Gleichstellungsindex 2025: Öster­reich auf halbem Weg zur Gleich­stellung

28. Februar 2025

Gerade mal 49 von 100 Gleichstellungspunkten erreicht die durchschnittliche österreichische Gemeinde im Städtebund-AK-Gleichstellungsindex. Dieser ist ein einmaliges Instrument, das Gleichstellung in Österreich messbar macht. Der Fortschritt von Gleichstellung wird in neun Dimensionen gemessen: und zwar nicht nur österreichweit, sondern für jede einzelne Gemeinde in Österreich.

Gleichstellung wird messbar

Gleichstellung passiert auf vielen Ebenen, die – selbst wenn sie auf Datenbasis aufbereitet sind – oft schwer miteinander vergleichbar sind oder zu einer einheitlichen Maßzahl zusammengefasst werden können. Genau hier setzt der Gleichstellungsindex an. Von insgesamt 23 Indikatoren, die zu neun thematischen Dimensionen zusammengefasst werden, werden die Daten auf Gemeindeebene erhoben und zu vergleichbaren Indexwerten umgerechnet. Im Fokus sind die Dimensionen: Kinderbetreuung, Bildung, Einkommen, Erwerbstätigkeit, Gesundheit, Gewaltschutz, Mobilität, demografische Entwicklung sowie Repräsentation in Politik und Wirtschaft. Die Indexwerte bewegen sich auf einer Skala von 0 bis 100, wobei 100 der bestmögliche Wert ist.

Der Gleichstellungsindex misst somit von allen 2.092 österreichischen Gemeinden und den 23 Wiener Gemeindebezirken den Stand der Gleichstellung und macht diesen vergleichbar.

Die Gemeinde im Fokus

Spricht man von Gleichstellung, wird häufig Österreich pauschal betrachtet. Fehlende Gleichstellung bemerken Frauen aber zuerst in ihrem direkten Lebensumfeld: der fehlende Kinderbetreuungsplatz in der Wohnsitzgemeinde, die schlechte öffentliche Anbindung zur nächsten Oberstufenschule oder zum nächsten regionalen Zentrum. Der Gleichstellungsindex hat die Gemeinde im Fokus und zeigt somit, wo welche Rahmenbedingungen für Gleichstellung wie stark ausgeprägt sind. So können deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Gemeinden aufgezeigt werden.

Insgesamt betrachtet kann gesagt werden, dass der städtische Raum höhere Indexwerte erreicht als der ländliche Raum bzw. auch eine höhere Einwohner:innenzahl zu besseren Indexwerten führt. Insbesondere Wien sticht hier in vielen Bereichen heraus. Allerdings zeigen sich auch regionale Cluster von Gemeinden mit besonders hohen Gleichstellungswerten.


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Wenige Überraschungen

Die Diagnose des Gleichstellungsindex bietet wenige Überraschungen: So zeigt sich bei der Bildung ein positives Bild. Hier erreicht die durchschnittliche österreichische Gemeinde mit 75 Indexpunkten den höchsten Indexwert aller Dimensionen.

Bei der Kinderbetreuung zeigt der Gleichstellungsindex mittelmäßige Werte und einen besonders hohen Handlungsbedarf bei den Krippen. So erreicht die durchschnittliche Gemeinde bei der Kinderbetreuungsquote einen Indexwert von 66 – hier gibt es aber starke regionale Unterschiede (z. B. Wien erreicht 88, die Steiermark 58 Indexpunkte).

Betrachtet man Angebotsqualität und Angebotsdichte, so erreichen Kindergärten einen durchschnittlichen Indexwert von 62, während Krippen gerade 47 Punkte erzielen.

Den größten Handlungsbedarf zeigt der Gleichstellungsindex aber – wenig überraschend – beim Ausmaß und der Verteilung von Teilzeitbeschäftigung und beim Einkommen. Beim Einkommensunterschied kommt die durchschnittliche österreichische Gemeinde auf knappe 19 Punkte, beim Geschlechtergefälle von Teilzeitbeschäftigung sogar nur auf 18 Indexpunkte.

Neu: Ausgegliedertenquote – vom Erwerbsarbeitsmarkt Ausgeschlossene

Erstmals wird im Gleichstellungsindex eine neue Quote ermittelt: die Ausgegliedertenquote. Statistisch gesehen ist dies die Quote der „sonstigen Nicht-Erwerbspersonen“ basierend auf der abgestimmten Erwerbsstatistik. Die abgestimmte Erwerbsstatistik erfasst mit der Kategorie „sonstige Nicht-Erwerbspersonen“ jene, die ausschließlich im Haushalt tätig sind, sowie Personen, die aus unterschiedlichen Gründen keiner Erwerbsarbeit nachgehen (können), ohne jedoch beim AMS gemeldet zu sein. Sie sind in der Arbeitslosenquote nicht erfasst, da sie als „dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung stehend“ kategorisiert sind. Personen unter 15 Jahren, Schüler:innen, Studierende und Pensionist:innen gehören nicht zu dieser Gruppe.

Alle in der Ausgegliedertenquote enthaltenen „Subgruppen“ haben einen Exklusionsprozess hinter sich, da sie vormals in irgendeiner Form in den Arbeitsmarkt oder in die Ausbildung eingegliedert waren. Aus diversen Gründen sind sie nun nicht (mehr) in den Arbeitsmarkt integriert.

Im Gleichstellungsindex wird das Geschlechtergefälle der Ausgegliedertenquote herangezogen. Der so ermittelte Wert der durchschnittlichen österreichischen Gemeinde von 51 Punkten macht deutlich, dass es vor allem Frauen sind, die nach der Familiengründung oder aufgrund der Pflege von Angehörigen die Berufstätigkeit vollständig zurücklegen.

Einkommensungleichheit betrifft flächendeckend alle Frauen

Im Gleichstellungsindex werden zur Ermittlung der Einkommensunterschiede die medianen Bruttojahreseinkommen aller unselbstständig Beschäftigten (außer Lehrlinge) herangezogen. Es fließen – im Gegensatz zur Ermittlung des Equal Pay Day – auch die Einkommensdaten der Teilzeitbeschäftigten ein.

Auch die geschlechtsspezifischen Einkommensunterschiede werden im Gleichstellungsindex für jede Gemeinde berechnet und stellen damit eindrucksvoll dar, wie es mit dem Einkommensunterschied in der Lebensrealität von Frauen tatsächlich aussieht: In fast keiner Gemeinde (mit Ausnahme von zwei kleinen Gemeinden) verdienen Frauen so viel wie Männer. Der geschlechterspezifische Einkommensunterschied ist also, wie auch die Karte zeigt, in Österreich flächendeckend.

Praktisches Tool für Frauen und die Politik

Der Gleichstellungsindex ist ein praktisches Tool für Frauen. Plant eine Frau beispielsweise den gemeinsamen Wohnsitz mit dem bzw. der Partner:in und Familie zu gründen, dann zeigt der Index, wie es mit Kinderbetreuung in der zukünftigen Wohngemeinde ausschaut. Frauen können sich auch informieren, ob die Gemeinde eine gute öffentliche Anbindung hat, um ohne Auto den Arbeitsplatz oder Ärzt:innen zu erreichen.

Und natürlich ist der Gleichstellungsindex ein wichtiges Instrument für Entscheidungsträger:innen in Politik und Wirtschaft. Sie können den Index nutzen, um Maßnahmen zielgerichtet zu setzen, damit die Lebens- und Arbeitssituation von Frauen besser wird.

Gleichstellungindex zeigt konkreten Handlungsbedarf

Die Ergebnisse des Gleichstellungsindex sind nicht überraschend. Die Möglichkeit, den Fortschritt der Gleichstellung der Geschlechter zu messen, hilft dabei Handlungsbedarfe zu verorten. Darüber hinaus können die politischen Entscheidungsträger:innen der verschiedenen Gebietskörperschaften so im Zeitverlauf auch die Wirksamkeit ihrer Maßnahmen überprüfen.

Große Handlungsbedarfe identifiziert der Gleichstellungsindex in den Bereichen Teilzeitarbeit, Einkommen und Kinderbetreuung. Die Lösungsansätze sind klar:

  • Qualitätsoffensive und Ausbau im Bereich der Elementarpädagogik
  • Rechtsanspruch auf einen Kinderbetreuungsplatz ab dem 1. Geburtstag
  • Aufstockung des Budgets für Elementarpädagogik auf mindestens 1 Prozent des BIP
  • Maßnahmen zur fairen Verteilung von Erwerbstätigkeit und unbezahlter Familiensorgearbeit, wie zum Beispiel das AK-ÖGB-Familienarbeitszeitmodell
  • (finanzielle) Aufwertung der frauendominierten Branchen
  • Umsetzung der EU-Richtlinie zur Stärkung der Lohntransparenz in einer Maximalvariante
  • Ein Mehrarbeitszuschlag von 50 Prozent für Teilzeitbeschäftigte muss ab der ersten Stunde zustehen
  • Schaffung eines Rechtsanspruchs für Teilzeitbeschäftigte auf Aufstockung der vertraglich vereinbarten Arbeitszeit, wenn sie regelmäßig Mehrstunden leisten.
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