dafür sind:
- Verbesserungen statt Verschlechterungen beim Arbeitslosengeld (Nettoersatzrate mindestens 70 Prozent, mögliche Bezugsdauer altersunabhängig mindestens 39 Wochen, keine verschärften Zumutbarkeitskriterien, Erhöhung des Familienzuschusses auf mindestens zwei Euro pro Tag und Kind, Erhöhung der maximalen Begrenzung des Ergänzungsbetrags);
- flächendeckender Ausbau qualitätsvoller Kinderbetreuung und -bildung und Rechtsanspruch auf Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag;
- Ausbau der öffentlichen Pflege- und Betreuungseinrichtungen;
- Ausbau des öffentlichen Verkehrs insbesondere in ländlichen Regionen;
- gleicher Lohn für gleichwertige Arbeit! Gesellschaftliche und ökonomische Aufwertung von klassischen Frauenbranchen und -berufen.
- Vermittlung existenzsichernder Stellen (mindestens 1.700 Euro brutto bei Vollzeit). Besonders häufig werden Frauen in Stellen mit (niedriger) Teilzeit vermittelt, die den Teufelskreis von niedrigen Erwerbseinkommen und anschließend schlechter sozialer Absicherung von der Arbeitslosigkeit bis zur Pension in Gang setzen.
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