Der neue unabhängige Jahreswachstumsbericht verdeutlicht, dass die anhaltende wirtschaftliche Erholung in der Eurozone zu schwach ist um annähernd Vollbeschäftigung zu erreichen. Die Krise bleibt mit ihren Risiken für die langfristige wirtschaftliche Entwicklung und den Sozialstaaten nach wie vor aktuell. Die Eurozone bleibt auch hinter der Entwicklung in anderen wohlhabenden Volkswirtschaften zurück. Ohne wirtschaftspolitischem Kurswechsel steht eine Phase der Stagnation geprägt von deflationären Tendenzen bevor. Was wir daher jetzt brauchen ist aktive Nachfragesteuerung, eine Eindämmung der finanziellen Fragmentierung, Politiken gegen die zunehmend ungleiche Verteilung und öffentliche Investitionen etwa zum ökologischen Umbau der Ökonomie.
Auch wenn sich die Wirtschaft der Eurozone „erholt“, die große Rezession ist noch nicht vorbei. Das Wort Erholung ist deshalb irreführend, weil es eine Rückkehr zu einem Normalzustand suggeriert. Dafür notwendig wäre jedoch ein starker und stetiger Aufschwung, der die – vor allem durch die anhaltend hohe Arbeitslosigkeit – verursachten Schäden beseitigt und die Gefahr einer sogenannten sekularen Stagnation mit Deflationstendenz vermeidet. Selbst wenn die hohe Arbeitslosigkeit abgebaut würde, wäre sonst der Druck auf Löhne und Arbeitsbedingungen weiter steigend. Ein soziales Desaster mit verstärkter unfreiwilliger Teilzeitarbeit und einem Anstieg der „working poor“ wäre die Folge.
Wie bereits im letztjährigen unabhängigen Jahreswachstumsbericht festgehalten braucht es zwar Fiskaldisziplin für das Vertrauen in die Nachhaltigkeit öffentlicher Haushalte, doch darf das nicht dazu führen, dass die notwendige Nachfragestimulierung unterlassen wird. Ein Beispiel für nachhaltig sinnvolle Maßnahmen sind Investitionen in den ökologischen Umbau der Ökonomie. Wenn neue Schulden für Sachvermögen mit langfristig allgemeinem Nutzen aufgenommen werden, steht das nicht im Widerspruch zur Nachhaltigkeit der öffentlichen Finanzen. Aktuelle Instrumente wie der Juncker-Plan gehen in diese Richtung, bleiben aber unzureichend um einer möglichen Stagnation vorzubeugen und den ökologischen Umbau konsequent voranzutreiben.
Die aktuelle Erholung wird vor allem von der expansiven Geldpolitik, der Euro-Abwertung und einem Aussetzen der zuvor massiven Budgetkonsolidierung getragen. Externe Faktoren wie der sinkende Ölpreis wirken unterstützend. Dämpfend wirkt hingegen die aktuelle Wachstumsschwäche in den Schwellenländern, die unter anderem mit dem Rückgang der Rohstoffpreise zusammenhängt. Negative Finanzmarktereignisse und die Verschiebung von Investitionsprojekten (zB Juncker-Plan) stellen ebenso eine Gefahr für den positiveren Ausblick dar wie die geopolitischen Spannungen.